anti angel gesetz schäuble
anti angel gesetz schäuble Das Bundesministerium der Finanzen in Berlin: Der Widerstand gegen die Anti-Angel-Pläne wächst

Wolfgang Schäuble kämpft derzeit an vielen Fronten. Der Streit über Griechenland, der Ärger um die Erbschaftsteuer, das Tauziehen um die Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen. Egal, welches Thema der Finanzminister auch angeht, ständig kommt es zu Auseinandersetzungen – vor allem mit der eigenen Fraktion.

Und jetzt hat Schäuble noch ein Streitthema auf dem Tisch: Gegen seine geplante höhere Besteuerung beim Verkauf von Startup-Anteilen laufen die eigenen Reihen ebenfalls Sturm. Die beiden für Finanzen und Wirtschaft zuständigen Fraktionsvize der Union haben Schäuble bereits mit einem Veto im Bundestag gedroht. Nun regt sich auch innerhalb der Wirtschaftsverbände Widerstand.

Es sei „unerlässlich, dass von der Politik keine negativen Weichenstellungen ausgehen, die die neuen Gründungszentren abwürgen“, heißt es in einem Positionspapier des CDU-Wirtschaftsrates, das der Welt vorliegt. „Der vorgestellte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung durch das Bundesministerium der Finanzen würde genau dies nach Einschätzung des Wirtschaftsrates bewirken“, heißt es weiter.

„Jetzt höhere Steuern zu fordern, sendet genau das falsche Signal an Kapitalgeber. Der Investitionsstandort Deutschland wird damit nicht attraktiver“, sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. Schäuble hatte Ende Juli einen Entwurf zur Reform der Investmentbesteuerung vorgelegt.

Bislang waren Veräußerungsgewinne von Streubesitzanteilen an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei. Voraussetzung dafür war, dass der Verkäufer seinen Gewinn nicht in die eigene Tasche, sondern in neue Unternehmungen steckt. Künftig sollen die Gewinne selbst dann mit 15 Prozent besteuert werden, wenn der Investor das Geld reinvestiert.

Allerdings räumt das Bundesfinanzministerium einen Steuerrabatt ein: Wer in junge Unternehmen investiert, bekommt eine Steuerermäßigung von 30 Prozent. Die Startup-Szene fürchtet trotzdem gravierende Schäden.

Schon heute haben viele Firmengründer Probleme, an frisches Kapital zu kommen, insbesondere in der Wachstumsphase, wenn größere Summen aufgerufen werden. „Mit dem Gesetzentwurf entzieht die Regierung Gründern massiv dringend benötigtes Kapital“, sagt der Vorsitzende des Startup-Verbands, Florian Nöll.

Die Lage ist schon jetzt nicht rosig. Die Zahl der Unternehmensgründungen geht zurück – die Liquidationen übersteigen bereits seit 2012 die Neugründungen. Zudem sind die Wagniskapital-Investitionen rückläufig. „Die wenigen Risikokapitalgeber jetzt zusätzlich durch drohende Gewinnbesteuerungen von einer möglichen Investition abzuschrecken, ist äußerst kontraproduktiv“, kritisiert Steiger.

Das Finanzministerium verteidigt sich. Bei der Reform gehe es darum, ein Steuerschlupfloch zu stopfen, das durch Änderungen bei der Dividendenbesteuerung im Jahr 2013 entstanden sei. Außerdem gebe es weiterhin einen Steuernachlass für Investoren in Startups.

„Deutschland braucht dringend deutlich mehr Wagniskapital“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn (CDU). „Die bestehende Steuerfreiheit aus Streubesitz an Startups ist da ein wichtiger Baustein, die dazu vorgesehene Ausnahme muss einfach verständlich und rechtssicher sein“, sagt Spahn, der auch im CDU-Präsidium sitzt.

In der Union ist man über Schäuble jedoch doppelt verärgert. „Ich frage mich, warum man vier Wochen vor der Vorstellung eines neuen Wagniskapitalgesetzes mit so einem Vorschlag rausgehen muss“, sagt ein führendes CDU-Fraktionsmitglied. Ebenfalls fürchten CDU-Abgeordnete nach der Erbschaftsteuer eine zweite Steuererhöhung binnen kurzer Zeit, obwohl man im Wahlkampf das Gegenteil versprochen hatte.

Um den Startup-Standort Deutschland attraktiver zu machen, fordert der CDU-Wirtschaftsrat eine Etablierung von Wachstumsfonds für Startups und einen verbesserten Zugang zu Wagniskapital. Daneben sollten institutionelle Anleger wie Versicherungen über „garantiebasierte Förderinstrumente“ die Möglichkeit erhalten, in Startups zu investieren. Das allerdings würde Schäuble Geld kosten. Auf ihn kommen in den nächsten Wochen weitere Auseinandersetzungen zu.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

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