Apple Watch Edition

Diesmal ist alles anders: keine Schlangen vor den Läden, keine Fotografen, keine Filmteams und keine Mitarbeiter, die Erstkäufer beklatschen. Wenn Apple am heutigen Freitag den Verkauf seiner Apple Watch startet, werden Besucher der Apple Stores bitter enttäuscht sein: Denn es gibt dort schlichtweg keine einzige Uhr zu kaufen. Auch nicht für Apple-Fans, die ihr Lager üblicherweise bereits nachts vor den Läden aufschlagen.

Offenbar mochten das nicht einmal die eigenen Mitarbeiter glauben. Und so sah sich die neue Vertriebschefin des Konzerns, Angela Ahrendts, gezwungen, in einem Video die Sache mit dem Verkaufsstart klarzustellen. „Wird es das Produkt zum Kaufen am 24. im Geschäft geben?“, fragt sie darin. Um gleich drauf deutlich zu machen, dass dem nicht so ist.

Schon vor zwei Wochen schrieb Ahrendts in einem Memo an die Angestellten, dass der Verkaufsstart der Apple Watch „eine signifikante Änderung der Haltung“ von Apple sei und die Zeit der Warteschlangen und des möglicherweise vergeblichen Hoffens, am Starttag ein neues Apple-Produkt zu ergattern, „für unsere Kunden vorbei“ seien.

Die Ankündigung hat Berichten zufolge intern zu Diskussionen geführt. Denn Apple zelebrierte seine neuen Produkte bislang mit großem Tamtam zum Verkaufsstart. All das soll Vergangenheit sein? Apple-Managerin Ahrendts ruderte vergangene Woche in einem weiteren Memo zurück: „Werden wir ab jetzt jedes Produkt in dieser Art veröffentlichen? Nein. Wir alle lieben unsere Blockbuster-Veröffentlichungstage bei Apple, und es wird viele weitere geben. Das sind die Momente, in denen ihr glänzt. Und auch unsere Kunden lieben sie.“

Apple könnte schon zum Start Marktführer sein

Dass Apple mit seiner Smartwatch anders umgehen wird, zeichnete sich schon früh ab. Seit dem 10. April können Interessenten die Uhr in den Stores an- und ausprobieren, wenn sie vorher einen Termin machen. „Die Apple Watch ist das bisher persönlichste Produkt von Apple“, sagte Konzernchef Tim Cook. Deswegen bekommt jeder Käufer im Apple Store die Möglichkeit, Uhr und Armband anzulegen.

Für den iPhone-Konzern ist schon das Ausprobieren zwei Wochen vor Verkaufsstart ein Novum. Wer die Uhr aber haben will, muss sie derzeit noch online bestellen. Dies wird sich nach Apple-Angaben auch in den kommenden Wochen nicht ändern.

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Schnell verschwand von Apples Website der angekündigte 24. April als Liefertermin. Wer eine Uhr in den Warenkorb legte, bekam nun den „Versand im Juni“ angezeigt. Offenbar sind die ersten Lieferungen bereits ausverkauft, und Apple kommt mit der Produktion nicht nach.

Noch hat der Konzern keine Zahlen zu den Vorbestellungen veröffentlicht. Schätzungen von Analysten gehen auseinander, reichen aber bis zu drei Millionen Apple Watches, die in der ersten Woche verkauft werden könnten, davon bis zu 40.000 Stück der goldenen Edition-Version, für die Apple mindestens 11.000 Euro verlangt. Damit wäre Apple schon zum Start Marktführer im noch jungen Smartwatch-Markt und hätte mehr Uhren im Markt als alle Hersteller von Android-Smartwatches gemeinsam. Allein die vorbestellten Exemplare könnten etwa zwei Milliarden Dollar Umsatz zusätzlich bringen.

Eher Mode-Statement als praktisches Wearable

Schon bei der Präsentation der Apple Watch im vergangenen September am kalifornischen Stammsitz in Cupertino zeigte sich, dass Apple neue Wege geht. Zum ersten Mal hatte der iPhone-Hersteller im größeren Stil Mode-Blogger zu einer Produktshow eingeladen. Mehr denn je sieht sich Apple auf dem Weg zum Mode- und Luxuskonzern.

Kurz nach der ersten Präsentation zeigte Apple seine Uhr während der Fashion Week in Paris in den Schaufenstern des Modegeschäfts Colette. Apples Chefdesigner Jonathan Ive und der Designer Marc Newson führten die Uhren, die es in drei Modellreihen gibt, dort der Öffentlichkeit vor. Zuletzt zeigte Ive die Uhren in der vergangenen Woche während der Design Week in Mailand.

Für den Verkauf suchte sich Apple neben den eigenen Stores die geeignete Umgebung aus. Und so finden Besucher die Apple Watch auch in den Prachtkaufhäusern Galeries Lafayette in Paris und Selfridges in London sowie im Edel-Shopping-Center Isetan in Tokio, wo Apple eigens temporäre Schauräume eröffnet hat, um die Luxusshopping-Klientel zu erreichen, die sich normalerweise nicht in Apple Stores blicken lässt.

Zudem hat Apple diverse Prominente schon Monate vor dem Uhren-Launch mit den Edelversionen der Apple Watch ausgestattet: Die US-Stars Katy Perry und Pharrel Williams lassen die goldene Edition-Version der Apple-Uhr ebenso im Blitzlicht der Kameras blinken wie „Star Wars“-Regisseur JJ Adams und „Vogue“-Chefredakteurin Anna Wintour.

Designer Karl Lagerfeld trägt gar eine Edition-Version mit goldenem Gliederarmband – diese Variante können normale Kunden bislang selbst dann nicht bestellen, wenn sie die fünfstellige Summe für die Edition problemlos zahlen können.

Damit verwirft Tim Cook das Ideal des „Alle-Kunden-sind-gleich“ seines Vorgängers Steve Jobs: Der hatte Prominenten im Jahr 2007 zum iPhone-Start eine Vorzugsbehandlung konsequent verweigert. Wie sehr die Apple Watch für die Stars eher Modestatement als praktisches Wearable ist, machte ebenfalls Karl Lagerfeld unfreiwillig deutlich. Dessen Watch hing – das ist auf diversen Fotos zu erkennen – bei Veranstaltungen dauerhaft im Pairing-Modus fest und funktionierte mangels gekoppeltem iPhone gar nicht.

Apple spart beim Gold-Gehalt

Stimmen die Analystenzahlen, dann würden allein die 40.000 vorbestellten Modelle der Edition-Version der Apple-Uhr etwa 500 Millionen Euro Umsatz bringen – und ein Gutteil davon ist Reingewinn, denn Apples Gewinnspanne insbesondere bei der Edition-Version fällt so exorbitant aus, dass selbst etablierte Luxusuhrenhersteller wie Rolex neidisch werden dürften. Anders als bei klassischen mechanischen Horologie-Meisterwerken, die ebenfalls für fünfstellige Summen über die Ladentheke gehen, ist das Innenleben der Edition-Apple-Uhr technisch identisch zur günstigen Sport-Version der Uhr – und die ist hierzulande schon für 350 Euro zu haben.

Das erlaubt eine Schätzung der Gewinnspanne: Die Edition-Uhr kostet mindestens 11.000 Euro, mit großem Gehäuse 13.000 Euro. Wer seine Edeluhr nicht mit schnödem Kunststoffarmband tragen will, zahlt für ein Lederarmband mit Goldschließe je nach Ausführung 3000 bis 7000 Euro Aufpreis. Selbst Uhrenarmbänder aus Krokodilleder des französischen Luxusherstellers Hermès kosten nicht so viel.

Beim Goldgehalt der Uhr spart Apple dagegen augenscheinlich: Zwar ist das Gehäuse der Edition-Uhr aus 18 Karat Gold gefertigt, enthält also einen Gewichtsanteil von mindestens 75 Prozent reinem Gold – doch Apple wirbt damit, dass die Goldversion aus einem Mix aus Keramik und Gold gefertigt ist, die restlichen 25 Prozent sind also nicht aus Metall. Damit fällt das Gehäuse insgesamt leichter aus, und bei gleichem Volumen benötigt Apple weniger vom teuren Edelmetall. Die goldene Apple Watch mit 42-mm-Gehäuse wiegt ohne Armband 69 Gramm, die stählerne Version im Vergleich dazu nur 19 Gramm weniger.

Massiver Wertverlust?

Analysten schätzen, dass Apple für die Uhr nur maximal 25 Gramm Gold benötigt – beim aktuellen Goldpreis also etwa 900 Euro aufwendet. Dazu kommen Verarbeitungskosten und das Innenleben. Da dieses identisch mit der Sportversion ist, kostet es maximal 350 Euro. Demnach realisiert Apple bei einem Nettopreis von 10.900 Euro eine Gewinnspanne von knapp 800 Prozent.

Die Bedeutung der Edition-Version der Uhr für Apple ist also weit höher einzuschätzen, als der vergleichsweise geringe Anteil von gut einem Prozent an der Gesamtzahl der verkauften Uhren schließen lässt: Die Edition könnte bis zu 50 Prozent der Gewinne der Apple Watch tragen.

Die Preise kann der Konzern gegenüber den Kunden nur durchsetzen, wenn diese den neuen Status als Luxusmarke akzeptieren – und sich nicht daran stören, dass ihre goldene Edition-Uhr anders als ein analoges Meisterwerk derselben Preisklasse massiv an Wert verlieren dürfte, sobald Apple in den kommenden Jahren neuere Versionen der Uhr herausbringt. Ob diese Wette auf den Status langfristig eine Gewinnspanne von 800 Prozent trägt, ist mindestens zweifelhaft.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

Bild: Apple