Robert Lamptey hat eine Messanger-App entwickelt, die auch auf älteren Handys läuft
Robert Lamptey hat eine Messanger-App entwickelt, die auch auf älteren Handys läuft Robert Lamptey hat eine Messenger-App entwickelt, die auch auf älteren Handys läuft

„Made in Ghana“ soll zum Prädikat werden

Robert Lamptey ist der Geek in seiner Familie. Er braucht Codes und Algorithmen, um kreativ zu sein. „Softwareentwicklung ist meine Form der Kunst“, sagt der 31-jährige Ghanaer. Lamptey studierte Informatik und bastelte schon an der Uni an einer Chat-Anwendung für Handys. Kommilitonen mussten sie testen – und es funktionierte gut. Der große Wurf gelang ihm schließlich im Sommer 2011: Gemeinsam mit seinem Kumpel Badu Boahen startete er die Messenger-App Saya.

„Ich wollte einen Weg finden, wie wir uns günstig Nachrichten schicken können“, erzählt Lamptey in einem Café in Ghanas Hauptstadt Accra. Er trägt Hemd und Sakko, hinter der langen Fensterfront ziehen hupende Minibusse und bunt gekleidete Straßenverkäufer vorbei. Lamptey drapiert sein iPhone auf dem Tisch, es zittert und summt immer wieder. „Wer ein einfaches Handy hat, kann Nachrichten ja nur als SMS verschicken“, sagt er. „Und das geht richtig ins Geld.“

Seine Idee ist nicht neu: Für Smartphones gibt es schon länger Anwendungen, mit denen man chatten und Sofortnachrichten verschicken kann. In den aufstrebenden Ländern Afrikas oder Asiens nutzen die Menschen aber oft einfachere oder ältere Telefonmodelle. Genau diese Märkte, zu denen auch Ghana zählt, haben die Gründer Lamptey und Boahen im Blick: Saya funktioniert zwar auch auf Smartphones, die App ist aber vor allem aber als eine Art Whatsapp für einfache Handys gedacht.

Als sie Saya in Ghana auf den Markt brachten, rechneten die beiden Gründer mit 2000 Nutzern. Dieses Ziel erreichten sie nach nur drei Wochen. „Wir wollten die App dann weltweit anbieten, und einfach sehen, was passiert“, sagt Lamptey. Der Plan ging auf: Innerhalb eines halben Jahres kamen sie rund um den Globus auf mehr als 400.000 Downloads. Die Nutzer wiederum verschickten über eine in die App integrierte Funktion weitere neun Millionen Einladungen an ihre Kontakte.

Kapstadt, Nairobi und Lagos gelten als die großen Startup-Metropolen in Afrika. Andere Städte auf dem Kontinent holen auf und werden für junge Gründer immer attraktiver. Ein grundlegendes Problem aber bleibt: Ohne Geldgeber aus dem Ausland ist es nahezu unmöglich, aus einer Idee ein Unternehmen zu machen. Ein Besuch in Ghanas Hauptstadt Accra.

Das nötige Startkapital für Saya hatten Lamptey und Boahen von der Gründerschule erhalten, an der sie zuvor eine zweijährige Ausbildung durchlaufen haben. Ein norwegischer Unternehmer hatte die Meltwater Entrepreneurial School of Technology (MEST) samt Inkubator 2008 in Accra gegründet. Jedes Jahr nimmt sie um die 30 Studenten aus Ghana auf, seit diesem Jahr erstmals auch aus Nigeria, um sie fit zu machen als künftige Tech-Unternehmer.

Ghanas Hauptstadt Accra von oben.

Auf dem Lehrplan stehen Softwareentwicklung und Marketing, die Studenten entwickeln Businesspläne und lernen, wie man Ideen in einem Pitch Investoren präsentiert. „Die Nachfrage ist riesig, wir haben jedes Jahr um die 1000 Bewerbungen“, sagt Amma Baffoe. Sie fährt regelmäßig an Hochschulen in Ghana und Nigeria, um für das Ausbildungsprogramm zu werben.

Dass die Schule ihren Platz in Accra gefunden hat, ist kein Zufall. Ghana gilt als Musterdemokratie in der Region, die Wirtschaft profitiert vom Reichtum an Rohstoffen, darunter Erdöl, Gold und Kakao. „Auch die Schulen und Unis sind besser als in anderen afrikanischen Ländern“, sagt Baffoe. Von den rund 25 Millionen Einwohnern ist mehr als die Hälfte unter 25 Jahre alt – ein großes Potential.

Auf Afrikas Gründerkarte fällt der erste Blick trotzdem nicht auf Ghana – noch nicht. Erst kommen Südafrika, Kenia und Nigeria, die unter den Ländern südlich der Sahara als Hochburgen für junge Tech-Unternehmer gelten. Doch Ghana holt auf, die Startup-Szene in dem westafrikanischen Land wächst seit Jahren. Es entstehen Gründerzentren und Coworking-Büros. Die Leute fangen an, Netzwerke zu bilden. „Ghana hat nicht die perfekte Infrastruktur für junge Unternehmer, aber vieles bessert sich, vieles wird einfacher“, sagt Baffoe. In diesem Jahr lancierte Ghanas Regierung einen Fonds in Höhe von rund drei Millionen US-Dollar, um junge Startup-Unternehmer im Land zu unterstützen. Dennoch bleibt die Kapitalbeschaffung eines der größten Hindernisse, um eine Startup-Idee in ein funktionierendes, gar internationales Unternehmen zu überführen.

Das bekamen auch Saya-Gründer Robert Lamptey und Badu Boahen zu spüren: Ihre Messaging-App wurde immer populärer, in diesem Jahr stieg die Zahl der Nutzer auf fast eine halbe Million, verteilt auf 35 Länder, mit Indien, Indonesien und Bangladesch als größte Märkte. „Wir brauchten noch mehr Ingenieure, und dafür dringend viel mehr Geld“, sagt Lamptey. Er gewann Investoren in den USA und in Großbritannien, aber das reichte nicht. „Irgendwann waren wir an einem Punkt, wo wir mit der großen Nachfrage nach unserer App nicht mehr fertig geworden sind.“ Im Sommer verkauften sie das Unternehmen schließlich an den US-amerikanischen App-Entwickler Kirusa, der das System in seine eigene Messaging-App Instavoice integrierte.

Bitte wenden – hier geht’s zur zweiten Seite: „Das Potential unseres Landes ist riesig“.

FOTOS: ROBERT KÖHLER

Robert Lamptey hat eine Messenger-App entwickelt, die auch auf älteren Handys läuft

„Das Potential unseres Landes ist riesig“

Saya ist nicht das erste Tech-Unternehmen aus Ghana, das für ausländische Investoren interessant ist. Vor gut einem Jahr kaufte die niederländische Biometrie-Firma Genkey das Startup Claimsync, das vier junge Ghanaer gegründet hatten. Ihr Geschäftsmodell: Mit einer Software werden die Patientenakten in ghanaischen Krankenhäusern digitalisiert. Das mindert eine ganze Menge Papierkram, und erleichtert die Abrechnung mit Krankenversicherern.

Akquisitionen wie die von Saya oder Claimsync haben Signalwirkung. Sie zeigen der Welt, dass nützliche Software auch das Prädikat „Made in Ghana“ haben kann, dass es sich lohnt, einen Blick auf Städte abseits der großen Ideenschmieden zu werfen. Sie zeigen aber auch: Startup-Unternehmer in Ghana sind auf Geldgeber aus dem Ausland angewiesen. Die Investitionsfreudigkeit der Wirtschaft in ihrer Heimat ist äußerst gering. Woran liegt das? „Viele Unternehmen in Ghana sind nicht vertraut mit der Startup-Kultur, gerade im Tech- Bereich“, sagt Fiifi Baidoo, der das Gründerzentrum iSpace in Accra betreibt. „Es fehlen die Erfahrungen und das Wissen, wenn es um neue Technologien geht.“ Deswegen sei es schwierig, ihnen Investitionen in diesem Bereich schmackhaft zu machen. „Viele Firmen wollen erst ein fertiges Produkt sehen, bevor sie Geld locker machen“, sagt Baidoo. „Ideen sind ihnen oft nicht greifbar genug.“

Fiifi Baidoo ist gelernter Programmierer und sagt: „Viele Investoren wollen ein fertiges Produkt, bevor sie Geld locker machen.“

„Das Potential unseres Landes ist riesig“, sagt Baidoo, der gelernter Programmierer ist und bis vor einem Jahr im ghanaischen Büro von Google arbeitete. „Wenn ich mir so manches Projekt von Uni-Absolventen anschaue, gerade bei den Informatikern, bin ich beeindruckt.“ Baidoo kennt aber auch die Hindernisse für Startup-Unternehmer in seiner Heimat – und will dazu beitragen, sie ein Stück weit aus dem Weg zu räumen. „Die Mieten für Büroräume in Accra sind hoch, und weil die Nachfrage weiter steigt, verlangen immer mehr Vermieter Vorauszahlungen für bis zu zwei Jahre“, sagt Baidoo. Damit nicht genug: Wer in Ghana eine wirklich stabile Strom- und Internetversorgung will, essentiell für die Tech-Branche, muss tief in die Tasche greifen. „Das kann sich ein junger Startup-Unternehmer nicht leisten.“

Für sein Gründerzentrum mietet Baidoo seit Juni 2013 das komplette vierte Stockwerk eines Bürogebäudes im zentralen Stadtteil Osu an. Grün, gelb und rot leuchten die Wände, die den weitläufigen Raum in mehrere Bereiche aufteilen. Blau leuchtet der Atlantik hinter der Fensterfront, die sich um die gesamte Etage legt. Rund 25 Leute kommen regelmäßig her, um an den Schreibtischen, Flachbildschirmen und Sesseln ihre Ideen weiterzuentwickeln. „Wir konzentrieren uns auf Startups im Tech- und Kreativbereich, sind aber offen für jeden“, sagt Baidoo. Für einen monatlichen Beitrag bekommen iSpace-Mitglieder einen Arbeitsplatz mit allem, was dazugehört: Beratungs- und Ausbildungsangebote, Strom und Internet.

iSpace: Hier soll ein Zentrum für Startups in Accra entstehen.

Solange es in Ghana derart an der grundlegenden Infrastruktur hapert, kann vor allem die Tech-Gründerszene nicht aus ihren Kinderschuhen herauskommen, davon ist Startup-Unternehmer Edward Tagoe überzeugt: „Mindestens einmal in drei Tagen gehen hier die Lichter aus, das kann kein Beispiel für ein florierendes Land sein.“ Lärmende Dieselgeneratoren, die die Stromversorgung bei Ausfällen aufrechterhalten, gehören in Accra zum Alltag. „Die sind teuer, aber man muss ja zum Beispiel Veranstaltungen vernünftig planen können, ohne damit rechnen zu müssen, dass plötzlich der Beamer ausgeht“, sagt Tagoe. Seine Stimme hallt durch den großen Raum, den eine einzige Glühbirne erhellt. Es gibt noch nicht viel mehr zu sehen als einen Tisch und drei Stühle, oben kracht starker Regen aufs Dach. „Das ist mein neues Projekt“, sagt Tagoe.

Vor kurzem erst hat er das Haus im Nordosten Accras angemietet, um hier Workshops für Blogger anbieten zu können. Seine Zielgruppe sind Studenten, Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen. „Sie sollen hier lernen, wie man professionell Blogs betreibt, welche Möglichkeiten sie bieten und wie man sie sinnvoll in sozialen Medien vernetzt“, sagt Tagoe. Dafür hat er sowohl Tutoren gewonnen, die das notwendige Fachwissen haben, als auch Sponsoren, die für Miete und alle anderen anfallenden Kosten aufkommen. „Das war nicht einfach, deswegen hat sich mein Vorhaben immer wieder verschoben“, sagt Tagoe. Die Workshops sollen für die Teilnehmer kostenlos sein, Geld will er damit nicht verdienen.

Denn sein Einkommen sichert Nandimobile, ein Startup, das Tagoe vor vier Jahren mit zwei Kommilitonen gegründet hat. Alle drei sind Absolventen der Gründerschule MEST, die dem kleinen Tech- Unternehmen mit Startkapital auf die Beine half – wie im Fall der Saya-Gründer Lamptey und Boahen. Nandimobile verkauft hauptsächlich SMS-Lösungen an Unternehmen, die auf diese Art mit ihren Kunden kommunizieren. „Das sind ganz verschiedene Dienste, Kunden bekommen zum Beispiel von einem Unternehmen Informationen per SMS, um nicht in der Telefonwarteschleife zu hängen“, sagt Tagoe. Die Firma hat heute zehn Mitarbeiter, es gibt Pläne, in andere afrikanische Länder zu expandieren.

„Nandimobile ist mittlerweile soweit gereift, dass ich mich parallel um mein Workshop-Projekt für Blogger kümmern kann“, sagt Tagoe. Momentan müsse er sich um eine Sicherheitsfirma für das Haus kümmern. „Vorige Woche ist jemand eingebrochen und hat die Klimaanlagen mitgenommen.“ Auch wenn vieles kompliziert ist in Ghana auf dem Weg zum Unternehmer, für Tagoe ist klar: „Die meisten Ghanaer sind sehr enthusiastisch. Werden sie mal ausgeraubt, oder geht sonst etwas schief, lassen sie einen Tag den Kopf hängen, aber dann geht es weiter.“

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des journalistischen Trainingsprogramms Beyond Your World.

Fotos: Robert Köhler