Via Crowdfunding wird die Privatperson zum Investor, die sich mit kleineren Geldbeträgen am Erfolg aufstrebender junger Unternehmen beteiligen kann. Vor ungefähr zwei Monaten stellte Gründerszene mit Seedmatch (www.seedmatch.de) einen der ersten deutschen Crowdfunding-Anbieter vor. Ob das Modell einer Startup-Finanzierung durch die Crowd hierzulande angenommen wurde oder bereits flopte, resümiert Seedmatch-Gründer und -Geschäftsführer Jens-Uwe Sauer im Interview.

interview, jens-uwe sauer, seedmatch, crowdfunding-platttform

Hallo Jens-Uwe, kannst Du dich bitte kurz vorstellen?

Hallo, ich bin Gründer und Geschäftsführer von Seedmatch und kümmere mich neben dem Unternehmensaufbau und der Führung meines Teams vor allem um die Auswahl und Prüfung der Startups. (Stand 11/2011)

Kannst du bitte kurz erzählen, was seit dem Start von Seedmatch alles passiert ist?

Mit dem Start der Plattform haben wir viel Aufmerksamkeit und positives Feedback bekommen. Das spiegelt sich auch in den User-Statistiken wieder. So ist die Zahl der registrierten Investoren auf über 1.900 gestiegen und wir konnten seit August über 45.000 Visits verzeichnen. Bisher wurden insgesamt über 160.000 Euro von rund 200 Investoren zusammengetragen. Hinzu kommt, dass sich fast täglich Gründer mit spannenden Ideen bei uns melden, die durch die Crowd finanziert werden wollen. Diese sind von dem neuen Finanzierungsmodell begeistert und freuen sich darauf, ihre Investoren und somit potentiellen Kunden von Anfang an mit einzubeziehen.

Cosmopol (www.cosmopol-shop.com) und NeuroNation (www.neuronation.de) sind die ersten beiden Startups, die diesen neuen Weg der Finanzierung per Crowdfunding gegangen sind. Erfreulicherweise wurden beide Projekte erfolgreich abgeschlossen. Damit konnten wir zeigen, dass Crowdfunding für Startups auch in Deutschland funktioniert und es hierzulande ein Interesse an selbstbestimmten und transparenten Beteiligungen an jungen Unternehmen gibt. Darüber hinaus haben sich bei Cosmopol und NeuroNation neue Kooperationen ergeben. NeuroNation arbeitet nun mit Professoren der FU Berlin und TU Dortmund zusammen und Cosmopol konnte einige größere Aufträge im B2B-Bereich an Land ziehen.

Als drittes Startup hat BluePatent (www.blueplanet.de) die Finanzierung über Seedmatch begonnen. BluePatent betreibt eine Crowdsourcing-Plattform für Schutzrechtsrecherchen, die Unternehmen hilft, auf einem neuen Weg blockierende Patente der Konkurrenz zu beseitigen oder Plagiate eigener Produkte aufzuspüren. Mit diesem – aus unserer Sicht – sehr smarten und absolut neuartigen Konzept ist BluePatent Vorreiter in Europa.

Die beiden ersten Startups auf Seedmatch mussten vor dem letztlichen Erfolg jedoch beide in die Verlängerung um 30 Tage gehen. Cosmopol war mit knapp 75% dabei schon nahe dem Ziel.

Wo siehst Du die Gründe, warum es nicht geklappt hatte, die notwendigen 100% in den regulären 60 Tagen zu erreichen?

Wie viele andere neue Konzepte braucht auch Crowdfunding für Startups etwas Zeit, um bekannt zu werden und die anfängliche Zurückhaltung abzubauen. Dies ist insofern eine Herausforderung, da Crowdfunding das Potential hat, bestehende Strukturen der Startup-Finanzierung zu verändern und zu bereichern. Erstmalig kann der User mitentscheiden, welche Unternehmenskonzepte und Geschäftsmodelle gefördert werden und welche Produkte den Markt von morgen mitgestalten.

Es ergibt sich eine bisher nicht dagewesene Win-Win-Situation: Die Investoren sind am Erfolg des Startups interessiert und werden zu Multiplikatoren, wenn sie in ihrem sozialen Umfeld über die Produkte und Innovationen berichten oder gar selbst nutzen. Die Gründer sorgen mit ihrer Umsetzung dafür, dass das Unternehmen sich erfolgreich entwickelt und wächst. Von dieser Wertsteigerung profitieren dann wiederum die Investoren.

Hinzu kommt, dass gerade hier in Deutschland die Skepsis gegenüber neuen Geldanlagemöglichkeiten naturgemäß größer ist als in anderen Ländern, wo Crowdfunding für Startups bereits erfolgreich funktioniert. Deswegen wollen wir zeigen, dass man neben der attraktiven Renditeerwartung in vielerlei Hinsicht von einem Investment profitiert. Sei es durch die Vergünstigungen bei den Startups oder durch das Gefühl, ein Produkt unterstützt zu haben, was das eigene Leben und das vieler anderer Menschen künftig erleichtert oder verbessert.

Einige Investoren hatten sich von den ersten Projekten auch mehr Innovation oder Technologien gewünscht. Wir haben uns aber für den Anfang bewusst für zwei bodenständige Unternehmen mit leicht nachvollziehbaren Geschäftskonzepten entschieden. Wie mit BluePatent bereits gezeigt wird, sind die kommenden Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen, so dass jeder seine Favoriten finden kann.

Welche Maßnahmen hattet Ihr ergriffen, damit beide Unternehmen doch finanziert werden?

Zum einen hatten wir uns noch mal verstärkt darauf konzentriert, alle offenen Fragen der User zu beantworten und die komplexeren Zusammenhänge für jeden verständlich zu erklären. Denn wenn jemand etwas nicht versteht, findet er keinen Zugang und investiert nicht. Dem hatten wir mit der Offenlegung und der Vereinfachung der Anmelde- und Investment-Prozesse entgegenwirkt. Am meisten sind wir dabei auf die Berechnung der Renditechancen, auf das Zustandekommen der Unternehmensbewertung und auf die rechtlichen Aspekte sowie Vorteile einer stillen Beteiligung eingegangen.

Zum anderen hatten wir in den finalen Wochen die Geschäftskonzepte von Cosmopol und NeuroNation noch einmal in der Tiefe vorstellt und gezeigt, dass beide Unternehmen viel mehr sind als nur „ein weiterer“ Online-Shop oder „ein weiteres“ Gehirnjogging. Beide Unternehmen haben interessante Geschäftsmodelle, einen hohen Kundennutzen und ein starkes Kooperationsnetzwerk.

Und letztlich hatten wir noch einige Presseberichte und auch BluePatent hat neuen Wind auf die Plattform gebracht. Davon haben auch die beiden anderen Startups profitiert.

Mit BluePatent habt Ihr nun zum ersten Mal ein B2B-Unternehmen auf der Plattform. Wie wollt ihr es schaffen, dieses doch eher komplexe Thema der Patentrecherchen allen Investoren näher zu bringen?

Das Geschäftsmodell von BluePatent ist auf den zweiten Blick gar nicht so kompliziert – im Gegenteil: je mehr man sich damit beschäftigt und den Businessplan einmal genauer liest, desto spannender wird es. Im Wesentlichen geht es bei BluePatent um zwei Dinge: Das Aufdecken von zu Unrecht erteilten Patenten und das Aufspüren von Plagiaten. Diesen ganzen Prozess nennt man Schutzrechtsrecherchen, die normalerweise sehr viel Geld kosten. Ohne diese Recherchen können aber die Unternehmen nicht frei agieren, was letztlich die ganze Wirtschaft hemmt.

BluePatent löst nun dieses Problem, indem es die Recherchen an eine weltumspannende Experten-Community per sogenanntem Crowdsourcing auslagert. Das hat neben den geringeren Kosten den weiteren Vorteil, dass nun auch Dokumente zum Entkräften von Patenten und Plagiate mit einer viel höheren Erfolgswahrscheinlichkeit aufgespürt werden können, die rund um den Globus in allen Sprachen und Fachbereichen und sogar in auf dem Markt erhältlichen Produkten verteilt sind.

In unserem Seedmatch Blog haben wir eine Serie gestartet, in der wir die Produkte von BluePatent anhand von berühmten Fällen der Vergangenheit und aktuellen, spannenden Beispielen der Gegenwart erklären. Zudem planen wir Video-Interviews, in denen die Gründer noch einen tieferen Einblick in ihre Arbeit geben.

Was können die Startups generell künftig noch verbessern, um auf der einen Seite mehr Aufmerksamkeit und auf der anderen Seite Vertrauen für ein Investment aufzubauen?

Die Gründerteams müssen während der gesamten Fundingzeit für ihr Projekt und die Finanzierung auf allen möglichen Kanälen lautstark trommeln. Dabei ist auch Kreativität gefragt, was erfolgreich finanzierte Crowdfunding-Projekte aus anderen Ländern bestätigen. Mit viralen Aktionen und gezielter Pressearbeit haben Startups zudem auch ohne großes Budget für Marketingmaßnahmen eine gute Chance, Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Darüber hinaus ist es wichtig, mit den Investoren in den Dialog zu treten und Fragen offen und schnellstmöglich zu beantworten. Während der Fundingzeit empfiehlt sich zudem, immer wieder über aktuelle Entwicklungen zu berichten und somit den Investoren einen Einblick in die Arbeitsweise des Startups zu geben und zu zeigen, was das Geschäftsmodell und das Team so besonders macht.

Wie geht es weiter? Welche Startups werden folgen und wann?

BluePatent hat Ende Oktober die Finanzierung über Seedmatch begonnen. In den kommenden Wochen werden wir die Gründer in der Kommunikation unterstützen, um möglichst viele Investoren zu begeistern und von der Geschäftsidee zu überzeugen.

Zudem befinden sich ein knappes Dutzend sehr interessanter Startups in der Pipeline. Den genauen Starttermin der nächsten Projekte können wir jedoch noch nicht genau sagen, da jedes Startup seine eigene Geschwindigkeit hat und wir immer erst dann neue Projekte bekanntgeben wollen, wenn alles vorbereitet ist. Aber soviel sei gesagt, ein regelmäßiger Blick auf die Plattform lohnt sich.

Crowdfunding hat das Potential, die Startup-Finanzierung grundlegend zu verändern. Dies funktioniert aber nur, wenn genügend Menschen mitmachen. Was plant Ihr in Zukunft, um noch mehr Menschen für ein Startup-Investment zu begeistern?

Als erstes wollen wir dafür sorgen, dass die Chancen und Potentiale von Startup-Investments hierzulande noch bekannter werden. Denn Crowdfunding für Startups ist mehr als nur eine emotionslose Geldanlage: Jeder kann dafür sorgen, dass mehr innovative Ideen umgesetzt werden. Seedmatch schlägt folglich hierzulande ein neues Kapitel bei der Startup-Finanzierung auf. Denn zum ersten Mal wurden junge Unternehmen nicht mehr nur durch übliches Beteiligungskapital finanziert, sondern online durch Privatpersonen. Crowdfunding für Startups bietet somit die Möglichkeit, den Beteiligungskapitalmarkt ein Stück weit zu demokratisieren.

Weiterhin sehen wir eine Chance, mit Seedmatch das unliebsame Thema Investments mehr Menschen näher zu bringen und sie dafür zu gewinnen. Grundlage bildet die neue Herangehensweise und eine hohe Transparenz. Beim Crowdfunding für Startups kann jeder selbst und individuell entscheiden, an welchen jungen Unternehmen er sich beteiligt. Zudem bekommen die Investoren einen genauen Einblick, was mit dem eigenen Geld im Unternehmen passiert und haben die Möglichkeit, mit den Gründern in den Dialog zu treten. Wir sind dazu immer auf der Suche nach Startups mit Begeisterungspotential, so dass die Investoren immer wieder neue spannende Konzepte für sich entdecken können.

Als dritten großen Punkt verbessern wir die Usability der Plattform. User sollen einfach an alle nötigen Informationen kommen. Wir wollen, dass für die Investoren alle Prozesse und Verträge bei Seedmatch nachvollziehbar und verständlich sind – sowohl für Investoren, die schon Erfahrung in diesem Bereich haben, als auch für Leute, für die Startup-Investments erst mal neu sind. Jetzt braucht es viele First-Mover, damit sich Crowdfunding für Startups auch hierzulande erfolgreich etablieren kann.

Jens-Uwe, vielen Dank für das Gespräch!