deezer albrecht

Nach Jahren des Schrumpfens ist der Musikmarkt wieder auf Wachstumskurs. Vor allem das Streamen von Musik nimmt zu. In Deutschland steht das Streaming bereits für rund 13 Prozent der Musikumsätze. Marktführer ist Spotify, an zweiter Stelle folgt der französische Anbieter Deezer, der weltweit 16 Millionen regelmäßige Nutzer hat und sechs Millionen zahlende Abonnenten. Deezer ist in 180 Ländern vertreten. Seit Ende Juni mischt auch Apple in dem Markt mit.

Seit Februar wird Deezer von einem Deutschen geleitet: Hans-Holger Albrecht, erfahrener Medienmanager und Bruder von CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Mit der Welt sprach Albrecht ausführlich über die Herausforderungen für den Streaming-Dienst.

Herr Albrecht, kaufen Sie überhaupt noch Musik?

CDs schon lange nicht mehr. Aber auch digitale Songs zum Herunterladen sind bei mir Vergangenheit. Nur noch Streaming.

Weil Sie Chef von Deezer sind?

Weil es so komfortabel ist. Man hat Zugang zu jeder nur denkbaren Musik, es gibt Vorschläge für Playlisten und individuell angepasste Musikangebote.

Wird es nur noch Flatrates geben?

Ich denke schon. Der Trend zeigt sich seit einiger Zeit schon sehr deutlich: Downloads gehen zurück, Streaming nimmt stark zu. Das ist sogar so in Deutschland, wo noch ein vergleichsweise großer Teil des Musikumsatzes mit dem Verkauf von CDs gemacht wird. Früher oder später landen aber alle beim Streaming. Davon bin ich überzeugt und daran arbeiten wir. Natürlich wird es auch weiter Nischen geben, wie wir es heute beim Verkauf der alten Schallplatte erleben.

Eine Musikflat kostet bei allen Anbietern etwa zehn Euro. Ist der Betrag in Stein gemeißelt?

Das ist übrigens auch beim Filmstreaming so. Wir denken, dass dies ein fairer Preis ist. Er ist aber nicht fix, schon heute kostet bei einigen Anbietern eine bessere Tonqualität extra. Andere Dienste können auch mal weniger kosten.

Künstler klagen, dass sie von den Streaming-Erlösen kaum leben können. Ist das Modell überhaupt nachhaltig?

Wir zahlen rund 70 Prozent der Einnahmen an die Musiklabels, das ist ein hoher Anteil. Wir stehen hier erst am Anfang einer großen Marktentwicklung. Es werden neue Einnahmequellen hinzukommen und natürlich neue Märkte. Außerdem haben die Künstler beim Streaming über einen längeren Zeitraum konstante Einnahmen. Früher kam nach den ersten Wochen nicht mehr viel Geld bei den Künstlern an.

Die Musiklabels sind in den meisten Fällen nicht die Klagenden. Aber der Anteil, den Sie an die Künstler ausschütten, ist noch recht niedrig. Ist das gerecht?

Diese Frage sollten Sie den Labels stellen. Das muss sicherlich diskutiert werden. Das Vergütungssystem ist sehr komplex. Ich sehe ein größeres Problem darin, dass Künstler ihre Musik dem kostenlosen Angebot von YouTube überlassen. YouTube ist damit eines der größten Probleme für die Monetarisierung der Musikbranche.

Hans-Holger Albrecht deezerKostenlosangebote, die über Werbung finanziert werden, gibt es auch bei Streaming-Diensten wie Deezer und Spotify zum Ärger der Künstler.

Albrecht: Unser Kernmodell sind Abonnements. Wir sind hier aber in einem neuen Markt unterwegs und müssen uns fragen, was der beste Weg ist, Kunden zu gewinnen. Werbefinanzierte Angebote gehören genauso dazu wie eine kostenlose Probezeit.

Obwohl der Streaming-Markt sich so schnell entwickelt, ist kaum ein Anbieter profitabel.

Das ist nicht ungewöhnlich in einer Situation, in der man neue Geschäftsfelder aufbaut. Vor allem die Kosten für die Inhalte sind sehr hoch, aber die Verträge mit den Labels werden besser. Und je stärker die Märkte entwickelt sind, desto schneller werden sie auch profitabel. Deswegen macht mir diese Situation auch keine Sorgen.

Wollen Sie von Ihren Nutzern auch den Zugriff auf den Standort und die Fotos haben? Spotify hat die Änderung der Geschäftsbedingungen viel Ärger gebracht.

Ich sehe da keinen Sinn drin. Wir wollen nicht den gläsernen Nutzer haben. Man muss wirklich auf den Kunden hören, was er haben will. Wir sind hier sehr sensibel unterwegs. Wir nutzen die Musikhistorie der Kunden für unsere Empfehlungen, die wir ihm geben. Weiter gehen wir nicht.

Seit Ende Juni ist der Technologieriese Apple mit seinem Musik-Streaming-Dienst auf dem Markt. Wird es nun eng für die Konkurrenten?

Unser größtes Problem ist die noch nicht allzu hohe Verbreitung des Musik-Streamings. Wenn nun ein Unternehmen wie Apple in diesen Markt kommt, steigert das die Aufmerksamkeit für diese Form des Musikhörens. Diese Wirkung merken wir schon. Je mehr Werbung Apple für sein Angebot macht, desto besser wird sich der Markt entwickeln. Das hilft auch allen anderen Anbietern. Es ist genug Platz für drei oder vier große Anbieter, weil sie auch unterschiedliche Angebote machen. Wir haben keine Angst vor Apple.

Die Musikkataloge zumindest sind sehr ähnlich.

Apple fokussiert sich sehr auf kuratierte, also empfohlene Inhalte, Spotify geht stärker ins Videosegment. Wir haben einen Schwerpunkt auf Podcasts rund um Nachrichten, Sport und Unterhaltung und auch Hörbücher. Außerdem haben wir mit mehr als 27 Millionen Songs wohl das größte Angebot an Musik mit sehr hoher Tonqualität, also CD-Qualität.

Musik-Streaming allein reicht nicht mehr?

Wir werden zunehmend zu einem Entertainmentunternehmen. Es reicht tatsächlich nicht aus, einfach nur 35 Millionen Songs zur Verfügung zu stellen. Es gibt eine große Gruppe von Nutzern, die einfach je nach Stimmung unterhalten werden möchte, ohne intensiv nach Musik zu suchen. Andere wollen neue Musik entdecken und folgen Empfehlungen, die wir machen.

Unterscheiden sich die Länder im Konsumverhalten?

Grundsätzlich sind lokale Inhalte wichtig. In Kolumbien ist 80 Prozent der Musik lokal und davon etwa die Hälfte religiöse Musik. Die Deutschen mögen Hörbücher und legen viel Wert auf das Kindersegment. In England sind es mehr Comedy und Sport und in Frankreich eher Talk und Politik.

Apple hat viel Geld im Rücken und auch Spotify hat im Juni noch eine halbe Milliarde Dollar eingesammelt. Könnte Deezer nicht unter die Räder kommen?

Vor diesem Hintergrund sind wir die Underdogs und damit die Herausforderer. Es wird am Ende aber nicht ein Produkt geben, das die Welt umschließt. Die Märkte sind stark lokal geprägt. Es gibt immer Möglichkeiten, sich zu behaupten. Apple ist in den USA und in der westlichen Welt stark, aber nicht in aufstrebenden Märkten.

Wird im Musik-Streaming-Wettbewerb nach fairen Regeln gespielt?

Gefährlich wird es, wenn Apple seine Position ausnutzt, weil der Konzern gleichzeitig Smartphones verkauft und einen App-Store hat. Wenn wir über den App-Store ein Abo verkaufen, müssen wir 30 Prozent abgeben. Das ist nicht in Ordnung.

Ist das zu ändern?

Auch Apple wird am Ende ein Interesse daran haben, fairen Wettbewerb entstehen zu lassen. Es wird bereits von verschiedenen Seiten, auch aus Brüssel, auf das Wettbewerbsumfeld geschaut.

Dieser Text erschien zuerst auf Welt.de.

Bilder: Deezer