Darknet

Der Täter von München soll seine Tatwaffe im sogenannten Darknet gekauft haben. Eine 9-Millimeter-Handfeuerwaffe Glock 17, wie das Bayerische Landeskriminalamt mitteilte. Die Tatsache, dass im Darknet nahezu jedermann relativ einfach an Drogen und Waffen käme, beschreibt die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) als „besorgniserregend“. Deshalb hat eine junge Kollegin für Gründerszene ausprobiert, wie schnell man auf die dunkle Seite des Netzes gelangt.

Und es ging schneller als gedacht: Für den Zugang zum Dunklen Netz wird lediglich ein spezieller Browser benötigt, der mit einer Verschlüsselungssoftware arbeitet. Er nutzt das sogenannte Onion-Routing, eine bekannte Anonymisierungstechnik, bei der Websites über mehrere Knoten geleitet und dabei verschlüsselt werden. Darknet-Domains tragen deshalb eine eigene Endung. Nur, wenn die Knoten zusammenarbeiten würden – was sie aber nicht tun – könnte die Identität des Nutzers dieser Inhalte offengelegt werden.

Auch für Journalisten und politische Aktivisten kann der Browser nützlich sein, wenn sie mit ihren Informanten anonym in Kontakt bleiben wollen. So schreiben es die Browser-Betreiber, die vor allem den Datenschutz und die Netzsicherheit ihres Projektes betonen. Ähnlich sieht das auch der britische Netzforscher Jamie Bartlett: „Das Darknet ist der Ort, an dem wir sicher sind. Wer weiß, vielleicht nutzen wir es bald alle.“ Das Darknet ist dadurch aber auch ein Anziehungspunkt für kriminelle Aktivitäten jeder Art.

Vom Deepweb-Radio direkt zu den Drogen-Dealern

Doch wie funktioniert das nun mit dem Einloggen? Komme ich da einfach so hinein? Eine frei verfügbare Anleitung führt mich zum Hidden Wiki, wie der Name verrät ein dem Original ähnelndes, heimliches Wikipedia. Der langsame Verbindungsaufbau erinnert an alte Modem-Zeiten. Wahrscheinlich ist der technische Aufwand zur Verschleierung der IP-Adresse dafür verantwortlich.

Schon bin ich drin. Und da ist auch schon der Supermarkt für streng verbotene Dinge. Ein Passwort ist nicht nötig, lediglich auf den Seiten der anonymen Anbieter ist zur Bestellung der Pistole, des LSD oder des Auftragskillers eine Registrierung mit einem Usernamen erforderlich. Achtung, wer jetzt hier bestellt, macht sich natürlich strafbar. Ob eine Lieferung dann tatsächlich stattfindet ist auch nicht klar. „Ermittlungen in diesem Bereich werden vor allem dadurch erschwert, dass die Täter dank sogenannter Nicknames im Darknet weitestgehend anonym handeln können“, sagte Carsten Meywirth, Leiter des Fachbereichs Cybercrime im Bundeskriminalamt (BKA), gegenüber RP Online.

Neben Waffen, Drogen und Sex begegnen mir immer wieder Pop-Ups mit Sicherheitshinweisen nach dem Motto: „Diese Seite versucht ein Bild von dir zu scannen, drücke „Nein“, wenn du das nicht zulassen willst“ oder „Die Maximierung des Browsers kann Webseiten die Bestimmung Ihrer Bildschirmgröße ermöglichen, um damit Ihre Spur zu verfolgen. Wir empfehlen Ihnen, das Browser-Fenster in seiner ursprünglichen Standardgröße zu belassen.“ Ich bin froh über die Hinweise – erkannt werden will ich natürlich bei meinem Ausflug in die Dunkelheit nicht.

Im Hidden Wiki findet man unzählige Links zu allen möglichen Themen: Von zunächst harmlos erscheinenden Blogs und Essays, einem anonymen Reddit, angeblich sicheren Email-Providern und einem Deepweb-Radio führt die Scroll-Funktion den Nutzer bis zu Drogen-Dealern, Profi-Hackern, Waffenhändlern und so weiter. Und das alles versteckt vor dem „richtigen“ Internet.

Eine Staatsbürgerschaft kostet 5.900 Dollar

Unter dem Reiter „Uncategorized“ geht es dann richtig zur Sache: Ein Link führt zu Informationen und PDFs zur Herstellung und Gebrauch von Waffen, Rauschgift und der Frage, wie man tötet. Die Verbindung zur Seite funktioniert zwar nicht, die Hidden-Wiki-Betreiber warnen allerdings vor einer Löschung von defekten Links, die Seiten wären schließlich nur „temporär nicht erreichbar“.

Der Reiter mit Links zu deutschen Websites, etwa einem taz-Archiv mit allen Ausgaben der Zeitung von 2009 bis heute. Die monatlich erscheinende Zeitschrift konkret wird mit dem Hinweis „vertritt weit links angesiedelte Positionen“ aufgeführt. Weitere deutsche Medien tauchen nicht auf.

Ich kann zum Beispiel für 5.900 US-Dollar, das sind genau 8,819 Bitcoins oder 5.369 Euro, eine amerikanische Staatsangehörigkeit kaufen. Nein, nicht nur eine, ich kann auch einfach die Anzahl der benötigten US-Pässe angeben. Dabei bleibt mir laut Beschreibung selbst überlassen, ob ich meinen richtigen Namen weiterhin verwenden will oder einen neuen erschaffen möchte. Über den Handelsweg macht der Anbieter keine Angaben. Internationale Lieferungen sollen möglich sein. „Wir können jedoch versichern, dass Sie mit unseren Papieren keinerlei Probleme haben werden.“ Kann man glauben. Muss man nicht.

Wir kommen der Waffen-Frage näher. Ein Link heißt „EuroGuns – Your #1 european arms dealer“. Dort gibt es eine Auswahl an Selbstladepistolen wie die Walther PPK Kaliber 7 für 600 Euro bzw. 0,984 Bitcoins.

Die Auftragskiller sind momentan nicht erreichbar

Die Suche nach der 9-Millimeter-Glock, die auch der Amokläufer von München hier erworben haben soll, bleibt jedoch erfolglos. Leichtes Surfen, wie wir es kennen, ist das nicht. Immer wieder treten Seitenlade- und Verbindungsfehler auf, das macht die Suche mühselig. Ein Netzwerk von Auftragskillern ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreichbar. Solche Entdeckungen machen mich fassungslos: Offensichtlich ist das Netzwerk sporadisch erreichbar – es ist tatsächlich möglich, einen Killer per Darknet zu engagieren. Dass es ein Darknet gibt, wusste ich immer. Darin online zu sein ist aber eine ganz neue Erfahrung.

Eine Website bietet 50-Dollar-Noten an. 25 50-Dollar-Noten sind für 600 echte US-Dollar zu haben. Oder dürfen es doch lieber 100 mal 50 Noten für schlappe 2000 US-Dollar sein? Ein echtes Schnäppchen, zahlt man doch weit weniger als die Hälfte des eigentlichen Wertes der Noten. Man erhält dafür allerdings auch nur Blüten. Vielleicht.

Interessant ist auch die Seite „Rent-A-Hacker“. Der Betreiber bietet „illegal hacking and social engineering“ und verspricht: „Seitdem ich 16 war, hatte ich nie einen richtigen Job und deshalb umso mehr Zeit, im Hacken richtig gut zu werden. In den vergangenen 20 Jahren habe ich damit richtig Geld gemacht.“

Es ist schon erstaunlich, wie unkompliziert der Zugang ins Darknet ist. Kein Problem für einen 18-Jährigen, der sich vorgenommen hat, sich eine scharfe Waffe zu besorgen. Wir konnten und wollten nicht testen, ob es mit der Lieferung der Waren tatsächlich hinhaut. Im Fall von David S. in München hat es wohl leider geklappt.

Foto: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von ✖ Daniel Rehn