Für jedes andere Unternehmen wären diese Quartalszahlen wohl ein Grund zum Feiern: Apple konnte im vergangenen Quartal seinen Erlös im Jahresvergleich um ein Drittel auf 49,6 Milliarden US-Dollar steigern, wie der Konzern nach US-Börsenschluss am Dienstag mitteilte.

Mit einem Gewinn von 10,7 Milliarden Dollar verdiente der US-Konzern 38 Prozent mehr als im gleichen Vorjahresquartal. Den Erfolg verdankte Apple wie schon im vorangegangenen Quartal vor allem dem iPhone: Der Konzern verkaufte in dem Ende Juni abgeschlossenen dritten Geschäftsquartal 47,5 Millionen seiner weltweit begehrten Smartphones.

Das waren 35 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damit kann Apple laut externen Analysen über 90 Prozent aller Gewinne einfahren, die aktuell in der Smartphone-Industrie verdient werden – die Kalifornier sind so profitabel, dass sie dazu nur einen Marktanteil von 20 Prozent am weltweiten Smartphone-Markt benötigen.

„Wir hatten ein erstaunlich gutes Quartal, der iPhone-Umsatz war 59 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, wir hatten einen neuen Rekord von Erlösen aus Services, getrieben vom App Store, und die Apple Watch hatte einen großartigen Start“, kommentierte Apple-Chef Tim Cook das Ergebnis.

Rätsel um „Anderes“-Sparte

Den Erfolg dankte ihm die Börse mit einem nachbörslichen Kursverlust von acht Prozent, damit verlor der Konzern auf einen Schlag über 50 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung. Die Börsianer waren so massiv enttäuscht, weil Apple in diesem Quartal eigentlich seine Abhängigkeit vom iPhone verringern sollte: Die neue Apple Watch, so hatten viele Analysten gehofft, könnte erstmals an der Dominanz des iPhone in den Apple-Bilanzen rütteln.

Doch stattdessen steigerte Apple den Anteil des iPhone am Gesamtumsatz. Cook verweigerte die Auskunft über die genauen Zahlen zur Apple Watch, sagte lediglich: „Die Apple Watch übertraf unsere internen Erwartungen“. Die Smartwatch-Zahlen wies Apple nicht separat aus, sondern versteckte sie in der Bilanzkategorie „Anderes“, zusammen mit dem Apple TV und dem iPod.

Im Vorquartal, also vor dem Verkaufsstart der Watch, hatte der Umsatz der „Anderes“-Sparte 1,68 Milliarden Dollar betragen, nun nahm Apple 2,64 Milliarden Dollar ein. Das war also ein Plus von knapp einer Milliarde Dollar. Analysten taxierten den Watch-Umsatz deshalb auf etwa diese eine Milliarde Dollar.

Die Wall Street hatte mehr erwartet: Bis zu 1,65 Milliarden Dollar Umsatz mit der Watch im vergangenen Quartal hatten etwa Analysten von Bernstein Technology vorhergesagt, andere Prognosen lagen zwischen 1,3 und 1,5 Milliarden Dollar zusätzlichem Umsatz dank der Uhr.

„Wir finden es großartig“

Cook betonte im Analystengespräch nach Bekanntgabe der Zahlen, man gebe sich lediglich so schweigsam zu den Watch-Verkaufszahlen, da man der Konkurrenz keine Hinweise geben wolle. Auch sei es zu kurz gesprungen, wenn man nun lediglich aus der Differenz zum Vorjahresquartal einen Umsatz von knapp einer Milliarde mit der Watch errechne – vielmehr hätten Apple TV und iPod im Quartalsvergleich an Umsatz verloren, die Apple Watch hätte das weit überkompensiert.

Apple-Finanzchef Luca Maestri sagte der New York Times zudem, in den ersten neun Wochen seien mehr Geräte verkauft worden als vom iPhone oder dem iPad-Tablet im gleichen Zeitraum nach dem Start. Bekannt ist, dass Apple im Vergleichsquartal 2010 rund drei Millionen Stück vom ersten iPad loswurde.

„Wir finden es großartig, wie die Apple Watch läuft“, sagte Cook weiter. „Unser Ziel waren nicht allein Verkaufszahlen. Über die sehr guten Nachrichten zum Verkaufsstart hinaus sind wir stolz darauf, wie wir das Produkt langfristig positionieren konnten.“

Diese nebulösen Statements, dazu unter dem Strich höchstens nur etwas mehr als eine Milliarde Umsatzplus mit den Geräten – trotz Cooks Bemühungen entstand bei den Börsianern augenscheinlich der Eindruck, dass die Apple Watch längst nicht so gut läuft wie erwartet. Die Analysten von IDC hatten vorhergesagt, dass Apple in diesem Jahr insgesamt 21 Millionen Uhren verkaufen wird, andere Schätzungen bewegten sich zwischen 18 und 20 Millionen Stück.

Die Angst der Analysten

Auch wenn Apple zu Beginn des Quartals Nachschubprobleme hatte und nicht alle Bestellungen bedienen konnte, war doch zuletzt die Wartezeit auf die Uhr auf einen Tag gefallen. Apple konnte alle aufgelaufenen Bestellungen abarbeiten – also dürften die kommenden Quartale für die Watch nicht wesentlich besser ausfallen als das vergangene. Damit aber dürfte es Apple schwerfallen, die hochfliegenden Erwartungen der Börsianer noch zu erfüllen.

Schon vergangene Woche unkten Experten der Konsumanalysefirma Slice, dass Apples Onlineumsatz mit der Watch nach dem Verkaufsstart im April um 90 Prozent abgesackt sei. Cooks Schweigsamkeit rund um die Uhr trägt nicht dazu bei, solche Analysen zu entkräften. Der nachbörsliche Kursverlust zeigt deutlich, wie sehr die Anleger ein Ende der iPhone-Monokultur bei Apple erhofft hatten, und wie sehr sie nun zweifeln.

Auch die Mac-Sparte und das iPad können daran nicht wirklich rütteln, im Gegenteil: Der Absatz des iPad schwächelt, mit 10,9 Millionen Geräten wurden 18 Prozent weniger verkauft als vor einem Jahr. Bei den Mac-Computern gelang Apple in dem weiterhin schwachen PC-Gesamtmarkt ein Absatzplus von neun Prozent auf 4,8 Millionen verkaufte Geräte. Doch das reicht nicht, um die Dominanz des iPhone im Konzern zu brechen.

Die Abhängigkeit vom iPhone ist aus Sicht der Anleger langfristig extrem riskant für Apple: Die aktuell so guten Verkaufszahlen sind im Erfolg des iPhone 6 begründet, dem ersten iPhone mit großen 4,7 Zoll (iPhone 6) bzw. 5,5 Zoll (iPhone 6 Plus) Displays. Apple hatte sich vor dem iPhone 6 jahrelang dem Branchentrend zu den großen Smartphone-Bildschirmen verweigert.

Als dann das iPhone 6 kam, tauschten viele Apple-Kunden, die zuvor abgewartet hatten, ihre alten Geräte gegen das neue Riesen-iPhone aus. Doch diese aufgestaute Nachfrage ist nun befriedigt, und die Anleger und Analysten zweifeln augenscheinlich daran, dass das kommende iPhone-Modell – mag es 6s oder 7 heißen – einen ähnlichen Erfolg haben wird.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

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