Older man peering nervously around office cubicle
Older man peering nervously around office cubicle Ja, wo sind sie denn?

Deutschlands Konzerne versuchen offensichtlich gerade, ihre Defizite in der Digitalisierung auszugleichen. Von den zum Jahreswechsel neu berufenen Vorständen in den 160 Dax-, MDax-, TecDax- und SDax-Unternehmen hat rund die Hälfte zuvor in der digitalen Wirtschaft einschlägige Erfahrungen sammeln können.

Von den Vorständen, deren Verträge zum Jahreswechsel verlängert wurden, hat dagegen nur einer von drei Vorständen entsprechende Erfahrungen, so eine Analyse der Personal- und Managementberatung Kienbaum.

Insgesamt sind die Führungsgremien stark in Bewegung. Rund 120 Vorstände haben das jeweilige Unternehmen verlassen, kamen neu ins Unternehmen, stiegen intern auf oder haben ihren Vertrag verlängert, ergab die Auswertung aller bis Mitte Dezember bekannten Veränderungen auf den Führungsetagen.

Manager müssen den Wandel fördern

„Um die Digitalisierung zu meistern, müssen die Unternehmen ihre Führungsgremien mit den richtigen Persönlichkeiten besetzen“, sagt Fabian Kienbaum, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Beratung.

Gefragt seien Manager mit Digital-Know-how und Kompetenzen im Change-Management. Diese Experten sollten die digitale Transformation vorantreiben und dabei helfen, das Unternehmen noch wettbewerbsfähiger zu machen, so Kienbaum.

Allerdings stoßen die frisch angeheuerten Digitalexperten häufig auf Widerstände, wenn sie sich dann wirklich ans Werk machen. Das ist die Beobachtung von Harald R. Fortmann, Geschäftsführer der Hamburger Personalberatung D-Level, die sich auf die Vermittlung von digitalem Fach- und Führungspersonal spezialisiert hat. „Einfach eine Führungskraft einzustellen und zu sagen: ‚Jetzt digitalisier mal‘, reicht natürlich nicht“, sagt Fortmann.

„Aktionismus ohne Strategie“

Aber häufig sei es so, dass die Unternehmen noch keine konkreten Vorstellungen davon haben, welche Prozesse bei der Digitalisierung in Gang gebracht werden müssten. Sich dann darauf zu verlassen, dass ein eingekaufter Experte das Thema erfolgreich be- und umsetze, sei „Aktionismus ohne Strategie“. Als positives Beispiel nennt Fortmann den Siemens-Chef Joe Kaeser.

Er habe vorgegeben, dass jedem einzelnen Mitarbeiter klargemacht werden müsse, welche Rolle er bei der Digitalisierung des Konzerns zu spielen habe – und ob sein Job auf dem Spiel stehe. Solche Vorarbeit müsse geleistet werden, um eine vernünftige Strategie für die Veränderungen im Unternehmen vorzubereiten. Dann könne ein neuer Chief Digital Officer (CDO) auch erfolgreich sein.

Lest auch

Dass es häufig anders aussehe, lasse sich an der relativ kurzen Verweildauer solcher Experten in einem Unternehmen ablesen. „Zwischen zwei und dreieinhalb Jahren bleiben Digitalexperten auf ihrem Job“, sagt Fortmann. Viele würden aufgeben, weil sie zu starke Widerstände erleben müssten. „Ich werde geblockt“, sei häufig von wechselwilligen Spezialisten zu hören. Probleme, einen neuen Job zu finden, gebe es für diese Berufsgruppe nicht.

Schornsteinkarriere ein Auslaufmodell

Positiv sei immerhin, dass die Konzeptphase beim Thema Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft bereits vorbei sei, sagt Dwight D. Cribb, Inhaber der gleichnamigen Hamburger Agentur, die sich auf die Vermittlung von Führungskräften mit digitaler Qualifizierung spezialisiert hat. Vor drei oder vier Jahren hätten sich viele Unternehmen dagegen noch gefragt, ob sie bei der Digitalisierung überhaupt mitmachen müssten.
Dass sich langsam etwas tut in den größten deutschen Konzernen, belegt auch die weitere Analyse von Kienbaum. So falle auf, dass die klassische Schornsteinkarriere ein Auslaufmodell zu sein scheint. Nur noch jeder vierte neue Dax-Vorstand ist im gleichen Unternehmen über viele Jahre die Karriereleiter nach oben gestiegen.

Konzernerfahrung ist dagegen nach wie vor gern gesehen: Mehr als die Hälfte der Manager, die von außen neu in den Vorstand gekommen oder intern aufgestiegen sind, bringt Erfahrung aus anderen börsennotierten Unternehmen mit. Kasper Rorsted war zum Beispiel von April 2008 bis April 2016 Vorstandsvorsitzender von Henkel, bevor er im Oktober Vorstandvorsitzender von Adidas wurde, und Angela Titzrath hatte im Laufe ihrer Karriere unter anderem diverse Managerfunktionen im Daimler-Konzern inne, bevor sie ihr Vorstandsmandat bei der Hamburger Hafen und Logistik AG antrat.

Neue Spitzenleute kommen von außen

Aber nur jeder vierte Vorstand, der seinen Vertrag in diesem Jahr verlängert hat, kann eine solche umfassende Erfahrung aus einem anderen börsennotierten Unternehmen vorweisen. „Die Dax-Konzerne rekrutieren geeignete Kandidaten für ihr Vorstandsgremium vermehrt von außerhalb statt aus den eigenen Reihen“, sagt Fabian Kienbaum. Das sei früher anders gewesen.

Von den Vorständen, deren Verträge die Unternehmen zu 2017 hin verlängert hätten, seien 60 Prozent nach einer geradlinigen Schornsteinkarriere im selben Unternehmen an dieser Position. Bei weiblichen Vorstandsmitgliedern gab es zum Jahreswechsel insgesamt neun Neuigkeiten. Mit Angela Titzrath erhält nur eine Frau einen neuen Vorstandsvertrag in den deutschen Dax-Konzernen.

Sie ist seit Oktober 2016 Vorstandsmitglied und seit Januar 2017 Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG. Außerdem verlängern drei Frauen ihr Vorstandsmandat, vier steigen innerhalb des Unternehmens auf, und Margret Suckale von BASF legt ihr Vorstandsmandat nieder.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: Gettyimages/Walter Hodges