Ein Artikel von Regine Haschka-Helmer, Gründerin der Berliner Seedlab GmbH, und Klemens Dreesbach, Global Strategy Lead bei Microsoft International.

Was ist ein CDO und was gehört zu seine Aufgaben?

Mc Donald’s, Toyota, Starbucks, Nestlé und L’Oreal haben bereits einen. Zahlreiche deutsche Unternehmen überlegen derzeit, ob sie einen einstellen sollen, andere denken schon wieder darüber nach, ihn abzuschaffen: den Chief Digital Officer, ein Neuzuwachs auf Vorstandsebene.

Aber was genau macht ein CDO eigentlich und warum wird so viel über Sinn und Unsinn dieser Position diskutiert? Stefanie Waehlert muss es wissen – sie ist Chief Digital Officer bei TUI Deutschland und hat „Our digital journey“, die digitale Zukunftsstrategie der TUI, in ihren ersten Monaten entworfen. Sie sagt:

„Der CDO im Sinne der TUI Deutschland ist derjenige, der die Online-Strategie entwickelt, die digitale Transformation von der Business-Seite her vorantreibt und das E-Commerce-Geschäft verantwortet. Der CDO ist Stratege, Umsetzer, Change Manager und Impulsgeber in einem. Er verzahnt das gesamte Unternehmen, damit die Customer Journey on- wie offline ein überzeugendes Kauf-, Service- und Reiserlebnis wird.“

Grundsätzlich kümmert sich der CDO also um die digitale Transformation in einem Unternehmen und zwar mit einem eigenen Sitz im Vorstand. Und den braucht er oder sie auch, um überhaupt handlungsfähig zu sein. Denn es werden auch durchaus bestehende Business-Modelle hinterfragt und neue Produkte und Services oftmals erst durch die Digitalisierung ermöglicht.

Die Aufgaben eines CDOs umfassen die Erarbeitung einer eindeutigen Strategie zur Digitalisierung des Unternehmens und deren Umsetzung:

  • Prozesse: Wie können durch Digitalisierung interne Prozesse effizienter gestaltet werden und welche Voraussetzungen wie Strukturen oder Technologie müssen dafür geschaffen werden?
  • Marketing & Sales: Definition der Digitalstrategie für Marketing, Kommunikation und Sales. Welche digitalen Kanäle werden genutzt? Welches Budget wird dafür zur Verfügung gestellt? Wie kann die Kundenakquisition, Support und Vertrieb über digitale Kanäle effizienter gestaltet werden? Wie kann der Absatz über digitale Kanäle gesteigert werden? Wie sieht die Social-Media-Strategie des Unternehmens aus?
  • Digitale Produkte und Services: Der CDO ist gefordert, die Potentiale durch Digitalisierung zu identifizieren, und für das Unternehmen zu nutzen. Dazu gehören auch die Entwicklung von neuen digitalen Produkten und Services die zum einen neue Einnahmequellen für das Unternehmen erschließen und zum anderen auch die Kundenzufriedenheit steigern.
  • Big Data: Welche Daten werden im Unternehmen gesammelt und wie werden sie ausgewertet und verwendet?
  • Know-how und Kultur: Welches Know-how muss bei den Mitarbeitern im Unternehmen vorhanden sein, um die Themen intern auch umsetzen zu können? Welche neuen Arbeitsmethoden und Tools können eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit im Unternehmen zu verbessern und die digitale Transformation voranzutreiben?

Von der Digitalisierung betroffen sind dabei alle Unternehmensbereiche: von den Mitarbeitern und ihren Kompetenzen über die internen Prozesse und Strukturen bis hin zu den Absatzwegen und Kommunikationskanälen. Dabei muss der CDO in gleichen Teilen als Treiber wie auch als Mediator vorgehen.

Er muss einerseits die bestehende Ordnung in Frage stellen, andererseits die Mitarbeiter aller Abteilungen auf die digitale Reise mitnehmen und ständig und überall für seine Vision werben. Dabei hat er oder sie die wirksamen, nämlich quantitativen Argumente auf seiner/ihrer Seite. Denn alles, was ein CDO bewirkt oder auch nicht, kann beziehungsweise muss sich durch Datenanalyse, oftmals in Echtzeit, belegen lassen. Waehlert:

„Um die digitale Transformation im Unternehmen voranzutreiben, gibt es eine firmeninterne Wachstumsstrategie für die kommenden fünf Jahre. An der Ausarbeitung dieser Strategie waren alle Unternehmensbereiche beteiligt.“

Was für ein Profil muss ein erfolgreicher Kandidat mitbringen?

Der Engländer nennt es elegant einen „Jack of all trades“ oder, branchennäher formuliert, ein „All-in-one device suitable for every purpose“. So zumindest fühlt sich manch ein CDO. Denn er oder sie muss sehr viel mitbringen und so einiges können. Den Chief Digital Officer als IT-Manager mit technischem Hintergrund zu sehen, wäre nicht nur viel zu kurz gegriffen sondern schlichtweg falsch. Sie kommen aus allen möglichen Bereichen: Betriebs-, und Volkswirtschaft, Kommunikation, IT, Verwaltung, Produktentwicklung, Dienstleistung und mehr.

Allen gemein ist, dass sie zahlreiche, belastbare und langjährige Erfahrungen in der digitalen Welt in Führungspositionen gesammelt haben. Es sind auch viele dabei, die selbst digitale Produkte entwickelt, verkauft und auch schon mal ein Startup gegründet haben. Waehlert:

„Der CDO sollte umfassende Erfahrung im E-Commerce haben sowie in den mobilen Umfeldern, und schon verschiedene digitale Geschäftsmodelle selbst verantwortet und weiterentwickelt haben. BWL-Know-how ist die Basis, aber auch das technische Grundverständnis, um entsprechend mit dem CIO zu interagieren und die Anforderungen an die IT formulieren zu können, gehört dazu. Zudem ist sehr hilfreich, wenn bereits erste Erfahrungen in umfassenden Transformationsprozessen mitgebracht wird. Der Leadership-Stil sollte modern sein: offen, transparent, hierarchielos, agil und kooperativ. Außerdem hilft es sehr, wenn man in unterschiedlichsten Unternehmensgrößen gearbeitet hat: Startup, Mittelstand und Konzern.“

Der CDO muss natürlich auch Leidenschaft mitbringen; das heißt, es braucht ein grundlegendes technisches Verständnis und ein großes Interesse daran, was man mit neuer, innovativer Technologie realisieren kann. Auch einen guten Überblick über aktuelle digitale Trends sowie ein tiefes Verständnis von Nutzerbedürfnissen muss er/sie mitbringen.

Wichtig: Ohne datenbasierte Entscheidung ist hier nichts machbar. Ein CDO muss ein hohes Maß an Affinität und Verständnis für Daten und deren Analyse haben. Vor allen anderen Dingen muss ein CDO jedoch wirklich beseelt sein von der Digitalisierung und ihrem Potential. Er braucht viel Energie, Mut und Überzeugungskraft, denn Veränderung ist nicht für alle Mitarbeiter in einem Unternehmen positiv. Durch die Transformation entstehen zwar oftmals neue Möglichkeiten. Aber ebenso muss man sich gelegentlich von altgeliebten verabschieden und neue Wege gehen.

CDO vs. CIO – neuer Player auf dem Feld oder Rollenwandel?

Eine aktuelle, recht kontrovers geführte Diskussion lautet: Kann denn nicht der Chief Information Officer (CIO) den Job des CDOs machen? Hier muss man etwas genauer hinschauen, um sich ein umfassendes Bild machen zu können: Der CIO kommt in aller Regel aus der Informationstechnologie und verfügt über eine hochspezialisierte Fachausbildung. Digitale Transformation wird zwar durch Technologie ermöglicht beziehungsweise getrieben, umfasst aber sehr viel mehr als nur IT.

Wer den Nutzer nicht versteht oder keine Erfahrung im Gestalten von digitalen Business-Modellen hat, der wird es an dieser Stelle schwer haben. Digitalisierung betrifft wie gesagt alle Unternehmensbereiche und alle Prozesse; und zwar als Disrupter und nicht als Dienstleister. Hier wird unter Umständen ein anderes Mindset benötigt. In die aktuelle Diskussion mischen sich weitere neue Rollen wie beispielsweise die des Chief Marketing Technologist (CMT) oder Chief Marketing Engineer (CME) und zahlreiche andere.

Hier ist im Moment viel im Fluss; eines ist sicher: Es kommt Bewegung in die Vorstandspositionen. Eine mögliche Betrachtungsweise laut Stefanie Waehlert:

„Je nach Reifegrad der digitalen Transformation in den Unternehmen sind der CDO und CIO mindestens die ersten fünf Jahre ein enges Team. Der CDO ist dabei meiner Meinung nach eine Imterimsrolle, die nach erfolgreicher digitaler Transformation nicht mehr benötigt wird. Der CCO (Verantwortung stationärer Vertrieb und E-Commerce) und der CIO übernehmen ab da. Möglich ist, dass der CDO die Rolle des CCOs übernimmt und Marketing dort mit integriert wird.“

Welche Unternehmen brauchen einen CDO und warum?

Grundsätzlich muss sich jedes Unternehmen, egal welcher Branche es angehört, wie viele Mitarbeiter es beschäftigt, welche Produkte und Services es verkauft und unabhängig davon, wie viel Umsatz es macht, einer Digitalisierung unterziehen. Um diesen Prozess, der oftmals als digitale Transformation bezeichnet wird, erfolgreich durchführen zu können, wird sowohl Kompetenz als auch Handlungsspielraum und Leadership-Buy-In benötigt.

Hierzu braucht es in größeren Strukturen die Position des CDO. Stefanie Waehlert empfiehlt:

„Unternehmen, deren DNA nicht das Online-Business ist, die jedoch um zukünftiges Wachstum abzusichern, das digitale Geschäft ganzheitlich entwickeln wollen und das eng verzahnt über alle Kanäle (on- wie offline), benötigen einen CDO.“

Tipps von jemandem, der’s wissen muss

„Digitale Transformationen sind nichts für Sprinter, hier sind Marathonläufer-Qualitäten gefragt, die viel Geduld und einen langen Atem benötigen. Entscheidend ist, dass das gesamte Leadership-Team diesen Weg über fünf bis sieben Jahre unterstützt und die notwendigen Investments freigibt. Eine digitale Transformation kann nur erfolgreich sein, wenn alle im Unternehmen eng verzahnt an dieser Vision festhalten und sich zusammen diesen neuen Weg erarbeiten.“

Die digitale Transformation ist also ein Thema, das alle Bereiche und Unternehmen betrifft, nachhaltig Prozesse verändert und völlig neue Geschäftsmodelle entstehen lässt. Die Schnelligkeit, mit der ein digitaler Wandel stattfindet, überfordert die bestehenden Unternehmensstrukturen, die auf solche umwälzende Veränderungen im bestehenden Geschäft nicht ausgerichtet sind.

Die Anforderungen sind hoch und werden an alle Bereiche des Unternehmens gestellt: Von Unternehmenskultur, über Produktionsprozesse bis hin zu Marketing und Kundenkommunikation, überall sind tiefgreifende Veränderungen nötig.

Neben dem operativen Geschäft schafft es kaum ein Manager, sich diesen Herausforderungen zu stellen, obwohl der Wert eines Unternehmens künftig noch stärker anhand der unternehmenseigenen digitalen Assets bemessen wird, denn die Digitalisierung bietet auch viel Potential für Unternehmen. Für diese Herausforderungen wurde eine neue Position geschaffen: der CDO.

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