Dr. Andreas Kessell und Dr. Tim Hiddemann _ antibodies-online Gmbh
Dr. Andreas Kessell und Dr. Tim Hiddemann _ antibodies-online Gmbh Die Gründer Andreas Kessell (links) und Tim Hiddemann

Es ist eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte – und eine ungewöhnlich stille: Seit zehn Jahren schon gibt es Antibodies-Online, im nordrhein-westfälischen Aachen ist aus einem kleinen Startup ein Unternehmen mit 60 Mitarbeitern und Niederlassungen auf der ganzen Welt entstanden. Doch in Deutschland kennt kaum jemand den Online-Shop.

Wobei: Ganz stimmt das nicht. Unter deutschen Risikokapitalgebern scheint die Firma ein Geheimtipp zu sein – berühmte Szeneköpfe wie die Samwer-Brüder haben investiert. Was steckt hinter dem Internet-Unternehmen im Westen?

Zwei der Gründer, Andreas Kessell und Tim Hiddemann, kennen sich von der Uni. Sie lernten sich vor elf Jahren an der RWTH Aachen kennen, wo beide promovierten. Kessell hatte zuvor die Business-Schule WHU besucht, wo er den dritten Mitgründer kennen gelernt hatte: Florian Heinemann. Auch Heinemann erwarb zu der Zeit in Aachen einen Doktortitel, arbeitete später für die Startup-Fabrik Rocket Internet und gründete dann Project A Ventures.

„Unsere Motivation war damals recht einfach, wir wollten unbedingt ein Internet-Unternehmen gründen“, erinnert sich Kessell im Gespräch mit Gründerszene. Während der Zeit in Aachen lernte das Trio einen weiteren Mitgründer kennen, der damals als leitender Oberarzt am Uniklinikum arbeitete und mit Antikörpern forschte.

„Wir dachten uns, es wäre doch spannend, Antikörper übers Internet zu verkaufen“, erklärt Kessell. Gemeinsam beschlossen die Gründer 2006, die Idee umzusetzen: ein Online-Shop, bei dem man Antikörper für die Forschung kaufen kann.

Die Zahl der Bestellungen? Geheim

Antikörper sind Proteine, die im Körper als Abwehr gegen Erreger gebildet werden, und Forscher nutzen sie, um etwa Medikamente oder Krankheiten zu erforschen. Die Gründer liefern nach eigenen Angaben in 53 Ländern an Forschungsinstitute, Pharmahersteller oder Kliniken wie etwa die Charité in Berlin oder das Massachusetts Institute of Technologie. Mittlerweile bietet Antibodies-Online mehr als eine Million verschiedene Antikörper und verwandte Forschungsprodukte auf seiner Plattform an, die von Medizin-Unternehmen wie Becton Dickson aus den USA hergestellt werden.

Neben der Beratung und Bezahlabwicklung kümmert sich das Unternehmen auch um die Logistik, etwa um Zollformalitäten oder den Versand. Dabei werden die Antikörper in Styroporboxen und auf Trockeneis gelagert an Kunden verschickt. Wie viele Bestellungen jeden Monat beim Unternehmen eingehen oder wie hoch der Umsatz ausfällt, will Antibodies-Online nicht kommentieren. Nur so viel: Seit einigen Jahren sei man profitabel.

Zu der Zentrale in Aachen sind in den vergangenen Jahren auch ein Büro im US-amerikanischen Atlanta sowie in Shanghai in China hinzugekommen. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen in allen drei Niederlassungen 60 Mitarbeiter, ein Drittel davon sind Software-Entwickler, heißt es von Antibodies. 95 Prozent der Bestellungen, die bei Antibodies eingehen, stammen aus dem Ausland. Seit 2007 gibt es französisch- und englischsprachige Internetauftritte.

Namhafte Investoren

Bei der Expansion half externes Kapital, das bekannte Mitglieder der deutschen Startupszene bereitgestellt haben: Mitgründer Florian Heinemann zum Beispiel, der heute noch 13 Prozent der Anteile an Antibodies-Online hält. Auch die drei Brüder Oliver, Alexander und Marc Samwer haben über ihren gemeinsamen Fonds European Founders Fund investiert, genauso wie Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann, die Berlin-Venture-Partners-Gründer Arend Lars Iven und Ron Hillmann sowie Ableton-Gründer Jan Bohl. Wie viel Kapital Antibodies-Online insgesamt eingesammelt hat, will das Unternehmen nicht verraten.

Offenbar war nun – vier Jahre nach der letzten im Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung – wieder der richtige Zeitpunkt für eine weitere Kapitalerhöhung: Die US-amerikanische Investmentbank BroadOak Capital Partners investiert nach Angaben des Unternehmens eine siebenstellige Summe.

Mit dem Geld soll eine neue Plattform aufgebaut werden: Genomics-Online. Das Konzept ist das gleiche, nur handelt es sich hierbei um Produkte aus dem Bereich der Gen-Forschung. Weitere Shops sind offenbar auch geplant: Kessell möchte, dass sein Unternehmen zum „Amazon für Life-Science“ wird.

Seit mehr als zehn Jahren führen Kessell und Hiddemann nun die Geschäfte von Antibodies-Online. Denken sie an einen Exit? „Natürlich ist man mit Investoren immer gezwungen, an einen Verkauf zu denken und wir werden auch immer mal wieder von potentiellen Käufern angesprochen“, sagt Kessell.

In 20 Jahren würden die beiden das Unternehmen sicher nicht mehr führen. „Aber ich persönlich möchte als Gründer erst noch weitere Schritte mit dem Unternehmen gehen, vielleicht die nächsten fünf oder sechs Jahre.“ Man plane dabei nicht, „das typische E-Commerce-Unternehmen“ aufzubauen, sondern eher einen soliden Mittelständler. „Auch wenn das heißt, dass wir nicht wie ein Zalando wachsen.“

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Bild: Antibodies-Online