Leidenschafts-Thema: Accelerator

Jens Pippig ist nun seit über einem Jahr bei ProSiebenSat.1. Er kümmert sich um die Digitalisierungsstrategie allgemein, in einer Mischung aus interner Strategieberatung und Business Development beim Vorstand, dazu zählen Bereiche wie SevenVentures, Online-Video, Games und Musik.

Eines seiner Fokusthemen ist der ProSiebenSat.1 Accelerator (www.p7s1accelerator.com), ein Leidenschafts-Thema, das er aus den USA, aus Seattle von Techstars, von einer Learning-Reise mit ProSiebenSat.1, mitbrachte. Zuvor war er Unternehmensberater, aber hat auch mit Entrypark und Potentialpark selbst im HR-Bereich gegründet. Der frühzeitige Kontakt zu Unternehmen ist für Jens zentral. Mit Gründerszene sprach Jens Pippig über das Warum, die Accelerator-Schwemme und Erfolgsaussichten für Startups nach Accelerator-Programmen.

Jens, es ist derzeit ein Trend von Corporate-Unternehmen, eigene Inkubatoren oder Accelerator-Programme zu entwickeln. Ist das Innovationsförderung für ProSiebenSat.1 oder was steckt dahinter?

Es ist nicht etwa die Erkenntnis, dass man Innovation nicht alleine hin bekommt, sondern ein zusätzlicher Weg, um neue Ideen zu generieren. Wir lernen dadurch interessante Personen kennen, die wir sonst vielleicht nicht erreicht hätten. Zudem profitieren auch die unterschiedlichen Konzernbereiche von dem Austausch und dem frischen Wind, der damit zu uns kommt.

Coca Cola, Rewe, Fielmann, Wayra, Scout24 und wie sie alle heißen. Derzeit gibt es große Kritik an der Corporate-Accelerator-Inkubator-Schwemme. Wie steht ihr dazu?

Grundsätzlich ist das doch eine sehr positive Entwicklung, wenn sich große Unternehmen um Startups und Unternehmertum kümmern – genau das wurde doch an der deutschen Gründerszene lange bemängelt. Wer ein Accelerator-Programm ins Leben ruft, dem sollte klar sein, dass das Operative an erster Stelle steht – ein Accelerator-Programm erfordert viel Zeiteinsatz und Leidenschaft des internen Teams und der Mentoren. Denn die Gründer in den Programmen profitieren in erster Linie vom Coaching und Mentoring und nicht etwa von einem Logo auf der Website.

Was bietet ihr mehr als andere Accelerator-Programme? Wer passt zu Euch?

Wir sind bewusst sehr breit aufgestellt, denn Startups können auf unterschiedliche Art und Weise vom Programm profitieren, und zwar von folgenden Punkten:

  1. Vom Accelerator-Team, das alle Startups während des ganzen Programms und darüber hinaus eng betreut. Alle Teammitglieder haben eine spezielle Expertise, sowohl durch ihre Arbeit bei ProSiebenSat.1 als auch durch vorherige Gründungs- und Beratungserfahrung.
  2. Das Geschäftsmodell der Startups könnte von TV-Media profitieren. Denn wir wollen auch nach dem Accelerator gegebenenfalls über SevenVentures weiter mit den Teams zusammen arbeiten.
  3. Der Konzern hat selbst Geschäftsfelder, die direkt von den Produkten und Dienstleistungen der Startups profitieren können.

Und wer passt zu uns? B-2-C ist ein großer Bereich, der für uns besonders spannend ist, so zum Beispiel E-Commerce-Projekte, Video, Gaming oder Mobile. Aber auch B-2-B-Felder sind bei uns gut aufgehoben, man denke nur an Bereiche wie Advertising und Vermarktung. Was die Marktreife der Bewerber angeht, so sollten sie einen fertigen Prototypen oder ein funktionsfähiges Produkt haben, das bereits am Markt ist. Mit den anderen Accelerator-Programmen stehen wir übrigens im engen und freundschaftlichen Kontakt.

Reichen drei Monate für die Startups, die zu Euch kommen? Ist der Zeitraum nicht zu kurz?

Wir haben durchweg positives Feedback bekommen. Die Startups der ersten Runde haben in den drei Monaten intensive Kontakte in das Unternehmen aufgebaut, die sie auch in der Folgezeit nutzen werden. Wir haben die Betreuung und das Coaching so getaktet, dass im zeitlichen Rahmen erstaunliche Fortschritte gemacht wurden – was sich beim abschließenden Demo Day gezeigt hat. Damit die Programmteilnehmer das Optimum aus den drei Monaten heraus bekommen, ist es eben wichtig, dass es bereits ein Produkt oder Prototypen gibt – und nicht nur eine Idee, die noch ausgefeilt werden muss.

Wie viele Unternehmen kommen zu Euch?

Wir nehmen sechs bis acht Unternehmen auf und führen zwei Programme pro Jahr durch, jeweils im Frühling und Herbst.

Mit was bewerben sich die Startups?

Die Minimalanforderung ist, das Formular auf unserer Webseite auszufüllen. 15 Fragen müssen dort rund um Team, USP und Geschäftsidee beantwortet werden. Ein Finanzplan ist im frühen Stadium für uns nicht entscheidend – die gleichen eher dem Blick in eine Glaskugel. Ein ganz wichtiger Aspekt für uns ist die Team-Zusammenstellung: Ist dort zum Beispiel ein Entwickler mit an Bord? Das ist oft ein entscheidendes Kriterium dafür, dass Startups schneller aus sich heraus wachsen können.

Welche Ideen hörst du derzeit oft?

Ticketing, Parkplatz-Lösungen und vieles im Gamingbereich hört man derzeit oft; beliebte Themen sind Produkte  rund um Kinder und Tiere.

Auf was guckt ihr bei der Auswahl? Team, Produkt, persönliche Begeisterung?

Alles das, was auf die breite Gesellschaft zielt, ist bei ProSiebenSat.1 grundsätzlich gut aufgehoben. Die Idee muss aber gut sein, nur dann schauen wir uns das weiter an.

Was für Leute bewerben sich bei Euch? Sind die eher jung? Oder haben diese schon Unternehmen vorab gegründet? Männlich? Weiblich?

Es sind im Wesentlichen mehr Männer. Wir hoffen ja sehr darauf, dass wir Bewerbungen von Frauen oder gemischten Teams bekommen. Aber bisher gab es vielleicht ein Prozent an Bewerber-Teams, die eine Frau in einer Führungsposition hatten – und wir hoffen sehr, dass sich das ändern wird. Die meisten Bewerber haben erste Berufserfahrung, sind Mitte 20, einige kommen frisch von der Uni – schließlich kann man sich von den 25.000 Euro Startkapital auch selbst das Gehalt zahlen. Wir haben aber auch Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung, ein Großteil hat BWL studiert.

Fühlt ihr große Leidenschaft bei den Gründern?

Ganz klar: Leidenschaft steht komplett im Mittelpunkt – wie sonst sollten uns die Bewerber bei den Pitches überzeugen, ins Programm aufgenommen zu werden?

Im Bereich Media-For-Equity gibt es in der Startup-Szene große Unsicherheiten. Was ist der richtige Zeitpunkt?

Das Timing ist extrem wichtig. Für Startups aus dem Accelerator wäre das zum Beispiel viel zu früh. Der richtige Zeitpunkt ist dann erreicht, wenn die Unternehmen eine gewisse Eigenständigkeit unter Beweis gestellt haben und nachhaltige Umsätze, bestenfalls auch Gewinne erwirtschaften. TV-Media ist schon ein Zaubertrunk, aber du musst ihn richtig einsetzen und verschiedene Zeitschienen und Spots testen – bekanntes Beispiel Zalando. Und flankierend zur TV-Werbung sollten gerade E-Commerce-Unternehmen SEO- und SEM-Maßnahmen eingeleitet haben.

Wo sitzen die Startups, die am Accelerator-Programm teilnehmen?

Die sitzen im Gebäude bei den Kollegen von Maxdome und der TV Deutschland, fünf Minuten von meinem Büro. Wir haben uns zu Anfang die Frage gestellt, ob man den Accelerator in Berlin machen sollte. Jetzt kann ich sagen, dass der ProSiebenSat.1 Accelerator nur hier Sinn macht – mit der Nähe zu den TV-Sendern und dem Digitalbereich. München hat uns sogar geholfen: Wir haben viele Bewerbungen aus Österreich bekommen, aber natürlich auch aus Berlin, Köln oder Hamburg. Auch aus den USA und Japan kamen Bewerbungen.

Was machen die Startups aus der letzten Runde? Haben diese Folgefinanzierungen?

Die sind alle happy, denn einige haben bereits Anschlussfinanzierung von Business Angels bekommen. Wir haben früh anfangen, Investoren anzusprechen – bei zwei Startups bahnen sich gerade strategische Investments an.

Wie helft ihr Kontakte zu vermitteln?

  1. Wir ermutigen die jungen Unternehmen, auch während des Programms eigenständig auf Business Angels zuzugehen. Diese Hausaufgaben müssen sie selber machen.
  2. Wir laden Investoren frühzeitig ein, einmal für individuelle Coachings und zum zweiten für den Investor‘s Day, vier Wochen vor Programmende.
  3. Zum abschließenden Demo Day treffen die Startups auf weitere Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Presse.

Der Early-Stage-Bereich ist in Deutschland ja gar nicht die große Herausforderung. Schwieriger ist ja vor allem Later Stage.

Later Stage-Finanzierungen sind meiner Erfahrung nach nicht das Problem, Herausforderungen gibt es nach meiner Einschätzung vor allem bei Series-A- und Series-B-Finanzierungen. ProSiebenSat.1 hat ja beispielsweise gerade im Late-Stage-Bereich in Billiger-mietwagen.de, MyDays und Stylight investiert, da diese Unternehmen strategisch gut zu uns passen und TV-Media einen großen Einfluss auf den Erfolg der Unternehmen hat.

Was wünscht Du dir für diese Bewerbungsrunde?

Ich möchte überrascht werden.

Danke für das Gespräch Jens.

Danke Nora.

Head of Strategy & Operations Jens Pippig

Bilder: ProSiebenSat.1