Das Management von Food Express: Benjamin Pochhammer, Tom Krause und Max von Waldenfels (von links)

Das Berliner Startup Food Express, einst gestartet als MyLorry, hat am Montag überraschend Insolvenz angemeldet. Der größte Gesellschafter – Lieferdienstriese Delivery Hero – hatte beschlossen, kein weiteres Geld in das Unternehmen zu investieren, das Gerichte von Restaurants ohne eigenen Lieferservice ausliefert. Wie kam es dazu?

Da ist zunächst der unbestreitbare Kapitalbedarf des Startups. Max von Waldenfels, Mitgründer von Food Express, erklärt, sein Startup sei stark gewachsen, mit 30 Prozent monatlich, mittlerweile beschäftige es 1.300 Mitarbeiter. Um das Wachstum zu finanzieren, bräuchte es Geld. „Ursprünglich waren die Gesellschafter dazu bereit, weiter Kapital zuzuschießen, wenn wir bestimmte Meilensteine erreichen“, so von Waldenfels im Gespräch mit Gründerszene. „Im Oktober haben wir aber eine sehr hohe Marke verfehlt: die Vervierfachung der Auslieferungen.“ Delivery Hero zog sich daraufhin aus den Verhandlungen über die nächste Finanzierung zurück, von Waldenfels fühlte sich „brutal fallen gelassen“.

Auf Nachfrage von Gründerszene heißt es bei Delivery Hero, man habe sich vertragskonform dazu entschieden, nicht weiter zu investieren. Auch sieht der inzwischen mit über drei Milliarden Dollar bewertete Lieferdienstvermittler sich nur als einer von vielen Gesellschaftern. „Unsere Beteiligung liegt bei 27,7 Prozent. Dies alleine hat eine Aussagekraft bezüglich unseres Einflusses.“ Neben Delivery Hero sind laut Handelsregister nur Privatpersonen in Food Express investiert. Der Lieferdienstvermittler ist außerdem der größte Anteilseigner an dem Startup und hat mit seiner Beteiligung von über 25 Prozent eine Sperrminorität – das heißt, das Unternehmen kann in der Gesellschafterversammlung Entscheidungen blockieren.

Laut Delivery Hero lag der Rückzug nicht nur daran, dass ein Meilenstein verfehlt wurde. Dies sei lediglich „ein Teil des Gesamtbildes“. Auch habe Food Express die Meilensteine, an die weitere Zahlungen gebunden waren, selbst definiert. Von Waldenfels sagt dazu: „Das ist nicht korrekt, im Rahmen des Investments hat Delivery Hero die Meilensteine vorgegeben. Warum sollten wir uns selbst mit so extrem hohen Zielen eine Hürde stellen?“

In Insiderkreisen heißt es, Delivery Hero habe mit Food Express zwei Monate lang über eine vollständige Übernahme des Startups verhandelt. Während dieser Zeit der Prüfung habe Delivery Hero Zugang zu allen Büchern des Startups gehabt. Delivery Hero sagt: „Eine 100-Prozent-Übernahme wäre bei einer anderen Geschäftsentwicklung theoretisch denkbar gewesen, stand von unserer Seite aber unter den realen Gegebenheiten nicht zur Debatte.“

Der Grund für die abgesagte Übernahme und die verweigerte Anschlussfinanzierung dürfte aber vor allem ein interner Strategiewechsel sein: CEO Niklas Östberg setzt lieber auf seine eigenen Liefer-Startups, die in Konkurrenz zu Food Express stehen. Zum Beispiel Foodora, das Delivery Hero kürzlich von Rocket Internet übernahm. Oder die neue Logistik-Tochter Valk Fleet.

In einer internen Mail an seine Mitarbeiter, die Gründerszene vorliegt, erklärt Östberg den Abschied von Food Express. „Wir haben unglaubliche Fortschritte im Delivery Space gemacht, seit wir das strategische Investment in Food Express getätigt haben und wir möchten unsere Anstrengungen und Investments auf unsere eigene Liefer-Initiative Valk Fleet konzentrieren.“ Und weiter: „Wir haben in den letzten zwölf Monaten ein sehr großes Liefer-Know-how aufgebaut und sind nun weniger abhängig von Drittanbietern. Jeder Euro, den wir investieren, muss vorsichtig und verantwortungsvoll geprüft werden.“

Offiziell heißt es dazu von Delivery Hero: „Wir sehen in einer eigenen Logistik-Sparte deutlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten.“

Valk Fleet wurde im Mai 2015 ins Handelsregister eingetragen – zwei Monate nach der ersten Food-Express-Beteiligung. Max von Waldenfels bezeichnet das als „höchst zweifelhaftes Verhalten“ seines Hauptgesellschafters. Von Delivery Hero aber heißt es, das Geschäft habe bereits viel früher begonnen, im September 2014. Valk-Fleet-CEO Lukas Uhl lässt sich wie folgt zitieren: „Das Konzept der Logistik der letzten Meile für Restaurants ist nicht neu. Es gibt Firmen, die das schon lange tun. Die Copycat-Company MyLorry macht dasselbe wie Damejidlo.cz, das Delivery Hero im Dezember 2014 übernahm und das bereits 2012 startete.“

Delivery Hero betont, man habe Food Express immer sehr unterstützt und werde auch weiterhin unterstützend tätig sein. Von Waldenfels irritiert das. Er fragt: „Worin ist die Unterstützung zu sehen, wenn man einen eigenen Wettbewerber aufbaut?“

Für Food Express ist nun entscheidend, ob schnell neue Investoren gefunden werden können. Laut von Waldenfels sei man bereits in guten Gesprächen. Er und Mitgründer Benjamin Pochhammer bleiben während des Insolvenzverfahrens Geschäftsführer ihrer Firma. Das Verfahren gibt Food Express übrigens die Gelegenheit, sich von Gesellschaftern zu trennen – beispielsweise, wenn von Waldenfels und Plochhammer eine neue Firma gründen und mit dieser die Assets des alten Unternehmens kaufen würden.

Bild: Food Express