Vor sechs Jahren machte Josephine Gaede Urlaub mit ihren Eltern am Comer See. In einem kleinen Laden entdeckte sie ein leuchtend gelbes Cape aus feiner Wolle. Zurück in Göttingen, wo die heute 28-Jährige damals noch für ihr erstes Juraexamen büffelte, waren ihre Studienfreundinnen begeistert von ihrem Kauf. Kurzerhand lieh sie sich 2.000 Euro von ihrem Vater und bestellte 100 Capes, die sie unter ihrem Bett stapelte und mit einem kleinen Gewinn weiterverkaufte. Innerhalb von sechs Wochen hatte Gaede alle Capes verkauft. So in etwa begann die erfolgreiche Geschichte ihres Startups namens Das Cape Mädchen.

Für alle, die nun nicht wissen, was ein Cape ist: Es ist eine Art Umhang aus Wolle, Loden oder anderen warmen, stabilen Stoffen. Die meisten Capes haben am Saum dekorative Fransen. Frauen tragen Capes beispielsweise auf Hochzeiten über dem Abendkleid oder im Herbst oder Frühling als Ersatz für eine Jacke oder einen Mantel. Viele Jahre war das Cape weitestgehend von der Bildfläche verschwunden, mittlerweile haben große Designer wie Burberry oder Chanel Capes in ihren Kollektionen. Auch bei H&M und Zara hängen sie wieder an den Stangen.

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Dass Capes in diesem Jahr wieder so angesagt sein werden, damit hatte Josephine Gaede nicht gerechnet. Wenige Monate nach der erfolgreichen Verkaufsaktion in Göttingen, im Mai 2010, ermutigte ein Freund sie, noch mehr Capes zu bestellen und über eine eigene Homepage zu verkaufen. Gaede folgte seinem Vorschlag und baute mit Hilfe von Freunden eine eigene Webseite auf. Die Capes bestellte sie weiterhin in dem kleinen Laden am Comer See. Vor allem Freundinnen, Schwestern oder Mütter von Freundinnen kauften zunächst bei ihr ein.

Das Geschäft lief vor sich hin, richtig viel Geld verdiente Gaede zunächst nicht. Bis sie bei einer Bestellung durch Zufall ein Etikett des Herstellers in dem Paket fand. Von da bestellte sie die Capes direkt dort – ohne Zwischenhändler und mit deutlich höheren Margen. Im Mai 2010 meldete sie ihr eigenes Gewerbe an. „Ich habe ganz langsam angefangen. Einfach zum Spaß. Und nur nebenbei“, erzählt Gaede, als wir sie in ihrer Kreuzberger Hinterhof-Wohnung besuchen, die lange auch ihr Showroom war. „Aber ich muss zugeben: Ich hatte schon immer Lust auf Geldverdienen. Ich habe auch schon vor Jahren mit Aktien gehandelt.“ Sie muss lachen.

In den Anfangsjahren verkaufte Gaede nur einfache Capes aus Wolle. Zweifarbig, zum Wenden. Für 140 Euro. Seit dem Abschluss ihres ersten Staatsexamens im Frühjahr 2013 kümmert sich Josephine Gaede hauptberuflich um Das Cape Mädchen. Seitdem hat sie zwei weitere Kollektionen gelauncht: Unter dem Namen „Großstadtindianer“ verkauft sie wärmere Capes aus Loden-Stoff mit Lederfransen, die Capes aus der Kollektion „Le plus belle du quartier“ sind türkis, pampelmusenrot oder pistanziengrün.

Mittlerweile verkauft Josephine Gaede um die 300 Capes im Monat. Im vergangenen Jahr machte sie so rund 200.000 Euro Umsatz. In diesem Jahr will sie den Umsatz noch einmal verdoppeln. Bisher sieht es gut aus: Im ersten Halbjahr konnte sie bereits 180.000 Euro umsetzen, die meisten Kunden kaufen im Herbst. Ein gutes Geschäft für die Unternehmerin, die bisher nur geringe Kosten gehabt hat: Erst seit kurzem hat Gaede einen Schreibtisch in einem Co-Working-Büro, das sie sich mit Startups wie Einhorn oder Sixtyone Minutes teilt. Im Herbst fängt ihre erste eigene Mitarbeiterin an. Bald will sie in ein eigenes Büro inklusive Showroom ziehen. Ihr kleines Geschäft finanziert Gaede durch Vorkasse – erst wenn das Geld auf ihrem Konto ist, wird die Ware verschickt. So ist Das Cape Mädchen immer profitabel, die neuen Bestellungen kann Gaede aus dem Cashflow finanzieren. „Ich denke wirklich gar nicht langfristig. Meistens mache ich Pläne bis übermorgen“, erzählt die Gründerin grinsend. „Ich setze mir keine Ziele und gehe lieber einen Schritt nach dem anderen.“

Bisher hat ihre Taktik gut funktioniert. Das Gute an ihrem Geschäft: Die Retourenquote ist sehr niedrig, denn ein Cape passt immer. Nur wenige Kunden schicken die Produkte zurück. „Bei 50 Capes, die ich verschicke, habe ich vielleicht eine Retoure“, erzählt Gaede. Außerdem setzt die Gründerin auf den persönlichen Kontakt mit den Kunden – mit jedem Käufer schreibt sie für eine Bestellung mehrere Mails hin und her. Einen richtigen Onlineshop hat sie nämlich noch nicht. „Ich glaube, meinen Kunden ist der persönliche Austausch total wichtig. Im Online-Handel wird meiner Meinung nach häufig übersehen, dass einige Menschen auch gerne direkten Kontakt mit dem Verkäufer haben wollen“, berichtet Gaede. Einigen gibt sie sogar noch eine persönliche Farbberatung. Die Belohnung: Begeisterte Danke-Mails, wenn das Paket ankommt und Fotos mit dem Cape.

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Auch viele große Kaufhäuser in Deutschland, darunter das KaDeWe in Berlin oder das Alsterhaus in Hamburg, vertreiben ihre Produkte. Reichweitenstarke Frauenzeitschriften wie Elle, Brigitte oder das Zeit Magazin haben die Capes schon abgelichtet. Für Gaede war es jedes Mal ein Verkaufs-Boost. In diesem Herbst wollen noch viel mehr Magazine über Das Cape Mädchen schreiben. Die Redakteure haben schon angefragt.

Parallel plant Gaede, einen weiteren Shop gemeinsam mit ihrer Mutter aufzubauen. Mit schönen Mitbringseln aus dem Urlaub – bunte Kissenhüllen, Keramik oder edle Armreifen. Vielleicht fahren die beiden dafür auch noch mal zu dem kleinen Laden an den Comer See.

Bild: Das Cape Mädchen