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Ein Beitrag von Roland Eisenbrand, Head of Content bei OnlineMarketingRockstars.de.

So sahen große Portale in ihrer Anfangszeit aus

Responsive, Flat Design, Card Design, schi­ckere Typo­gra­fie – ein Webdesign-Trend jagt den nächs­ten. Vom pixe­li­gen, unbe­hol­fe­nen Lay­out der frü­hen Web­sites ist das Netz heute weit ent­fernt. Wer mit der „Way­back Machine“ auf Archive.org in der Zeit zurück reist und sich ansieht, wie heute große Por­tale in ihrer Anfangs­zeit aus­sa­hen, bekommt mög­li­cher­weise einen klei­nen Kul­tur­schock. Schaut Euch bei uns an, wie gro­tesk die zehn reich­wei­ten­stärks­ten deut­schen Web­sites auf die Augen heu­ti­ger User wir­ken.

T-Online (Februar 1997)

Dem einen oder ande­ren mag die­ser Screen­shot mit dem Wis­sen der heu­ti­gen Zeit ein klei­nes Schmun­zeln entlocken. Das Por­tal T-Online, heute ein Wust aus Con­tent und Wer­bung, prä­sen­tiert sich damals noch rela­tiv über­sicht­lich. An zen­tra­ler Stelle trom­melt die Tele­kom dort damals für die Teil­nahme ihres Teams an der Tour de France. Zu die­sem Zeit­punkt sieht noch alles nach Heile Welt aus: Im Vor­jahr hat der Däne Bjarne Riis im Tri­kot des „Team Tele­kom“ die Tour de France gewon­nen, im Som­mer 1997 wird der junge Jan Ulrich den Erfolg wie­der­ho­len.

Was in die­ser Zeit wirk­lich gesche­hen ist, kommt erst zehn Jahre spä­ter, im Rah­men der „Doping­af­färe Team Tele­kom“ her­aus. Der Spon­sor been­det dar­auf­hin schlag­ar­tig sein gesam­tes Enga­ge­ment im Rad­sport. Mit sei­nem Por­tal T-Online liegt das Unter­neh­men dafür noch heute auf dem ers­ten Platz der Reich­wei­ten­ran­kings von Agof und IVW. Dies dürfte zu einem nicht uner­heb­li­chen Maß daran lie­gen, dass das Por­tal bei vie­len Deut­schen mit einem Telekom-Internetzugang über lange Jahre als Start­seite vor­ein­ge­stellt war und nicht wenige dort noch heute über eine E-Mail-Adresse ver­fü­gen. Zuletzt gab es jedoch Gerüchte über Ver­kaufs­ge­sprä­che mit Axel Sprin­ger.

Ebay.de (Okto­ber 1999)

Auch die­ser Screen­shot hat gleich aus meh­re­ren Grün­den Schmun­zel­po­ten­zial. Zum einen, weil Ebay mit der dar­auf sicht­ba­ren Auk­tion des gel­ben Pul­lun­ders von Hans-Dietrich Gen­scher lan­des­weit Presse bekam. Der ehe­ma­lige Außen­mi­nis­ter soll das Klei­dungs­stück getra­gen haben, als die Grenze zwi­schen Ost- und West­deutsch­land fiel. Angeb­lich soll der Pul­lun­der einen Auk­ti­ons­preis von 2.000 D-Mark erzielt haben.

Aus Online-Branchensicht ist aber sicher­lich das gemein­same Logo von Ebay und Alando noch amü­san­ter. Alando war die erste Grün­dung der Samwer-Brüder: Nach­dem sie der Über­lie­fe­rung zufolge von Ebay USA auf ihre Anfrage, ob sie nicht das Deutsch­land­ge­schäft des Unter­neh­mens auf­bauen könn­ten, keine Ant­wort erhiel­ten, kopier­ten sie die US-Seite ein­fach. Vier Monate spä­ter ver­kauf­ten sie Alando, ihre Ver­sion des Online-Auktionshauses, für 50 Mil­lio­nen US-Dollar an Ebay. Der Coup legte den Grund­stein für den spä­te­ren Auf­stieg der drei Jung­un­ter­neh­mer.

Das Buch von Joel Kacz­ma­rek über die Samwer-Brüder gibt einen klei­nen Ein­druck davon, wel­che Skur­ri­li­tä­ten sich in die­ser Zeit ereig­net haben müs­sen. Ebay ist noch heute zweit­reich­wei­ten­stärkste Seite in Deutschland.

Bild.de (1996)

Bild Online gelang es mit dem Start 1996, die eigene CI unver­kenn­bar ins Netz zu über­tra­gen. In den fol­gen­den Jah­ren erlebte die Springer-Marke im Netz dann eine kleine Ach­ter­bahn­fahrt. Nach dem Plat­zen der New-Economy-Blase brachte das Medi­en­haus die Marke Bild in ein Joint-Venture mit der Tele­kom ein und das Por­tal war lange Jahre unter bild.t-online.de zu errei­chen. Erst im Jahr 2008 been­dete Sprin­ger die Zusam­men­ar­beit.

Gutefrage.net (Januar 2006)

Unter dem Dach von Holtz­brinck ent­wi­ckelte New-Economy-Veteran Jens Doka, heute für die Digi­tal­sparte von Pro-Sieben-Sat1 tätig, die Q&A-Community Gutefrage.net. Noch heute ist das Por­tal ein Traffic-Bringer – vor allen Din­gen Google spült wegen der guten Such­ma­schi­nen­op­ti­mie­rung regel­mä­ßig Tau­sende von Usern auf die Seite.

Chip Online (Mai 1998)

Das Wort „Net­Sur­fing“ würde heute wohl nie­mand mehr iro­nie­frei ver­wen­den, aber damals wie heute gilt: Chip ist die am stärks­ten fre­quen­tierte Anlauf­stelle für den IT-Nerd-Mainstream im Netz. Schön auf die­sem Screen­shot auch die Wer­bung für den heute noch Maß­stäbe set­zen­den Website-Editor Front­page 98 (lei­der ist die Bild­da­tei auf Archive.org nicht mehr ver­füg­bar).

Bitte wenden – hier geht’s zu den nächsten Websites: Von Web.de bis RTL.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Luke Hayfield Photography

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Web.de (Okto­ber 2002)

Das Por­tal Web.de ist nach Betrei­ber­an­ga­ben 1999 ins Netz gegan­gen; der erste Screen­shot in der Way­back Machine datiert auf das Jahr 2002.

Com­pu­ter­bild (Januar 1998)

Sprin­gers IT-Marke fin­det im Web zuerst bei AOL ein zu Hause – das erklärt auch den Hin­weis „Nur für AOL-Mitglieder ver­füg­bar!“ zu eini­gen Navigations-Buttons in die­sem Screen­shot. Ab 1999 ist die Medi­en­marke online unter eige­ner Domain zu errei­chen.

Focus (Juni 1997)

„Fak­ten, Fak­ten, Fak­ten“ – damit will Focus auch in der Früh­zeit des Webs punk­ten. Wie der Screen­shot zeigt, waren damals die typo­gra­phi­schen Mög­lich­kei­ten auf allen Web­sites noch recht ein­ge­schränkt, da im Web­de­sign nur mit den auf den Rech­nern der User vor­in­stal­lier­ten Fonts gear­bei­tet wer­den konnte.

Chef­koch (Juni 2000)

Chef­koch dürfte heute eines der weni­gen Digi­tal­pro­jekte sein, dass dem Ham­bur­ger Ver­lag Gruner+Jahr wirk­li­che Freude berei­tet. Gestar­tet ist das Pro­jekt bereits 1998; G+J kaufte das Betrei­ber­un­ter­neh­men erst 2008 auf. In den fol­gen­den Mona­ten musste das Ver­lags­haus erst ein­mal gericht­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen in Urhe­ber­rechts­schutz­fra­gen mit einem ande­ren, eher zwie­lich­ti­gen Online-Kochbuchbetreiber, durch­ste­hen. Heute bezeich­net sich Chef­koch als größte Platt­form rund ums Kochen in Europa; Gru­ner hat die Marke um eine App und eine Print-Ausgabe erwei­tert.

RTL.de (April 1997)

RTL war in den ers­ten Jah­ren im Netz mit der eige­nen Marke noch ein eher klei­nes Licht – kein Wun­der, wirft man einen Blick auf das ein­ge­schränkte Ange­bot auf die­sem Screen­shot. Natür­lich gab es damals aber auch noch nicht die tech­ni­sche Infra­struk­tur, um online mit Video-Inhalten ein grö­ße­res Publi­kum zu errei­chen. Heute hat der Köl­ner Sen­der sein Video-Angebot RTL Now auf die eigene Domain über­führt und liegt damit im Reichweiten-Ranking auf Platz 10.

Bitte wenden – hier geht’s zu den „Bonustracks“: Google, Face­book und Youtube.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Luke Hayfield Photography

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„Bonustracks“: Google, Face­book und Youtube

Weil die US-Konzerne Google und Face­book die Reich­weite ihrer Platt­for­men nicht von Agof oder IVW erfas­sen las­sen, diese aber trotz­dem zu den reich­wei­ten­stärks­ten Zie­len im Netz gehö­ren, haben wir für Euch auch noch frühe Screen­shots von deren Ange­bo­ten aus­ge­gra­ben.

Google begann im Jahr 2001 mit dem Ver­kauf von Adwords in Deutsch­land und bewarb das Pro­dukt auf der Start­seite als „do-it-yourself Mar­ke­ting­sys­tem“.

Face­book bot ab 2008 eine deutsch­spra­chige Ver­sion an.

Von Youtube haben wir lei­der kei­nen frü­hen Screen­shot der deut­schen Ver­sion gefun­den. Inter­es­sant an dem Screen­shot der Haupt­platt­form aus dem Jahr 2005 ist aber, dass er das Gerücht bestä­tigt, dass die Grün­der des Unter­neh­mens zuerst eine Dating-Plattform ent­wi­ckeln woll­ten.

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Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Luke Hayfield Photography