Startup oder Kleinunternehmen

Imaginäre Startups

Ich bin wirklich gerne unter Unternehmern und Startups. Unternehmer sind einzigartig positive Menschen. Sie haben den sicheren Hafen einer Festanstellung verlassen, um irgendwo Etwas zu kreieren, wo vorher Nichts war. Sie wollen eben die Welt ändern – oder zumindest ihren Teil davon.

Das ist grundsätzlich auch eine schöne Sache vor der ich höchsten Respekt habe. Sie müssen jeden Tag raus und ihr Ding durchziehen, trotz den ganzen Neinsagern. Neinsagern wie mir, die ihnen sagen, dass, was auch immer sie probieren, es höchstwahrscheinlich nichts wird. Aber auch wenn man das mal außen vor lässt, kommt es mir so vor, als ob Teile der Startup-Kultur bereits wahnhaft werden. Ich will nicht übertreiben, aber es scheint, als nähmen sich manche Leute einfach viel zu wichtig, hier erkläre ich warum:

Ein Startup ist die Ausnahme, nicht die Regel

Lassen wir uns einen Schritt zurück gehen – weit zurück, in die Zeit vor dem Internet. Ich weiß, damals war es eine kalte, dunkle und angsteinflößende Zeit in der wir Wilden noch Telefonanrufe aus riesigen stationären Boxen auf der Straße gemacht haben und uns gegenseitig Briefe schrieben – mit Stiften! Wir waren praktisch Affen.

In dieser altertümlichen Zeit gab es Geschäfte. Sie kamen in unterschiedlichen Formen, doch wurden – ähnlich wie bei der Cola im Kino – meistens in klein, mittel oder groß unterteilt. Denn da weiß man wenigsten woran man ist. Doch dann kam das Internet um die Ecke und prügelte uns die Dummheit aus dem Kopf mit seiner Allwissenheit und der permanenten, globalen Vernetzung.

Wie die Startup-Szene… gestartet ist

Die Spielregeln haben sich für alle Industrien verändert und niemand wusste wirklich, welche die neuen Spielregeln waren, also probierten wir alle, sie gemeinsam herauszufinden… was in vielem nutzlosem Rumgefummel, einigen wenigen Megaerfolgen (Amazon, Ebay (www.ebay.de), Google (www.google.com) und so weiter), vielen kleinen Erfolgen und einem riesigen Berg an Misserfolgen, über den wir nur sehr ungern reden, endete.

Zwischen all diesen Erfolgen und Misserfolgen gab es eine Vielzahl an Unternehmen, die nicht wirklich wussten, was sie taten oder wie sie damit Geld verdienen könnten. Sie waren also keine Unternehmen im klassischen Sinn und es musste ein neues Wort für diese Gattung her.

In unserer beschränkten Weisheit haben wir einfach das Wort Startup für diese Unternehmen gewählt – eigentlich nur eine Phase, in der jedes Unternehmen steckt, wenn es startet. Aber diese neuen Internet-Unternehmen könnten sehr lange in dieser Start-Phase stecken, weil sie ja noch die ganzen neuen Regeln lernen müssen und ja auch noch diese Weltverbesserungsziele in der Schublade haben.

Kleines Unternehmen oder skalierbares Startup?

Mittlerweile schreiben wir bereits das Jahr 2013 und wissen halbwegs was los ist. Wir sollten unterscheiden können zwischen Kleinunternehmen und Startups. Steve Blank hat es mit seiner Erklärung  gut getroffen: Er unterscheidet einfach zwischen kleinen Unternehmen und skalierbaren Startups.

Allerdings finde ich – gerade in Berlin – nur Leute, die gerade Letzteres starten. Ihre Ideen klingen wie riesige, vage Vermutungen, manchmal aber auch einfach nur wie eine solide Idee für ein kleines Unternehmen. Doch in letzterem Fall wird die grundsolide Idee oftmals solange aufgepumpt bis offensichtlicherweise einige hunderttausend Euros Startkapital gebraucht werden. Ihre Idee vom Loslegen scheint enger verbunden zu sein mit endlosen Investorenmeetings als mit wirklicher Produktarbeit.

Das Problem, dass ich mit dieser neu kreierten Terminologie des „Startups“ habe, ist das das Wort oftmals als Krücke, als Ausrede für einen schlechtdefinierten Businessplan benutzt wird. Es ist diese „erstmal ein Investment an Land ziehen und dann wird sich das Kernprodukt schon herauskristallisieren“-Mentalität.

Eine Website oder App macht noch kein Startup

Diese Startups können Jahre damit verbringen „signifikante Traction“ oder „zweistelliges Nutzerwachstum“ zu generieren und damit dann Geld einzusammeln. Aber nicht alles ist ein Startup. Eine Website zu haben, auf der Leute Fotos teilen können, macht dich nicht zu Facebook (www.facebook.com). Und nur weil du Leder trägst, macht dich das noch lange nicht zu Batman.

Manche Technologien und Ideen sind wirklich innovativ, haben großes Potenzial und brauchen dringend das Geld, das andere nur an PR-Agenturen weiterleiten. Das sind die Ausnahmen. Für den Rest von uns Entrepreneuren in spe bleibt eine gute alte Richtlinie: Finde ein Problem, löse es und bringe Leute dazu, für diese Lösung zu bezahlen. Und falls das Problem zu groß ist, müssen wir uns vielleicht erstmal mit einer Teillösung zufrieden geben auf der man dann aufbauen kann. Wenn die Leute uns mehr für die Problemlösung bezahlen als wir für die Problemlösungsfindung ausgegeben haben, gewinnen wir, wenn nicht, verlieren wir – ganz einfach.

Wir denken zu langfristig

Ich habe einen Freund der mal spielsüchtig war. Einer, der sich durch die Sucht fast in den Ruin getrieben hat. Was ihm am Ende das Genick gebrochen hat, waren Kombi-Wetten. Das sind Wetten bei denen man kleine Beträge auf die richtige Vorhersage einer ganzen Reihe von Ergebnissen wettet und – im Erfolgsfall – unglaubliche Summen gewinnt.

Egal wie viel man verloren hat, die Illusion vom riesigen Jackpot, den man eines Tages gewinnen könnte, treibt einen immer weiter in die Spielsucht. Das ist ähnlich wie mit Sportwetten, nur mit der Illusion, das Können eine Rolle dabei spielt. Spielsüchtige müssen – ähnlich wie Entrepreneure – unglaubliche Optimisten sein, denn jeder Verlust, jeder Rückschlag muss als Hürde gesehen werden auf dem Weg zum Erfolg.

Wenn du Selbstzweifel hast oder dein System in Frage stellst, dann würdest du wahrscheinlich aufgeben und etwas mit deiner Zeit anstellen, was mehr Geld bringt – beispielsweise ein richtiger Job. Mein Freund hatte letztendlich ein riesiges Arsenal an Geschichten über erfolgreiche Kombi-Wetten, die ihm im Endeffekt wohl wirklich im Glauben ließen, dass das System funktioniert – auch wenn er selbst das beste Gegenbeispiel war.

Die Leute lassen sich blenden, blenden vom Erfolg oder riesigen Summen Geld. Jeder Lottogewinner wird durch die Medien gezogen und ist immer für eine Geschichte gut, aber keiner der Millionen Verlierer wird je erwähnt – wer mag schon Unhappy Endings? Gerade bei einer Spielsucht ist diese Ausgangslage allerdings denkbar unvorteilhaft.

Die Welt durch die Instagram-Brille sehen

In der Startup-Welt funktioniert das Ganze ähnlich: Wir sammeln die Erfolgsgeschichten. Es sind dumme Aussagen wie: „Eine Million Dollar sind nicht cool, weisst du was cool ist? Eine Milliarde Dollar“, die uns schaden, weil sie uns das Unmögliche, Unerreichbare als einfach und realistisch verkaufen.

Ich habe recherchiert und konnte keinen Milliarden-Exit eines Unternehmens finden, das bis dato keine Einkünfte hatte. (Youtube kommt noch am ehesten ran, sie hatten zwar minimale Einkünfte als Google sie übernahm – in Relation zum Kaufpreis waren diese allerdings nicht nennenswert.)

Der Verkauf Instagrams ist für den durchschnittlichen Gründer in etwa so relevant, wie die Geschichte von Hagelkörnern so groß wie Babyköpfe, die in einem Unwetter in Arkansas runterkamen. Während sie für einen kurzen Moment interessant sind, fangen wir trotzdem nicht an, in Panik zu verfallen und unsere Autos gegen Panzer zu tauschen. Es war nur ein kleiner Zufall, der uns letztendlich von der einfachen Aufgabe abhält, ein Problem zu finden und es zu lösen.

Die beste Kapitalquelle ist Profitabilität

Nicht jedes neue Internet-Business ist ein Startup. Genau genommen sind sie sogar die Ausnahme, kleine Unternehmen sind die Regel – offline wie online. Es ist kein Problem ein kleines Unternehmen im Internetbereich zu gründen, es muss nicht immer gleich der große Wurf sein, das Billion-Dollar-Startup. Die beste Kapitalquelle ist Profitabilität und nicht Investitionen. Es ist besser, seinen eigenen Gehaltscheck zu kreieren, als auf den Lottogewinn zu warten.

Übersetzung aus dem Englischen von Lino Poeverlein. Originalbeitrag auf VentureVillage.

Bild: xdr.com