Die Berliner-Berg-Mannschaft: Richard Hodges, Finn Hänsel, Uli Erxleben und Robin Weber (von links)

Was ist eigentlich Berlins nächster Startup-Hype? Worüber redet die Szene, ist es eine Fintech-App, ein Putzkraft-Portal, noch ein Lieferdienst? Quatsch. Es ist eine Brauerei.

Berliner Berg heißt die Craft-Beer-Bude in Neukölln, die heute eine Crowdfunding-Kampagne startet, bereits eine Seed-Runde bei Berliner Business Angels eingesammelt hat und hinter der drei Ex-Epic-Companies-Mitarbeiter stehen – das ist auch der Hauptgrund, warum sich die Startupszene überhaupt für dieses Offline-Business interessiert.

Das Team besteht aus Finn Hänsel, bei Epic CMO und zuvor Geschäftsführer von Rockets The Iconic, dazu Uli Erxleben, Epics CDO und ebenfalls ein Rocket-Veteran, sowie Robin Weber, der zuletzt bei der Epic-Gründung Atelier Blanche tätig war. Schon während der Epic-Zeit, erzählen sie, war Craft Beer ein Thema.

In Australien und den USA, wo Hänsel und Erxleben für Rocket unterwegs waren, erlebt die Branche seit Jahren einen Boom. „Es gibt inzwischen viel kreatives und geschmackvolles Bier – und deutlich spannender als das, was man aus den deutschen Supermärkten so kennt“, sagt Hänsel. Nur in Deutschland ist gutes Bier von kleinen Brauereien offenbar Mangelware.

In San Francisco, erzählt Erxleben, gebe es „an jeder Ecke plötzlich nicht nur super hopfige IPAs, sondern auch Sour Beer im Berliner-Weiße-Style. Und das war richtig gut und ganz anders als die Berliner Weiße, die Touristen am Ku’damm nur mit viel Sirup runterbekommen. Da war klar, dass wir handwerkliche Berliner Weiße in Berlin brauen müssen.“

Finn Hänsel berichtet: „Als klar war, dass wir alle Epic verlassen werden, haben wir im Scherz immer gesagt: Eigentlich müssten wir eine Brauerei aufmachen.“ Die Idee wird weiter und weiter gesponnen. „Und dann haben wir uns zusammengesetzt und gemerkt: Eigentlich ist das der ideale Zeitpunkt um eine Brauerei hochzuziehen.“

Sie machen Ernst. Aber Ahnung haben sie vom Bierbrauen keine. Klar ist: Es braucht einen Brauer. Sie finden ihn in dem US-Amerikaner Richard Hodges, bislang Braumeister bei den Münchner Craft-Beer-Pionieren von Crew Republic. Hodges hat Lust auf Berlin. Und auf Berliner Weiße. Es geht los.

Im Frühjahr ist Finn Hänsel auf Weltreise, die beiden Gründerkollegen scouten solange Immobilien, überlegen sich, wie viel Geld man für den Kaltstart einer Brauerei wohl braucht. Sie realisieren zwei Dinge: „Der Markt ist super spannend“, so Erxleben. „Und: Wir können erst einmal anfangen, ohne ein großes Investment zu machen.“

Sie siedeln sich in Neukölln an, dort, wohin sich schon vor 100 Jahren die Berliner zu Sauftouren aufmachten, wegen der hohen Dichte an Brauereien. Es gibt eine Brauanlage und einen Schankraum, der erst einmal nur zu besonderen Anlässen öffnet. Alles lean, Basis-Ausstattung.

Drei der bislang acht Sorten: Berliner Weiße, Pale Ale, Lager (auch von links)

Dafür reicht die „kleine Seed-Runde“, die Berliner Berg abschließt. Es ist gar nicht so schwer, Investoren vom Konzept zu überzeugen – obwohl die Digital-Zutat fehlt. Die Audibene-Gründer Marco Vietor und Paul Crusius geben Geld, genauso wie JustBook-Gründer Stefan Menden. Da ist Liebhaberei im Spiel, natürlich – aber auch die Überzeugung, dass Berliner Berg als Business funktionieren kann, ein echter Investment Case ist. Mit dem Geld aus dem Crowdfunding wollen die Brauer neue Lagertanks kaufen. Und das Thema und ihre Marke bekannter machen.

Denn die vier Brauerei-Gründer haben fest vor, ein skalierbares Geschäft zu etablieren. Das Beispiel dafür gibt es: Blue Bottle, die Kaffee-Kette aus den USA, die in diesem Jahr Millionen von Tech-Investoren bekommen hat. Das Blue-Bottle-Erfolgsrezept: eine starke Marke, hochwertige Produkte, Klasse statt Masse. Damit wird ein Lifestyle-Trend bedient. Und es verspricht hohe Margen.

Bei Berliner Berg setzen sie auf ganz ähnliche Werte: „Wir machen’s wieder handwerklich, nicht industriell“, sagt Hänsel. „Wir legen unseren Fokus komplett auf Geschmack und Charakter statt auf billigen Preis und Einheitswaren.“ Die Zielgruppe und die entsprechenden Trends hat Hänsel im Blick: „Wir glauben, dass es gerade eine perfekte Zeit für ein solches Projekt und eine solche Biermarke ist. Es wird immer wichtiger, dass Konsumenten sich mit den Produkten identifizieren können und ‚echte Sachen‘ möchten – das klingt vielleicht etwas hoch gegriffen, aber es geht darum, dass man wissen will, wo etwas herkommt und wie es hergestellt wird.“

Doch nicht nur vom billigen Supermarktbier will sich Berliner Berg absetzen. Auch die Strategie vieler andere Craft-Beer-Brauerein, sich mit Höchstpreisen an eine kleine Käuferschaft zu binden und in engen regionalen Grenzen zu denken, möchten die Gründer nicht mitgehen. „Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, das Thema groß zu machen“, sagt Hänsel. „Wir wollen eine starke Biermarke in Berlin etablieren. Wenn wir es darüber hinaus schaffen, dass diese sich auch über die Grenzen Berlins und irgendwann über die Grenzen Deutschlands hinweg etabliert, wäre da ein toller Erfolg.“

Der Preis soll diesen Mittelweg zwischen Craft-Beer-Kleinstaaterei und Industriebier-Einerlei verdeutlichen: Zwischen 1,50 Euro und 2 Euro soll die 0,33-Liter-Flasche Berliner Berg kosten, wenn sie irgendwann im Handel verfügbar sein wird. „Das ist etwas teurer als die Produkte von großen Marken, aber wir halten das für einen guten Preispunkt, der die hohe Qualität des Produkts und den teureren handwerklichen Prozess widerspiegelt.“

Bleibt die Frage, was das für eine Erfahrung ist, für Digital-Gründer im Brauerei-Geschäft. „Es gibt schon viele Dinge, die ähnlich sind“, sagt Hänsel. Organisation zum Beispiel, oder Marketing, Webpräsenz, Events, Kooperationen, so etwas. „Aber dann gibt es so bodenständig-altindustrielle Dinge: Du verhandelst mit Partnern, die höchstens ein Faxgerät haben. Oder du merkst, dass du die Braunanlage nicht in den geplanten Raum bauen kannst, weil es da Auflagen gibt. Dann muss die Behörde mitspielen.“

Finn Hänsels Fazit: „Du bist deutlich abhängiger von externen Unwägbarkeiten. Online hast du ja, abgesehen vom Kunden, vieles selbst in der Hand. Aber was wir auch gemerkt haben: Es macht einfach richtig Spaß, ein Produkt mit Leidenschaft selbst herzustellen und dann in der Hand zu halten.“ Und dann zu trinken.

Bild: Berliner Berg