drivy_carsharing

Der größte private Carsharing-Anbieter in Europa kritisiert das geplante Carsharing-Gesetz in Deutschland. „Leider werden wir durch das Vorhaben der Bundesregierung benachteiligt“, sagte Drivy-Chef Paulin Dementhon der Welt.

Vor allem die Parkplatzregelung würde große Carsharing-Anbieter wie DriveNow und Car2Go bevorzugen. „Das Vorgehen ist uns gegenüber unfair.“ Offenbar habe sich die Lobby der großen Anbieter durchgesetzt. Das Bundeskabinett hat das Gesetz kurz vor Weihnachten beschlossen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte bereits Ende August einen Entwurf für das Gesetz vorgelegt, das nun im kommenden Jahr in Kraft treten soll. Darin sind für Carsharing-Fahrzeuge reservierte Parkplätze, die Befreiung von Parkgebühren und eine spezielle Kennzeichnung geregelt. „Wir unterstützen diese neue Form der Mobilität“, sagte Dobrindt damals. Allerdings kann der Bund hier den Ländern und Kommunen keine Vorschriften machen.

Das Gesetz ermöglicht ihnen aber über eine Verordnung separate Parkflächen für Carsharing-Fahrzeuge auszuweisen und sie von Parkgebühren zu befreien. Dies soll vor allem „der Verringerung des Individualverkehrs und damit dem Klimaschutz und der Luftreinhaltung“ dienen, heißt es in dem Entwurf.

Carsharing-Parkplätze nicht für private Anbieter

Die freien Parkplätze stehen allerdings nur Unternehmen zu, die zu 100 Prozent gewerblich arbeiten. Der Gesetzgeber argumentiert damit, dass es schwierig zu kontrollieren sei, wie private Carsharing-Autos genutzt werden. Es wäre theoretisch möglich, dass sich Autobesitzer nur für das Programm anmelden, um eine Carsharing-Plakette zu erhalten und die kostenlosen Parkplätze zu nutzen.

Im Unterschied zu Car2go, DriveNow und Multicity ist Drivy ein privater Carsharing-Anbieter. Privatpersonen können sich auf der Plattform anmelden und ihr Auto für das Carsharing zur Verfügung stellen. Nutzer buchen über eine App oder über die Website diese Autos, meist tageweise.

Den Preis dafür bestimmen die Fahrzeugbesitzer je nach Fahrzeugtyp und -zustand, Mietzeitraum und gefahrenen Kilometern. Über die Allianz sind die Fahrzeuge abgesichert, der Vermieter bekommt 70 Prozent des Mietpreises, der Rest geht in die Versicherung und Provision für Drivy.

Deutschland soll größter Markt werden

Inzwischen ist Drivy der größte private Carsharing-Anbieter in Europa mit 40.000 angemeldeten Fahrzeugen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien und Österreich. 1,2 Millionen Nutzer sind bei Drivy registriert. In Deutschland sind es 5000 Autos und 140.000 Nutzer.

Derzeit ist Frankreich der größte Markt für Drivy. „Das werden wir aber ändern, wir wollen Deutschland zum größten Markt machen“, sagte Drivy-Chef Dementhon, der den Dienst vor zwei Jahren hierzulande gestartet hat und bereits Marktführer ist. In Deutschland tritt Drivy gegen die Konkurrenten Tamyca und CarUnity an, in Frankreich gibt es sogar 13 weitere private Anbieter.

Folge NGIN Mobility auf Facebook!

Auf die Idee für einen privaten Carsharing-Dienst kam der Franzose vor sechs Jahren, als er beobachtete, dass sich drei Familien in seiner Nachbarschaft in Marseille gemeinsam ein Auto gekauft hatten – und mithilfe einer Excel-Tabelle organisierten, wer es wann fahren durfte. „Das hat mich auf die Idee gebracht“, sagt Dementhon.

In der Folge gründete er sein Startup Voiturelib, das später in Drivy umbenannt wurde und inzwischen fast 50 Millionen Euro Kapital eingesammelt hat. „Es macht doch keinen Sinn, dass ein Auto 95 Prozent der Zeit ungenutzt herumsteht.“ Experten schätzen, dass ein Carsharing-Auto zehn bis 15 Fahrzeuge ersetzen kann.

Tatsächlich wird das Teilen der Fahrzeuge immer beliebter. Zum Jahresbeginn 2016 waren in Deutschland nach den aktuellsten Zahlen des Bundesverbands Carsharing bereits fast 1,3 Millionen Carsharing-Nutzer registriert, die sich 16.100 Fahrzeuge teilten. Inzwischen dürfte die Zahl höher sein.

Schlüsselübergabe ohne direktes Treffen

Das Verhältnis von Eigentum und Teilen werde sich in Zukunft noch stärker verschieben, sagt Dementhon. Der Vorteil von Drivy sei die Schnelligkeit, mit der auch die Softwareplattform weiterentwickelt werde. Die Drivy-App könne dreimal pro Woche aktualisiert werden. „Das sieht man bei anderen Anbietern nicht.“

Inzwischen nähert sich der private Anbieter den Konkurrenten an. Während bislang Mieter und Vermieter sich zur Schlüsselübergabe treffen mussten, kann eine Anmietung nun auch ohne ein Treffen beginnen. Vermieter müssten dazu eine Drivy-Box im Auto hinter der Windschutzscheibe installieren lassen.

Mieter können das Fahrzeug dann mit dem Smartphone öffnen. Der Vermieter zahlt für die Box eine monatliche Gebühr, kann dadurch aber nach Angaben von Drivy seinen Umsatz im Durchschnitt um 130 Euro im Monat steigern.

„Europa ist eine Herausforderung“, sagt Dementhon. Jedes Land habe seine eigenen Regeln. Während in Frankreich jede fünfte Vermietung mit einem Auto stattfinde, das ausschließlich für Drivy genutzt werde, müsse ein Fahrzeug in Deutschland für eine gewerbliche Nutzung ganz anders angemeldet werden. Trotzdem will Drivy auch hier stärker in die gewerbliche Nutzung vorstoßen und spricht nach eigenen Angaben darüber mit Autoherstellern, sodass Nutzer ihre Fahrzeuge beispielsweise günstiger leasen könnten.

Dass die Autohersteller daran Interesse haben könnten, zeigt auch der jüngste Vorstoß von Daimler mit seiner neuen Plattform Croove, die genau wie Drivy private Mieter und Vermieter zusammenbringen soll. Der Pilotversuch startet vorerst in München. Daimler-Chef Dieter Zetsche nannte Croove das „Airbnb für Autos“ und scherzte: „Was ganz sicher alle Menschen teilen wollen, sind ihre monatlichen Ausgaben.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Drivy