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Am Donnerstag meldete Auctionata Insolvenz an

Eine große Enttäuschung sei das letzte Jahr gewesen, schrieb Auctionata-CEO Thomas Hesse vor wenigen Tagen in einer internen Mail an seine Mitarbeiter, die Gründerszene vorliegt. Doch zusammen solle man weiterkämpfen, einen neuen Wachstumskurs beschreiten, eine neue Erfolgsstory schreiben.

Diese Erfolgsstory ist nun aber an einem vorläufigen Ende: Wie gestern bekannt wurde, musste das Online-Auktionshaus Insolvenz anmelden. Auch das New Yorker Büro wird verkauft. Von dem geschluckten Wettbewerber Paddle8 will sich Auctionata wieder trennen. Der Grund für die Insolvenzanmeldung ist – wie Gründerszene berichtete – eine vorerst geplatzte Finanzierung, die für den Fortbestand dringend nötig gewesen wäre.

Tatsächlich gehen die Probleme bei Auctionata deutlich über eine kurzfristige Finanzierungslücke hinaus. Das Auktionshaus wurde 2015 in der Öffentlichkeit noch als Börsenkandidat gehandelt, intern häuften sich jedoch die Probleme. Die Cash-Burn-Rate lag weit über Plan, Gewinne aus Auktionen schrumpften.

Noch im Juni 2016 versuchte das frühere Management um Gründer Alexander Zacke umzusteuern und legte dem Aufsichtsrat eine neue Strategie vor. Doch der Plan misslang. Um mehr als die Hälfte seien die Ziele verfehlt, berichtete Hesse, der im Herbst neuer CEO wurde, nun in der Email seinen Mitarbeitern. „Wir sind in 2016 gegenüber dem Vorjahr auf der Umsatzseite insgesamt sogar deutlich geschrumpft.“ Auctionata habe eine „massive Unterperformance“ hingelegt, so Hesse.

Die Gehälter der Mitarbeiter werden ausgezahlt

Den Grund für die dramatisch schlechte Geschäftsentwicklung sieht der neue CEO in der Übernahme von Paddle8. „Der Zusammenschluss von Auctionata und Paddle8 hat sehr viel Geld gekostet“, sagt Hesse nach der Insolvenzanmeldung gegenüber Gründerszene. „Das war die Vision meines Vorgängers. Aber damit hat man sich einfach verhoben.“ Vor allem der Abbau von Parallelstrukturen brauche Zeit und koste Firmenkapital. Nach der Fusion der beiden Unternehmen unter Gründer Alexander Zacke „hatte Auctionata über lange Zeit nicht die Führung, die es eigentlich gebraucht hätte“, kritisiert der neue CEO seinen Vorgänger. „Man kann nicht zwei so große Unternehmen wie Auctionata und Paddle8 zusammenführen und dann sich selber überlassen. Dadurch ist das Unternehmen hinter den – sehr hochgesteckten – Erwartungen zurückgeblieben.“

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Seit Herbst neuer CEO: Thomas Hesse

Das letzte Wort bei Entscheidungen hat nun jedoch Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff aus Potsdam. Er verwaltet die Geschäfte bei Aucionata und Paddle8 und soll den massiven Wertverlust des Unternehmens aufhalten.

Über 130 Millionen Dollar Risikokapital hatten beide Unternehmen zusammen eingesammelt. Namhafte Geldgeber sind unter anderem Earlybird, German Startups Group und HV Holtzbrinck Ventures.

Nach Angaben des Unternehmens sollen zumindest die Gehälter der Mitarbeiter sicher sein, bestätigte eine Sprecherin von Auctionata gegenüber Gründerszene. Auch die noch ausstehenden Dezember-Gehälter sollen ausgezahlt werden. Der Sanierungsplan sei bereits weit fortgeschritten, sagte CEO Hesse gegenüber Gründerszene. Ob Entlassungen anstehen würden, wollte der Geschäftsführer nicht kommentieren. Nur so viel: Es werde eine „Reihe von Maßnahmen“ geben.

Doch ob das Auktionshaus mit diesem Plan neue Investoren findet, ist ungewiss. Auctionatas Probleme sind strukturell und der Auktions-Markt wehrt sich hartnäckig gegen Disruption.

Um Auctionata 2016 auf Wachstum zu trimmen, hatte der Gründer Alexander Zacke 2015 beschlossen, die Frequenz der Auktionen zu erhöhen. Üblicherweise veranstalten traditionelle Häuser ein bis zwei Bietertreffen pro Quartal. Auctionata schraubte die Zahl hingegen auf bis zu zwanzig hoch. Doch am Markt werden jedes Quartal nur eine begrenzte Zahl von Kunstgegenständen angeboten und nachgefragt. Um den Umsatz zu erhöhen und die zahlreichen Events zu bestücken, setzte Auctionata deswegen auf Masse und niedrigpreisige Segmente. Große Gewinne machen Auktionshäuser jedoch traditionell im Premium-Bereich.

Wer bietet für die Bieter-Plattform?

Hier will der neue Geschäftsführer Hesse nun das Ruder herumreißen. „Wir haben uns nun davon verabschiedet. Wir glauben, dass die Qualität der Ware entscheidend ist“, sagt Hesse. „Auch von der Idee eines 24-Stunden-Kanals haben wir uns getrennt.“

Ein weiter Grund für Auctionatas Probleme ist wohl, dass die Kunstbranche eine der konservativsten überhaupt ist. Ein über Jahrzehnte erarbeiteter Name und Sicherheit bei der Qualität der Produkte zählen weit mehr als eine leicht zu bedienende, digitale Streaming-Technologie. Wer Versteigerungen am Fließband produziert, nimmt dem Event zudem seinen herausstechenden Charakter. Kauf-Interessenten besuchen Auktionen üblicherweise, um zu sehen und gesehen zu werden. Bei den Veranstaltungen von Christie‘s und Ketterer trifft sich die Szene und zelebriert ihr kostspieliges Faible. Kein Vergleich zu einem anonymen Bieter-Marathon vor dem heimischen Laptop.

Spannend bleibt nun, ob sich jemand findet, der für die Auktionsplattform bieten will. Aber auch wenn Auctionata das Insolvenzverfahren übersteht und neue Investoren findet – ein Börsengang ist in weite Ferne gerückt.

Bild: Auctionata / Getty Images / Johannes Eisele