Das letzte Album der Beatles sollte eigentlich Everest heißen und das Cover sollte die Band auf einem schneebedeckten Berggipfel zeigen. Doch John Lennon war das zu kalt und ungemütlich und so ging man einfach vor der Studio-Tür über den Zebrastreifen.

Das Abbey-Road-Studio ist eine Ikone. Hier, im eleganten Londoner Stadtteil St. Johns Wood, wurde die Popmusik erfunden, wie wir sie heute kennen. Bereits in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts sind in diesen heiligen Hallen Aufnahmen von Orchestern und Unterhaltungsmusikern gemacht worden. Hier wurde die Stereofonie erfunden. In den frühen 60er-Jahren stürmten vier junge Männer aus Liverpool die weltweiten Charts mit Aufnahmen, die sie hier unter der Leitung ihres Produzenten George Martin einspielten. Über 100 Songs nahmen die Beatles im Studio an der Abbey Road auf.

Mit jeder Single und jedem Album der Beatles wurden neue Aufnahmetechniken und Produktionstricks entwickelt. So war zum Beispiel Toningenieur Geoff Emerick der erste Mann seines Faches, der das Mikrofon nicht vor dem Schlagzeug, sondern in der Bassdrum von Ringo Starr platzierte, um einen härteren Beat zu erzeugen. Nach den strengen Vorschriften des Studios hätte er das gar nicht gedurft, denn die teuren, deutschen Neumann-Mikrofone sollten geschont werden. Er probierte es trotzdem – und seitdem machen es Toningenieure in aller Welt so.

Diese Offenheit für Innovationen hat sich das legendäre Studio bis heute bewahrt. Viele Geräte, die in all den Jahren für Bands wie die Beatles oder Pink Floyd entwickelt wurden, sind inzwischen als Plugins für digitale Musikproduktionen für jedermann erhältlich. Das legendäre „Double-Tracking“ für Gesangsstimmen zum Beispiel, das John Lennon liebte, oder ein besonderer Hall, der auf Pink Floyds legendärem Album „Dark Side of the Moon“ zu hören ist. Außerdem gibt es ein Fernstudium für Toningenieure. Jetzt steigt das Abbey-Road-Studio auch in das Startup-Geschäft ein und ist seit Oktober 2015 mit einem Inkubator für Musik-Tech am Start. Managing Director Isabel Garvey hatte sich zuvor mit vielen Startups getroffen, um herauszufinden, wie das Studio von der innovativen Szene profitieren kann und was es selber für Entrepreneure tun kann.

Das Resultat der Überlegungen ist Abbey Road Red. Eine eigene, kleine Innovationsabteilung, die Gründer, Forscher und Entwickler von Musiktechnik unterstützen soll. Das Studio bietet den Startups beste Verbindungen in die Musikindustrie und natürlich zu weltbekannten Musikern. Und die sind heute, genau wie ihre Vorbilder in den 60er-Jahren, immer noch auf der Suche nach neuen technischen Möglichkeiten und neuen Sounds.

Das erste Resultat von Abbey Road Red ist Titan Reality. Das Startup hat einen 3D-Controller mit dem schönen Namen The Pulse entwickelt, der es möglich machen soll, jedes Musikinstrument zu spielen.

Jon Eades, der Leiter des „Abbey Road Red“-Projektes, sagt: „Wir suchen Startups in der Phase zwischen Seed- und Series-A-Finanzierung. Sie sollten zwischen zwei und zehn Mitarbeitern beschäftigen, den richtigen Gründergeist besitzen und sie sollten technikgetrieben sein. Vor allem soll es um Musik gehen. Weil das unsere Spezialität ist.“

Im Studio 2 des Abbey-Road-Studios weht heute noch der Hauch der Popgeschichte. Hier stehen nach wie vor die Klaviere, Mikrofone und andere Geräte, die die Beatles für ihre Aufnahmen nutzten. Da ist auch noch die weiße Treppe, die aus den Aufnahmeraum zum Regieraum im ersten Stock führt. Er war für die jungen Musiker in der Anfangszeit noch Sperrzone. Hier regierten Ingenieure in weißen Kitteln, die für den Sound sorgten. Musiker waren unerwünscht. Aber nach und nach begriffen die Manager des Studios, dass die Ideen der jungen Musiker gar nicht so abwegig und schlecht waren. Und so erkämpften sich John, Paul, George und Ringo schließlich alle Möglichkeiten, ihre Vorstellungen von Pop umzusetzen. Sie waren wahrscheinlich das erste Startup der Popgeschichte. Hoffen wir, das jetzt noch ein paar weitere spannende Ideen folgen.

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