tollabox insolvenz kinderbuch bea beste
tollabox insolvenz kinderbuch bea beste Béa Beste mit ihrem E-Book

Ein Beitrag von Béa Beste, die ihr Startup Tollabox gemeinsam mit ihrem Mann Oliver gründete.

Mit dem Lebenspartner gründen? Oder eine Firma führen? Oder gemeinsam in einer Firma bleiben, wenn die Liebe bei der Arbeit entstanden ist? Ich sage nicht, dass es nicht funktionieren kann. Aber einfach… einfach ist anders.

Als ich 2012 mit der Tollabox anfing, einer Bastelbox für Familien mit Kindern ab vier Jahren, hatte mein Mann Oliver Beste Zweifel am Geschäftsmodell. Oliver ist erfahren im E-Commerce und erst als es in den USA fette Finanzierungsrunden für ähnliche Ideen gab, wollte er mir zur Seite stehen.

Noch zwei Co-Founder und ein Dream-Team

Mit Oliver als E-Commerce-Experte habe ich vereinbart, dass er den Vorsitz der Geschäftsführung übernimmt – und ich als Gesellschafterin mit den meisten Anteilen ihn jederzeit feuern kann. Ich habe mich auf meine Stärken konzentriert und war Chief Creative Officer. Ich habe also die Spiele und Geschichten für die Tollabox entwickelt und verantwortet. Sarah Petzold übernahm als COO alle Geschäftsabläufe vom Einkauf über die Logistik bis zum Kundenservice und Tobias Zumbült kümmerte sich um die Finanzen, IT und das Marketing. Unsere Idee der kreativen Bastelboxen mit Lerneffekt sprach viele an: Wir haben 2012 Business Angels gefunden und für Tollabox im Mai 2013 bei einem der erfolgreichsten Crowdfundings in Deutschland 600.000 Euro eingesammelt.

Wir haben gekämpft, zusammen gelacht und gelitten, unser gesamtes Geld investiert und auf viel Gehalt verzichtet, wie das Gründer so tun. Für uns als Paar heißt das: Wenn beide nichts verdienen und ihr Erspartes verspielen, ist es zwar eine gemeinsame Entscheidung, allerdings auch doppelt so riskant. Bis kurz vor dem Aus von Tollabox haben wir immer gemeinsam entschieden.

Die Wende: Keine Anschlussfinanzierung

Dann hat Oliver aber die Chefkarte gezogen. „Zu diesen Konditionen können wir das Investmentangebot aus München nicht annehmen, mein Schatz“, verkündete er eines Morgens. Da standen wir kurz vor einer größeren Finanzierungsrunde. Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig und waren mehrfach verschoben worden. Ich hätte zu dem Zeitpunkt zu allem Ja und Amen gesagt, um die Firma zu retten. Schließlich war sie meine Idee, mein Baby. Und ich hätte auch die schlechten Konditionen angenommen. Unsere Mitgründer waren anfänglich auf meiner Seite, ließen sich aber von Oliver überzeugen. Obwohl ich die meisten Anteile besaß und jeden erdenklichen Widerstand leistete, wurde ich überstimmt. Ich hatte die Gelegenheit verpasst, meinen Mann und CEO rechtzeitig zu feuern!

Rettungsmodus

Neues Geld war für den Erhalt der Firma nötig. Wir versuchten alles Erdenkliche und verhandelten mit diversen Investoren. Sogar welchen aus Dubai. Schließlich bemühten wir uns, die Firma zu verkaufen, auch an den Marktführer Kiwicrate aus den USA. Oliver hat weiter um eine Lösung zu akzeptablen Konditionen gekämpft. Aber uns ging die Zeit aus. Als Geschäftsführer muss man in Deutschland genau im Blick haben, wann der Moment der Zahlungsunfähigkeit kommt und die Insolvenz gesetzeskonform anmelden. Sonst macht man sich persönlich strafbar. Und so kam der Tag, an dem wir die Insolvenz anmelden mussten. Und ich mein Baby, meine Idee, meine Tollabox begraben musste. Ich hatte permanent zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Angst und Schuldzuweisungen geschwankt.

tollabox-insolvenz
tollabox-insolvenz Das Tollabox-Gründerteam: Beste, Zumbült, Beste und Petzold (v.l.)

Letztlich blieben nur noch die Schuldzuweisungen übrig. Mit schwindender Hoffnung wuchsen in mir Aggressionen gegenüber meinem Mann. Mein Verstand sagte mir natürlich, dass er als Geschäftspartner und CEO meiner Firma eine rationale Entscheidung getroffen hat, auch um mich zu schützen. Aber es fühlte sich schlimm an. Ich merkte, dass ich die negativen Gefühle nicht in den Griff bekam. Dass ich ihn am liebsten wilden Tieren zum Fraß vorwerfen wollte. Wilden, fiesen Löwen, die ihn sofort zerreißen würden! Oder Haien! Nilpferden! Bären! Es klingt jetzt lustig, war es aber nicht. Mir wurde klar, dass ich solche Gedanken und Gefühle kanalisieren musste, damit unsere Ehe nicht leidet.

So entstand das Kinderbuch „Oli Löwenfutter“

Um nicht auch in unserer Beziehung mit einem Scherbenhaufen da zu stehen, habe ich parallel zu vielen ehetherapeutischen Gesprächen miteinander und mit Freunden für das verletzte Ich in mir geschrieben: ein Kinderbuch. Darin will ein Mädchen, das mich repräsentiert, ihren Freund Oli an wilde Tiere verfüttern. In den ersten Versionen bissen die Tiere zu. Da war ein Arm, ein Bein, ein Ohr weg. Der ganze Oli! Das tat gut!

Dann merkte ich: Das geht nicht in einem Kinderbuch. Höchst unpädagogisch, so eine Geschichte! Nach und nach habe ich sie also in eine andere Richtung entwickelt: Die Tiere fressen nicht den armen Oli, sondern den Ärger seiner Freundin und ihren Groll. So habe ich mich und meine Ehe selbst therapiert.

Lieber Vordenken als Nach-Denken

Im Nachhinein betrachtet hat Oliver wirtschaftlich klug entschieden. Das habe ich inzwischen verstanden. Dennoch hätte ich mir gewünscht, nicht die Kontrolle über meine eigene Gründung zu verlieren. Gut funktioniert hat, dass wir immer getrennte Verantwortungsbereiche hatten. Nur bei der Schicksalsentscheidung wurde mir plötzlich die Verantwortung entzogen.

Was ich in Bezug auf die Partnerschaft im Nachhinein anders machen würde? Am wichtigsten erscheint mir, klare Entscheidungsstrukturen im Vorfeld festzulegen. Und eine Art Krisenplan für die Firma und auch die Partnerschaft zu haben, wenn man in ernsthafte Konflikte geraten sollte. Zum Schutz der Mitarbeiter und Investoren muss vorher geklärt sein, dass einer im Ernstfall geht – und wer von beiden das ist.

Ganz ehrlich? Ich glaube, dass es für die meisten Partner und sogar Freunde besser ist, keine Firma zusammen zu gründen. Dabei kann man leicht nicht nur eine Firma sondern auch einen Freund verlieren. Was ich jetzt eher eingehen würde: sich gegenseitig am Business des anderen zu beteiligen und sich zu beraten – dann hat man immer noch genügend „Aktien im Spiel“.

Titelbild: Béa Beste; Bild: Tollabox