Amazon und Online-Spiele? Auch wenn das Unternehmen bislang eher durch seine Logistik-Fähigkeiten bestach, hat Amazon mit seinem Android-App-Store längst gutes Know-how im rein digitalen Segment bewiesen. Und dass es die US-Firma versteht, Nutzer auf Plattformen beschäftigt zu halten, lässt sich kaum bestreiten. Muss sich die hiesige Games-Branche also bedroht fühlen?

Amazon Game Studios: Geniestreich…

Gerade hat der Online-Versender Amazon eine eigene Spiele-Schmiede angekündigt, die Amazon Game Studios (games.amazon.com). Mit Living Classics ging zudem ein erstes Social-Game auf Facebook an den Start. Man wisse, dass die eigenen Kunden gerne spielend sozial aktiv seien, erläutert die Tochter des Online-Versenders auf ihrer Webseite. Insbesondere mit dem Marktmuskel des Amazon-App-Store for Android könnten die eigenen Produkte im Mobilbereich gepusht werden.

Überraschend kommt der Schritt angesichts der bereits seit längerem ausgeschriebenen Stellenanzeigen nicht. Und er passt in gewissem Maße zu den Wachstumsbestrebungen des Online-Versenders, der sich gut darauf versteht, Kunden auf einer Plattform beschäftigt zu halten – und der seine digitalen Fühler längst in andere Wachstumsbereiche ausgestreckt hat. Auch das Kindle Tablet wird dabei sicher eine gewichtige Rolle spielen.

Gleichzeitig bleiben Fragen offen. Wie könnten der langfristige Fokus des Versand-Giganten im Games-Segment aussehen? Vergrault Amazon mit dem Vorstoß bislang befreundete Entwickler? Oder kann ein Unternehmen, das bislang eher für seine Logistik-Fähigkeiten bekannt war, als Spieleschmiede ohnehin nicht überleben?

… oder Schlag ins Wasser?

Ist das Vorhaben also ein Geniestreich oder ein Rohrkrepierer? Gründerszene hat einige Games-Größen nach ihrer Einschätzung gefragt – und danach, ob sie sich von Amazon bedroht fühlen oder nicht.

Heiko Hubertz, Bigpoint, Digital PioneersHeiko Hubertz, Gründer und CEO von Bigpoint (www.bigpoint.net): Die Amazon Game Studios sind sicherlich ein spannender Schritt seitens Amazon. Ich persönlich glaube aber, dass Amazon‘s Hauptfokus langfristig im Games-Publishing liegen wird. In diesem Bereich arbeiten wir bereits mit Amazon zusammen und sehen die Entwicklung daher als sehr positiv – sowohl für Bigpoint, als auch die gesamte Industrie.

Michael KalkowskiMichael Kalkowski, Gründer und Geschäftsführer von GameDuell (www.gameduell.de): Wir sehen in dem Eintritt von Amazon in die Spieleproduktion positiv und als eine weitere Bestätigung, dass wir hier keine kurze Mode haben, sondern dass Online-Games eine wichtige Form der Unterhaltung sind und wir uns in einem sehr interessanten Markt bewegen.

Was die Anstrengungen des neuen Amazon Game Studios angeht, kann man da wirklich noch nicht viel sagen. Ich habe die Leute, die hinter dem Produkt sind noch nicht persönlich getroffen und konnte das Spiel auch noch nicht testen (es funktionierte bei Facebook nicht richtig). Anhand des Trailers macht es aber einen soliden, wenn auch nicht super innovativen Eindruck. Wir werden das natürlich genau beobachten und sind genau so gespannt wie Ihr, wie sich das weiterentwicklen wird und ob sie auch Spiele für breitere Zielgruppen entwickeln werden.

GameDuell arbeitet bereits erfolgreich im Android-Bereich mit Amazon, was unter anderem durch die gute Payment-Schnittstelle sehr gute Metrics zeigt. Ich persönlich glaube, dass vor allem die Amazon-Platform, insbesondere durch Tablets wie den Kindle Fire, zukünftig eine sehr große Rolle in der Games-Branche spielen wird.

Verena Delius, Young Internet, Panfu, Oloko, Startup des JahrzehntsVerena Delius, CEO von Goodbeans (www.goodbeans.com): Die Amazon Game Studios sind ein spannender Ansatz von Amazon. Ob sie erfolgreich sein werden hängt natürlich von den Spielen ab, aber Amazon bringt viel mit was den Erfolg begünstigen könnte – inhouse Cloud Solution, eigener App Store und normaler Store (mit Computerspielen et cetera). Und besonders wichtig: die Community – Amazon weiß, was die Leute kaufen, damit ist es für sie einfacher als für Andere für jedes Spiel die richtigen User anzusprechen.

Trotzdem ist der Kern von Spiele-Entwicklung die Spiele selbst und da muss Amazon erst noch beweisen, dass sie Hits produzieren können. Für Goodbeans sind die Amazon Game Studios eher keine Konkurrenz, da wir uns auf kinder- und familienfreundliche Apps spezialisieren und die Amazon Game Studios mit ihren Spielen sicherlich erstmal den Massenmarkt der Spieler ansprechen und sich nicht auf die Kinderzielgruppe fokussieren werden.

Klaas Kersting, Gameforge, FlaregamesKlaas Kersting, Gründer und CEO von Flaregames (www.flaregames.com): Es wird interessant zu sehen, wie sich Amazon – immerhin ein Unternehmen, das seine Expertise eher im Bereich Logistik und E-Commerce hat – im digitalen Games-Markt schlägt. Wenn es die Amazon Game Studios schaffen sich zu etablieten, was mit Sicherheit nicht einfach wird, dann ist es tatsächlich ein Riesenmove. Eins ist sicher: Einen extrem langen Atem wird Amazon haben.

Was es auf jeden Fall wieder zeigt: Der Spielemarkt ist heißer als je zuvor, ob es nun im Social-, Mobile- oder Onlinebereich ist. Wirkliche Auswirkungen auf das Geschäft von Flaregames sehen wir nicht. Der Markt ist groß und wächst wie verrückt – noch ist Platz genug für alle.