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Abfotografierte Produkte: Das ist das Erfolgsrezept von „Caros Schmink Eckchen“

Beim Stichwort Instagram Influencer dürften viele gleich Bilder von jungen, schlanken und attraktiven Frau im Kopf haben, in modischer Kleidung an exotischen Orten fotografiert. Doch seit einiger Zeit ist auf der Bilderplattform auch eine neue Generation von Beauty Bloggern aktiv, die sich kaum selbst als Personen inszenieren, sondern hauptsächlich neue Kosmetikprodukte (teilweise sogar direkt im Ladenregal) abfotografieren und damit durchaus ansehnliche Reichweiten erzielen. Online Marketing Rockstars hat mit einigen von ihnen gesprochen.

Klickt man sich als Mensch, der sich nicht täglich mit den neuesten Kosmetik- und Körperpflegeprodukten beschäftigt, durch Instagram-Accounts wie „labeautyblog“ (89.000 Follower), „annax1303“ (60.000 Follower), „isabellaful“ (42.000 Follower) oder „carosschminkeckchen“ (32.000 Follower), kann das zunächst eher befremdlich wirken: Bild um Bild sind dort hauptsächlich nur Körperpflege- und Kosmetikartikel abgebildet. Manchmal ist eine Hand im Bild zu sehen, mit frisch lackierten Nägeln, ab und an zeigen sich die Account-Betreiberinnen auch mal selber. Doch in der Regel stehen ganz allein industriell hergestellte Kosmetikprodukte im Vordergrund. 

Die Erfahrung wirft Fragen auf: Ist der Konsumfetisch auf dem Höhepunkt und der Kapitalismus in der Endphase angelangt? Wer kann so viel Kosmetik- und Beauty-Artikel überhaupt benutzen? Und warum folgen Profil-übergreifend wahrscheinlich Hunderttausende Menschen solchen Accounts? 

Die mittlerweile 19-jährige Sarah aus München (ihren Nachnamen wollte sie uns nicht nennen) betreibt bereits seit 2013 unter dem Namen „blaunahmlich“ ihr Instagram-Profil. „Damals gab es einen unheimlichen Hype um Beauty-Youtuber“, erklärt sie gegenüber OMR. Sie selbst interessiere sich auch für Kosmetik- und Beauty-Produkte; selbst einen Youtube-Kanal zu eröffnen kam für sie offenbar aber nicht in Frage: „Ich wollte mich nicht selbst ins Rampenlicht stellen. Ich hätte auch weder das Selbstbewusstsein, noch die Zeit gehabt, mich selbst vor die Kamera zu stellen.“

1.000 neue Abonnenten pro Woche

So beginnt sie damit, Produkte für einen Instagram-Account abzufotografieren. Heute gehe sie etwa einmal pro Woche in die Drogerie und schaut dort nach neuen Produkten. Die Posts versieht sie meist mit einem kurzen, rezensionsartigen Text sowie naheliegenden Hashtags, wie etwa dem Herstellernamen.

Nach einem Jahr hat sie etwa 2.000 Follower. Irgendwann traut sie sich, auch nach diversen entsprechenden Anfragen von Followern, erstmals ihr Gesicht zu zeigen. „2015 gab es dann ein krasses Wachstum, da kamen fast jede Woche 1.000 neue Abonnenten hinzu.“ Wodurch das Wachstum genau zustande gekommen sei, könne sie nicht sagen. Heute folgen ihr auf Instagram rund 53.000 Menschen.

Immer mehr Produkte lassen Marketingdruck steigen

Accounts wie der von Sarah spiegeln die Entwicklung der Körperpflege- und Kosmetikindustrie: Laut Zahlen aus dem Jahr 2014 geben die Deutschen im europaweiten Vergleich am meisten für Schönheitspflege aus. Im Jahr 2016 waren es laut dem Industrieverband Körperpflege und Waschmittel 13,6 Milliarden Euro – 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Das stärkste Wachstum (6,5 Prozent) habe der Bereich Dekorative Kosmetik verzeichnet.

Die Hersteller buhlen mit immer neuen Produkten und Sorten um die Gunst der Verbraucher: Die Zahl der im Handel verfügbaren Kosmetik- und Körperpflegeprodukte ist laut dem Marktforschungsinstitut IRI alleine im vergangenen Jahr um 4,2 Prozent gestiegen – nur bei alkoholfreien Getränken und Frischwaren ist das Sortiment noch stärker gewachsen.

„Beauty Blogger genießen mehr Vertrauen als Werbung“

Doch wie sollen die Verbraucher von den immer wieder neuen Sorten an Duschschäumen, Deodorants, Eyelinern und Nagellacken erfahren? Lange geschah das über TV-Werbung, Anzeigen und Features in Frauen- und Männerzeitschriften sowie in den wöchentlichen Prospekten der Drogeriemärkte. Heute informieren sich junge Frauen bei Instagram oder Pinterest über neue Beauty-Produkte und -Trends. „Die Leute vertrauen Beauty Bloggern wie uns eher als Zeitschriften, Prospekten oder TV-Werbung“, meint Sarah. „Mich schreiben auch Leute an, wenn sie ein neues Produkt in der Werbung gesehen haben, und wollen wissen, wie ich es finde.“

Die Kosmetikhersteller und Drogeriemarktketten machen sich diese Entwicklung bereits zunutze, schicken den Instagrammern kostenlose Produktproben oder bezahlen sie sogar für Posts. „Aus unserer Sicht ist das eine moderne Form des Empfehlungsmarketings, also ‚Referral Marketing’. Genau zwischen Marketing und PR“, sagt beispielsweise Carsten Kaisig von Philosophy Brands. Das Unternehmen steht hinter der Duschschaummarke bilou, die in Zusammenarbeit mit Beauty-Youtube-Queen Bianca Heinicke („BibisBeautyPalace“) entstanden ist.

Profitieren Produkt-Hunter vom Micro-Influencer-Trend?

Sarah mache „alle zwei, drei Monate“ mal ein bezahltes Posting, erklärt sie gegenüber OMR. Ansonsten nehme sie nur Produkt-Samples an. „Nur unter der Bedingungen, dass ich auch die Freiheit habe, schreiben zu können, wenn mir etwas nicht gefällt.“

Die „Produkt-Instagrammer“ haben zwar keine siebenstelligen Reichweiten wie die „großen Influencer“ à la Topmodel-Gewinnerin Stephanie Giesinger. Doch möglicherweise profitieren sie vom Trend hin zu „Micro-Influencern“: Bei Accounts mit weniger als 100.000 Followern sei die Interaktionsrate besser, heißt es beispielsweise in einem Artikel von Digiday aus dem vergangenen Jahr. Möglicherweise üben aber auch die Marketingkooperationen mit den unterschiedlichen Instagrammer unterschiedliche Funktionen für das Marketing der Unternehmen aus: Bekannte Gesichter sorgen für Branding-Effekte, „Produkt-Instagrammer“ informieren über neue Produkt-Launches und sorgen so für direkte Absatzeffekte.

„Da wird kein Bezug zur Marke aufgebaut“

Andere Instagram-Experten sehen Accounts, bei denen Produkte und nicht die jeweilige Person selbst im Vordergrund stehen, eher kritisch. Mona Hellenkemper vom Analytics-Tool InfluencerDB etwa führt die Accounts jadorekors und leoniemaraaa als Extrembeispiele an, die nicht nur Fotos von Beauty-Produkten, sondern auch von Kartoffelchips, Turnschuhen und Zahnpasta posten.

„Wir nennen solche Accounts ‚Goodie Grabber’ oder ‚Produkt-Hunter’, da es sich meist um Personen handelt, die lediglich Produkte abgreifen wollen, aber keinen Bezug zur Brand haben und somit auch keine Beziehung zwischen den Followern und der Marke aufbauen können“, so Hellenkemper. „Da ist keine persönliche Geschichte dahinter oder ähnliches.“ Entsprechend seien die Engagement-Raten solcher Accounts eher schlecht.

Food-Produkt-Hunter verschafft Oetker einen Viralhit

Dass es mittlerweile aber auch „Produkt-Hunter“ in anderen Kategorien gibt und diese aus Sicht von Werbetreibenden für durchaus relevante Marketingeffekte sorgen können, zeigt das Beispiel von Sonja Suzan Meise. Die Hamburgerin, im Hauptberuf Stewardess, fotografiert für ihren Blog und ihren Instagram-Account foodnewsgermany (28.000 Follower) im Supermarkt neue Convenience-Food-Artikel. Als sie im März in einem Werbeprospekt auf eine neue „Schoko-Pizza“ von Dr. Oetker stieß, postete sie ebenfalls ein Foto davon und trat damit eine virale Lawine los, die dem Produkt viel Medienberichterstattung verschaffte.

Die 19-jährige Sarah will sich jedoch für die Zukunft nicht allein auf ihren Instagram-Account verlassen: „Hauptberuflich Instagrammerin zu sein wäre mir zu unsicher. Ich glaube nicht, dass der Hype anhält.“ Sie hat deswegen nach ihrem Abitur lieber ein duales Gesundheitsmanagement-Studium angefangen.

Dieser Text erschien zuerst bei OMR.com

Bild: Screenshot Carosschminkeckchen