SKOREA-US-TECHNOLOGY-APPLE-IPHONE7

Apples neueste Quartalszahlen beschließen für den Konzern ein Bilanzjahr der Ernüchterung. Erstmals seit 2001 liegen die Gesamtumsätze unter denen des Vorjahres, erstmals gingen die Verkaufszahlen in drei aufeinander folgenden Quartalen zurück. Beim Analystencall handelte Apple-CEO Tim Cook die aktuellen Verkaufszahlen schnell ab und konzentrierte sich auf die Prognose für das kommende Jahr.

Es ist nicht verwunderlich, dass Cook dieses Mal die Hardware-Zahlen ungern genauer betrachtet und stattdessen lieber auf Rekordzahlen in der Bilanzzeile „Services“ verweist, bei der Apple 6,3 Milliarden Dollar einnahm – 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Diesen Erfolg dürfte Cook auch dem Wahnsinn um Pokemon Go verdanken. Die Hardware-Zahlen dagegen sehen weniger rosig aus, Apple muss sich insbesondere um den Umsatzbringer iPhone sorgen.

Die Mobiltelefon-Umsätze sanken im Vergleich mit dem Vorjahresquartal um satte 13 Prozent, insgesamt verzeichnete Apple neun Prozent weniger Umsatz. Zwar verkaufte Apple 45 Millionen Geräte und damit eine halbe Millionen mehr als im Vergleichsquartal. Doch dazu zählen auch jede Menge kleinere iPhone SE, die im Schnitt deutlich weniger kosten als das Spitzenmodell iPhone 7.

Produktionskosten für Apples Edel-Hardware steigen

Gleichzeitig aber steigen die Produktionskosten für die Edel-Hardware dank steigender Teilepreise deutlich, weswegen Apple insgesamt 19 Prozent weniger Gewinn machen konnte.

Im Blick muss Tim Cook vor allem den wichtigsten Auslandsmarkt behalten: In China sanken die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um satte 30 Prozent, Apple merkt hier die Konkurrenz der selbstbewussten chinesischen Handyhersteller deutlich. Damit wird China endgültig vom am schnellsten wachsenden zum am schnellsten schrumpfenden Markt der Welt. Apple erlebt diese Achterbahnfahrt, da im vergangenen Jahr sehr viele Chinesen ein iPhone 6 kauften, die nun ihr Gerät noch nicht ersetzen.

Doch laut Cook steigt die Nachfrage nach dem iPhone 7 in China aktuell, und übertrifft den Vorgänger 6s. Cook kommentierte, dass die Chinesen weiterhin sämtliche Geräte kaufen, die Apple dort auf dem Markt bringt – und dass es deswegen schwer sei, die Nachfrage richtig einzuschätzen. Selbst ein weniger dynamischer chinesischer Markt sei für Apple wichtig: „Wir sehen weiterhin eine boomende Mittelklasse.“

Apple könnte von Samsungs Note-7-Desaster profitieren

Cook kündigte weiterhin an, die immer zahlungskräftigere indische Kundschaft verstärkt ins Visier zu nehmen, um den nächsten Milliardenmarkt zu erschließen. Insbesondere für Indien benötigt Apple jedoch weitere günstigere Geräte à la iPhone SE, die künftig die Marge im Smartphonegeschäft noch weiter drücken könnten.

Für das kommende Weihnachtsquartal kann Tim Cook wieder optimistischer in die Zukunft blicken. Apple hofft, dank der stärker als erwarteten iPhone 7-Nachfrage erstmals wieder zu wachsen, und prognostiziert Umsätze zwischen 76 und 78 Milliarden Dollar. Im vierten Quartal 2015 hatte Apple 75,9 Milliarden Dollar eingenommen.

Echtes Wachstum sieht anders aus. Doch der Konzern könnte vom Missgeschick des Rivalen Samsung profitieren, der sein Note-7-Smartphone nach diversen Feuer-Unfällen durch brennende Akkus vom Markt nehmen musste. Viele Kunden sehen Apples iPhone 7 Plus als einzige Alternative im Premium-Smartphone-Markt. Dass Apple jedoch jemals wieder die Wachstumsraten der vergangenen Boom-Jahre erreichen wird, erscheint vielen Analysten zweifelhaft.

Apple fehlen neue Boom-Produkte

Denn dazu fehlen dem Konzern bislang unter der Ägide von Tim Cook neue Boom-Produkte. Die Verkaufszahlen der Apple Watch verschweigt der Konzern weiterhin, versteckt die Umsätze in der Bilanzkategorie „Andere Produkte“. Diese brach im Vergleich zum Vorjahr um satte 22 Prozent ein.

Laut einer aktuellen Analyse von IDC ist diese Zahl noch gnädig – demnach bricht der Markt für Smartwatches nach einem ersten Hype im Jahr 2015 aktuell weltweit massiv ein. Von Apples Watch wurden 70 Prozent weniger verkauft als im Vorjahr.

Prognosen von 2015, wonach Apple mehr als 20 Millionen Geräte verkaufen könnte, erweisen sich als massiv zu hoch gegriffen, laut IDC gingen im vergangenen Quartal grade einmal 1,1 Millionen Smartwatches mit Apfel über die Ladentheke.

Befreiung aus der iPhone-Abhängigkeit wäre nötig

Deswegen sucht Cook aktuell weiterhin ein neues Boom-Produkt, das den Konzern aus seiner iPhone-Abhängigkeit befreit. Lange Zeit hofften Analysten, dass Cook als nächsten Hit das Apple-Auto präsentieren könnte. Doch laut diversen Gerüchte-Meldungen der vergangenen Monate musste Apple seine Auto-Pläne massiv beschneiden. Die Financial Times berichtete im September, dass diverse Schlüssel-Manager die Entwicklung aufgegeben und Apple den Rücken gekehrt haben. Ein Auto mit Apfel-Logo scheint also vorerst in weite Ferne gerückt.

Lediglich eine Zahl dürfte Tim Cook aktuell beruhigen. Die Cash-Reserven des Konzerns steigen auf eine neue Rekord-Höhe, liegen nun bei 237,6 Milliarden Dollar. Cook könnte auf der Suche nach dem nächsten Hit in den kommenden zwölf Jahren jeweils knapp 20 Milliarden Dollar in die Produktentwicklung stecken, ohne Geldprobleme zu bekommen.

Mache Analysten glauben: Apple sollte tatsächlich mehr Geld für Grundlagen-Entwicklung investieren, anstatt es in Rückkaufprogramme zur Stabilisierung des Aktienkurses zu stecken. Denn der bricht ohnehin aktuell mit jeder Quartalszahlenmeldung erneut ein. Nach Bekanntgabe der Zahlen sank der Kurs nachbörslich um mehr als drei Prozent.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild:Getty Images / JUNG YEON-JE