BEIJING, CHINA - OCTOBER 09: Jack Ma, chairman and chief executive of Alibaba Group, attends a strategy conference to announce partnership with Amblin Partners on October 9, 2016 in Beijing, China. According to the agreement, Alibaba Pictures Group Limited will buy part of Amblin Partners' equity and become Amblin Partners' shareholder. Alibaba Pictures Group Limited will work closely with Amblin Partners in the future. (Photo by VCG/VCG via Getty Images)
BEIJING, CHINA - OCTOBER 09: Jack Ma, chairman and chief executive of Alibaba Group, attends a strategy conference to announce partnership with Amblin Partners on October 9, 2016 in Beijing, China. According to the agreement, Alibaba Pictures Group Limited will buy part of Amblin Partners' equity and become Amblin Partners' shareholder. Alibaba Pictures Group Limited will work closely with Amblin Partners in the future. (Photo by VCG/VCG via Getty Images) Alibaba-Gründer Jack Ma

Die deutsche Website der weltweit größten Plattform für den Online-Handel ist vor allem eines: lustig. Der chinesische E-Commerce-Gigant Alibaba bietet den Konsumenten hierzulande schräge Späße und Ratespiele, wie sie nur automatisierte Übersetzungen zustande bringen. Mal lautet die Verheißung „Produkte für auto, gleite mit uns!“, mal findet sich das rätselhafte Angebot „Temporär Wasser Gefüllten Fuß Verzinkt Alten Zaun“, was auch immer das heißen mag.

In umgekehrter Richtung – deutsche Angebote für chinesische Verbraucher – funktioniert die Vermarktung dagegen höchst professionell. Chinesische Konsumenten werden von namhaften deutschen Anbietern per Alibaba mit eigenen Flagship-Stores gekonnt umworben. Im digitalen Laden des „FC Bayern Munich“ samt Wahlspruch „Mia san mia“ preisen Thomas Müller und David Alaba den Asiaten Fan-Artikel vom Shirt bis zur Baby-Pulle mit blau-weißem Logo an.

Zalando bietet unter dem Dachnamen „zLabels“ Kleider und Schuhe in allen Größen und Varianten. Der Bayer-Konzern offeriert Redoxon-Vitaminpillen für Kinder, das Präparat Berocca mit Mango- und Orangegeschmack zur Leistungssteigerung oder Hautcreme der Auslandsmarke Coppertone.

In Deutschland bleiben die Platzhirsche unter sich

Genau so soll es sein, sagt Terry von Bibra. Sein Job als Deutschland-Chef von Alibaba bestehe vor allem anderen darin, deutschen Unternehmen dabei zu helfen, den chinesischen Endkunden-Markt mit seinen Hunderten Millionen an kaufkräftigen Verbrauchern zu erschließen.

„Vielen deutschen Unternehmen sind die Opportunitäten nicht bekannt, die in China bestehen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Wir können dazu beitragen, den Blick auf diesen riesigen Markt zu lenken“, so der 53-jährige Amerikaner aus Kalifornien mit deutschen Wurzeln und beruflichen Stationen unter anderem bei Amazon, Yahoo und Karstadt.

Jetzt leitet er von München aus ein kleines Team mit etwa zwei Dutzend Mitarbeitern, und viel mehr sollen es auch nicht werden: „In Deutschland sind wir eine Art Start-up mit einem sehr großen Konzern im Hintergrund, nämlich der größten E-Commerce-Plattform der Welt.“ Dennoch sei der Onlinehandel mit deutschen Konsumenten auf absehbare Zeit nicht geplant. Die hiesigen Platzhirsche wie Amazon, Otto oder Zalando bleiben also einstweilen unter sich, und Alibaba beschränkt sich auf lustige Übersetzungen.

Alibaba fing als B2B-Plattform an

Sollte sich diese Strategie einmal ändern, könnte dies freilich den Markt umpflügen, denn Alibaba ist seit seiner Gründung zu einem mächtigen Konzern herangewachsen. Schon beim Start im Jahr 1999 verstand sich die Firma zunächst – wie jetzt in Deutschland – als Plattform, auf der Unternehmen miteinander handeln konnten.

Das Geschäft mit den Konsumenten kam erst später dazu, ebenso Zahlungsdienstleistungen, Navigationssysteme, eine Versteigerungsplattform ähnlich Ebay und andere Angebote. Alles in allem wurde im vergangenen Ende März 2016 abgelaufenen Geschäftsjahr ein Einkaufsvolumen von 485 Milliarden Dollar über Alibabas Systeme abgewickelt. Zum Vergleich: Die Summe entspricht etwa dem Anderthalbfachen des Bundeshaushalts im vergangenen Jahr.

Täglich bringt der Onlinegigant 42 Millionen Pakete auf den Weg. 420 Millionen Käufer schauen sich das Angebot von rund zehn Millionen Verkäufern an. Und das Wachstumstempo bleibt hoch. In den ersten drei Monaten 2016 wuchs Alibabas Handelsumsatz in China gegenüber derselben Vorjahreszeit um 41 Prozent, die Zahl der aktiven Nutzer erhöhte sich um 21 Prozent, der mobil erzeugte Umsatz schnellte um fast 150 Prozent hoch.

Deutsche Anbieter wagen sich auf den chinesischen Markt

In China seien Produkte aus Deutschland oft stark gefragt, sagt von Bibra: beispielsweise Babynahrung, Nahrungsergänzung, Pflege- und Schönheitsprodukte oder Elektronik. Zahlreiche Firmen beobachten diese Absatzchance interessiert: „Bei vielen deutschen Unternehmen rennen wir offene Türen ein.“ Aufgabe des deutschen Alibaba-Ablegers sei es dann meist, in einem ersten Schritt die Komplexität eines Markteintritts in China verständlich zu machen.

Denn die sei oft höher als gedacht: „Das große Geld schnell und einfach – so funktioniert das nicht“, erklärt der Manager. So arbeiteten fast alle deutschen Unternehmen, die auf Alibabas Plattformen vertreten sind, mit chinesischen Agenturen zusammen, die sich um Themen wie Marketing, Kundenservice und Logistik bis hin zur Zustellung an die Kunden kümmern.

Trotz der Schwierigkeiten wagen immer mehr deutsche Anbieter den Schritt auf den chinesischen Markt über Alibabas Endkunden-Plattform TMall. Sie nimmt im Einkaufsverhalten der Chinesen inzwischen eine dominante Position ein.

Drei Viertel der Käufer sind mobil unterwegs

Nach Firmenangaben werden 60 Prozent aller Onlinekäufe in China über TMall abgewickelt, davon fast drei Viertel mobil über Smartphones oder Tablets. Dort können sich chinesische Liebhaber von „Made in Germany“ zu einer Art deutschem Pavillon durchklicken.

Die Zahl der Suchanfragen nach deutschen und europäischen Marken habe in den vergangenen Monaten „deutlich zugenommen“, so Alibabas Statthalter. Generell mag von Bibra sich der verbreiteten Skepsis über die weitere Wirtschaftsentwicklung in dem Land nicht anschließen: „Das Wirtschaftswachstum in China hat sich zwar verlangsamt, aber es ist nach wie vor stark. Die Konsumnachfrage auf unseren Plattformen in China wächst weiter zweistellig.“

Vor allem Markenanbieter wittern gute Geschäfte in Asien. Abtei-Venenbalsam oder Wasserfilter von Brita werden ebenso feilgeboten wie Erzeugnisse von Bosch, Haribo oder Windeln.de. Die chinesischen Kunden legten großen Wert darauf, dass die Ware auch wirklich aus Deutschland komme, so von Bibra: „Es gibt viele Produkte, die genau dem entsprechen, was chinesische Konsumenten wünschen“, weiß der Manager. „Für sie steht das Wohl der Familie im Vordergrund und alles, was mit ihr in Berührung kommt: Kleidung, Kosmetik, Nahrung, aber auch die Töpfe, mit denen das Essen zubereitet wird.“

Große Firmen erreichen Kunden in China

Da ist es nur plausibel, dass auch Firmen wie WMF und Fissler sich präsentieren, aber auch große Händler. Diese Woche etwa kündigte der Drogerie-Marktführer dm die Aufnahme einer Kooperation mit Alibaba an, Großhändler Metro ist bereits seit September 2015 im Geschäft – und macht gute Erfahrungen. „Derzeit sind über 250 Produkte erhältlich“, sage ein Sprecher.

Auch Bosch zeigt sich mit dem Absatz seiner Bohrmaschinen und Akkuschrauber zufrieden: „TMall ist für uns ein guter Kanal, um Kunden in China zu erreichen“, sagt eine Sprecherin. Dabei ist Bosch seit Jahrzehnten in China tätig und beschäftigt dort 55.000 Mitarbeiter.

Neben hohen Absatzmengen ließen sich auch gute Margen erzielen, wenn das Verhältnis Preis und Leistung stimme, sagte von Bibra: „Wenn Chinesen von der Qualität eines Produkts überzeugt sind, greifen sie dafür gerne auch schon einmal etwas tiefer in die Tasche.“ So seien Babynahrung und Milch aus Europa auch Jahre nach einem Skandal um chinesisches Milchpulver begehrt.

Babynahrung aus Deutschland geht in China besonders gut

Die von Absatzsorgen und Tiefpreisen geplagte deutsche Milchwirtschaft könne davon profitieren: „In China gilt Babynahrung aus Deutschland als ein Produkt von Spitzenqualität“, weiß von Bibra. „Unsere Plattformen bilden für den Verkauf von Milch und Milchprodukten in Asien eine sehr wertvolle Option für die Hersteller.“

Entsprechend sind Milupa, Nestlé, Hipp und andere europäische Branchengrößen dort vertreten, und bei Metro gehört H-Milch zu den Rennern im breiten Sortiment.

Die Chinesen hatten von Bibra vor einem Jahr angeheuert, um das Geschäft mit Produzenten und Händler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Osteuropa und der Türkei in Gang zu bringen. Der Deutschland-Chef geht davon aus, dass immer mehr deutsche Firmen bei ihm andocken: „Ich bin mit mehreren großen deutschen Handelsunternehmen im Gespräch. Viele nehmen sich noch Zeit für die sorgfältige Vorbereitung eines Markteintritts in Asien.“

Alibaba setzt auf Analyse gegen Fälschungen

Der eine oder andere Entscheider dürfte freilich zögern, auch weil den Chinesen der Ruf vorauseilt, Patenten und sonstigen Schutzrechten für geistiges Eigentum wenig Respekt entgegenzubringen. Alibaba-Gründer Jack Ma schürte diese Befürchtungen im Juni bei einem Investoren-Treffen am Firmensitz Hangzhou zusätzlich. „Das Problem besteht darin, dass Fälschungen heute in besserer Qualität und zu günstigeren Preisen angeboten werden als die echten Produkte, die wahren Markennamen“, sagte er.

Exakte Fabrik-Nachbildungen nutzten genau dieselben Rohmaterialien, um Luxusgüter nach denselben Standards herzustellen wie die Originale. Anschließend hatte von Bibra einige Mühe, zurückzurudern. Man habe in überspitzter Weise auf ständige Kritik reagiert, betrieb er nach der Tagung Schadensbegrenzung.

„Alibaba setzt sich stark für den Schutz von Patenten und anderem geistigen Eigentum ein“, versichert er gegenüber der „Welt am Sonntag“. Man habe sogar digitale Tools zur Analyse großer Datenmengen entwickelt, um Fälschungen auf die Spur zu kommen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Die Welt.

Bild: VCG