1957 schossen die Sowjets den ersten Satelliten ins All. Mittlerweile kreisen über eintausend davon um die Erde. Sie liefern etwa die Bilder, die Google für seinen Kartendienst Maps benötigt. Warum sollte man Satellitenbilder aber nicht auch dafür nutzen, um den Status von Bauvorhaben in Echtzeit zu kontrollieren? Diese Idee verwirklicht Building Radar. Das Unternehmen verkauft seine durch Computer-Analysen erstellten Daten an Firmen, deren Produkte oder Services in neuen Gebäuden benötigt werden.

Gegründet wurde das Startup 2014 von Paul Indinger gemeinsam mit Leopold Neuerburg und Artem Ostankov. Die automatische Erkennung neuer Bauprojekte realisiert Building Radar durch die Kombination moderner Technologien wie Natural Language Processing oder Machine Learning. In der Datenbank befinden sich derzeit mehr als eine Million Bauprojekte und über 200.000 Unternehmensprofile. Das Unternehmen ist Teil des ImmobilienScout24-Accelerators You Is Now, wurde mehrfach ausgezeichnet und ist Gewinner des European-Space-Agency-Wettbewerbs und der Google Competition.

Paul Indinger im Kurzinterview mit Gründerszene.

Paul, wie kamst Du auf die Idee für Building Radar?

Ich habe während meines Studiums neue Bauprojekt-Vorhaben als Sales Leads an die amerikanische Teppich-Firma Interface verkauft. Die Recherche wurde hierbei von bis zu zwölf Mitarbeitern in China getätigt, wo ich nach dem Abitur und während des Studiums zwei Jahre gelebt habe. Später traf ich auf meinen zukünftigen Mitgründer Leopold Neuerburg. Als ich ihm erklärte, wie schwierig die Suche nach neuen Bauvorhaben ist, begannen wir zu überlegen, ob es nicht intelligentere, technisch getriebene Wege gebe, um diese Mängel zu überwinden. Durch Leos Arbeitserfahrung bei Google kam ihm schnell eine Idee: Warum nicht einen Suchalgorithmus ähnlich wie Google entwickeln, aber eben spezialisiert auf Bauprojekte?

Für wen kommt diese Lösung in Frage?

Vom Fußboden über Beleuchtung bis hin zum Putzdienst: Die Hersteller dieser Produkte und Services sind unsere Kunden. Diese Unternehmen warten nicht bis ein Kunde sie anruft und nach ihren Produkten fragt, sondern sie suchen proaktiv Bauvorhaben. Sie müssen wissen, wann, wo, welche Art von Gebäude von wem gebaut wird, um ihre Produkte zu verkaufen.

Was unterscheidet Building Radar von bestehenden Lösungen?

Im Gegensatz zu Wettbewerbern sind wir nicht auf menschliche Arbeitskraft für unsere Daten-Recherche angewiesen. Stattdessen bauen wir auf unseren Satelliten-unterstützten Suchalgorithmus. Dies hat vier wesentliche Vorteile: Wir entdecken neue Bauvorhaben oft Monate früher. Unsere Daten sind verifiziert, denn wir überprüfen Informationen durch Live-Satellitenbilder. Sollte sich ein Bauprojekt nicht entwickeln wie geplant, erkennen wir dies sofort. Und unsere Daten sind intelligent. Mit unserer Big-Data-Lösung analysieren wir zahlreiche Projekte und involvierte Unternehmen. Zudem operieren wir dank der technologiebasierten Datenrecherche wesentlich kosteneffizienter als unsere Wettbewerber.

Wie bewältigt ihr die anfallenden Datenmengen und das Thema Bilderkennung?

Wir haben das Glück, dass unser CTO, Artem Ostankov, lange Erfahrung bei der Suchmaschine Cliqz mitbringt und sich daher sehr gut mit der Bewältigung großer Datenmengen und elastischer Suche auskennt. Beim Thema Bilderkennung arbeiten wir hauptsächlich mit verschiedenen Computer-Vision-Algorithmen, experimentieren aber auch in Richtung Deep Learning und anderen innovativen Technologien. Hier hilft uns definitiv die Unterstützung durch die European Space Agency und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Building Radar sitzt derzeit im ImmobilienScout24-Accelerator. Was hat die Zeit gebracht? Was kommt danach?

Die Zeit bei You Is Now ist für uns in erster Linie wegen der Daten und der Erfahrung von ImmobilienScout24 interessant. Wir arbeiten gerade an einem Tool, um besser an die Dynamik in Bestandsgebäuden heran zu kommen. Außerdem konnten wir die Infrastruktur bei ImmobilienScout24 sehr gut nutzen, um unser Know-how und Kontakte in die deutsche Immobilienszene zu festigen. Generell stehen wir einer weiteren Kooperation mit ImmobilienScout24 sehr aufgeschlossen gegenüber. Mitte nächsten Jahres streben wir eine größere Series-A-Finanzierung an.

Die Satellitenbilder-Auswertung ließe sich für weitere Dienste nutzen. An was für Ideen arbeitet ihr noch?

Die Anwendungsmöglichkeiten sind tatsächlich extrem vielfältig und wir experimentieren viel. Die Möglichkeiten erstrecken sich von der Erkennung von Straßenschäden über Oberflächenanalysen bis hin zu Analysen von Infrastruktur und Demographie von bestimmten Gebieten. Insgesamt ist das Thema Satellitenbilder vor allem in Verbindung mit weiteren Datenlayern – beispielsweise durchschnittliche Bauzeit, Baukosten oder Hotspots -, die wir durch unsere Suchalgorithmen erhalten, extrem interessant.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bild: Building Radar