Wenn es um die neuen Mobilitätsdienste geht, kommt BMW-Chef Harald Krüger schon mal ins Schwärmen: Mit dem Carsharing-Anbieter DriveNow binde der Münchner Autobauer nicht nur potenzielle künftige Kunden an das Unternehmen, sondern könne auch seine E-Autos ganz neuen Nutzern vorstellen.

„Wir wissen das aus DriveNow-Daten: Wir haben Kunden, die vor fünf Jahren als DriveNow-Nutzer begonnen haben und dann ein Auto gekauft oder geleast haben, weil sich ihre Lebenssituationen verändert haben“, erzählte Krüger vor einigen Wochen beim Autosalon in Genf. „Wir können i3s in die DriveNow-Flotten stecken, und damit erleben auch Menschen Elektromobilität, die sie sonst nicht erlebt hätten.“

Das alles klingt nach einer ziemlich wichtigen Sparte des Konzerns für die Zukunft, die man besser nicht mit der Konkurrenz teilen sollte. Und doch läuft momentan alles auf ein solches Geschäft hinaus. Schon seit einigen Monaten verhandelt BMW mit dem bisher schärfsten Konkurrenten Daimler über eine Zusammenlegung der Mobilitätsdienste beider Konzerne. Herzstücke wären die Carsharing-Angebote DriveNow und Car2Go.

Konkurrenz kommt aus dem Silicon Valley

Während Daimler Car2Go allein betreibt, kooperiert BMW für DriveNow schon jetzt mit dem Mietwagenunternehmen Sixt. In der vergangenen Woche meldete das „Manager Magazin“, dass die Verhandlungen über eine Fusion zu einem gemeinsamen Unternehmen Fortschritte machen. Tatsächlich läuft auch nach Informationen der Welt aus Unternehmenskreisen derzeit alles auf eine Zusammenlegung hinaus.

Quelle: Infografik Die Welt

Doch warum wollen die beiden Wettbewerber ausgerechnet auf einem so zukunftsträchtigen Feld zusammenarbeiten? „Die härteste Konkurrenz der Zukunft sitzt nicht in Stuttgart“, sagt ein Münchner Automanager. Stattdessen schaut die Industrie vor allem auf die Wettbewerber aus dem Silicon Valley. Hinter den Fusionsplänen für DriveNow und Car2Go steckt auch die Erkenntnis, dass BMW und Daimler im Zweifel mehr gemeinsame Interessen haben als mit Uber oder Google.

Die Angst der Autobauer scheint nicht unbegründet: Sollte die Zukunft tatsächlich selbstfahrenden Roboterauto-Flotten gehören, könnten BMW und Daimler schnell beide zu reinen Hardware-Lieferanten für die Digitalkonzerne werden. Um das zu verhindern, werden derzeit Kooperationen möglich, die noch vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hat.

„Wir sehen neue Allianzen, die früher undenkbar waren“

Auf die laufenden Verhandlungen angesprochen, wurde BMW-Chef Krüger in Genf ziemlich wortkarg. Noch ist das Geschäft nicht in trockenen Tüchern, alles kann auch noch scheitern. Deshalb sprach Krüger stattdessen lieber allgemein darüber, wie sich das Verhältnis zu bisherigen Konkurrenten allgemein verändert. „Wir sehen neue Allianzen, die früher undenkbar waren“, sagte er.

Tatsächlich wäre das Carsharing-Bündnis nicht der erste Fall: Zusammen mit Daimler, Volkswagen und Ford wollen die Münchner derzeit ein Netzwerk von Schnellladestationen aufbauen, auch den Kartendienst Here, der als unverzichtbar für das autonome Fahren gilt, kaufte BMW zusammen mit Daimler und Audi. „Die Digitalisierung verlangt neue Allianzen“, sagte Krüger. „Da hätte man vor zehn Jahren gesagt: Das passiert nie.“

Das liegt auch daran, dass die Technologien der Zukunft extrem hohe Investitionen nötig machen. Allein für den Kartendienst Here – nur ein Mosaikstein bei der Entwicklung selbstfahrender Autos – mussten die Konzerne knapp drei Milliarden Euro hinlegen. Doch schon damals half die Angst vor der Übermacht eines Tech-Konzerns, die Gräben in der deutschen Autoindustrie zu überbrücken.

Noch viele Fragen offen

Dass man sich zusammentat, lag vor allem an Google, erzählt ein Autovorstand. Man habe Indizien gehabt, dass der Suchmaschinen-Gigant Here kaufen wollte. Dann hätte Google quasi ein Monopol auf hochauflösende Karten gehabt, die man unbedingt für selbstfahrende Autos braucht. Um das zu verhindern, habe man gemeinsam zugeschlagen.

Die Motivation für die mögliche Fusion von DriveNow und Car2Go ist nun ähnlich. Der Aufbau der Carsharing-Dienste und die Entwicklung des technischen Know-hows kosten viel Geld. Um Uber, Google oder Apple auch in Zukunft Paroli bieten zu können, ergibt es unter Umständen Sinn, sich zusammenzutun.

Noch sind zahlreiche Fragen zu klären: Welche Dienste sollen in das gemeinsame Unternehmen eingebracht werden? Wie viel sind DriveNow und Car2Go wert? Und soll es künftig einen gemeinsamen Namen geben?

Sixt hat ein Vetorecht

Doch der heikelste Punkt auf dem Weg zum deutschen Anti-Uber-Dienst wird die Beteiligung des Mietwagenunternehmens Sixt. Vorstandschef Erich Sixt hatte schon vor einigen Wochen klargemacht, dass er – zumindest offiziell – nicht viel von einer Fusion hält. „Car2Go macht nach unserem Kenntnisstand unvorstellbare Verluste“, sagte er. „Wir können uns nicht vorstellen, wie eine Zusammenarbeit zwischen Daimler und BMW überhaupt aussehen soll. Wir sind komplett entspannt.“

Die gesamte Infrastruktur und IT-Technik von DriveNow liege bei Sixt, BMW stelle nur die Fahrzeuge. Sixt habe ein Vetorecht bei etwaigen Annäherungsversuchen von BMW und Daimler. Damals warnte Sixt sogar: „Auch Sixt kann Carsharing jederzeit betreiben. Wir könnten morgen früh starten. Wir hätten die größte Carsharingflotte zur Verfügung, die es gibt.“

Doch laut dem „Manager Magazin“ gibt es hinter den Kulissen Bewegung. Sixt wolle offenbar auch nach einer möglichen Fusion von Car2Go und DriveNow beteiligt bleiben. Erich Sixt machte klar, dass er an die Zukunft des Carsharings glaubt: „Wir haben ein großes Interesse, hier ein Juwel aufzubauen“, sagte er. Am Ende könnte es vor allem um die Bewertung der verschiedenen Unternehmen gehen, die unter einem Dach zusammengeführt werden sollen, und damit um die Frage, wie groß der Anteil würde, den Sixt an der gemeinsamen Firma bekommen könnte.

Das Analysehaus Warburg habe bereits vor Jahren DriveNow mit insgesamt 340 Millionen Euro bewertet, sagte Sixt vor einigen Wochen. „Inzwischen sind wir Marktführer“, also sei der Preis höher. Inzwischen soll man in München sogar von einer Bewertung von 480 Millionen Euro ausgehen. Zumindest das hätten Uber und DriveNow damit schon mal gemeinsam: eine Unternehmensbewertung, für die man viel Fantasie braucht.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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