Bundesminister Dobrindt (mitte) mit den den Ally-Gründern Maxim Nohroudi und Tom Kirschbaum (rechts)

Es ist leicht, sich über die Politik lustig zu machen. Sie wirkt in weiten Teilen immer noch behäbig und altmodisch in unseren schnellen, digitalen Zeiten. Auf einer Versammlung der CDU hieß es vor einigen Monaten zum Beispiel, dass viele Parteimitglieder immer noch nicht per Email erreichbar seien. Doch wenn man einem Bundesminister wie Alexander Dobrindt im Hintergrundgespräch zuhört, muss man anerkennen, dass seine Aufgaben so differenziert und vielfältig sind, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen gibt, die mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt werden können. Beim Besuch des Ministers für Verkehr und digitale Infrastruktur im Epizentrum des Startup-Biotops, an der Torstraße in Berlin-Mitte, zeigte sich, dass das Knowhow einiger Politiker größer ist, als gemeinhin angenommen wird. Glückwunsch.

„Datenreichtum statt Datensparsamkeit“

Dobrindt betritt sehr gut sortiert und vorbereitet das Büro von Ally. Das Startup beschäftigt sich mit der Verbesserung von öffentlichem Verkehr in großen Städten durch Daten. Weltweit. Eng ist es hier. Ally wächst offenbar ziemlich schnell. Im kleinen Besprechungszimmer kommt das Gespräch schnell auf das Thema Daten. „Es braucht Datenreichtum statt Datensparsamkeit“, sagt Dobrindt etwas überraschend. Erstaunlich. Das gefällt den Machern von Ally natürlich gut. Denn sie leben davon, dass jeder, der sich ihre App herunterlädt, zur Datensammlung des Startups beiträgt. Nur so ist Ally in der Lage, reale Verkehrsströme zu analysieren und darauf zu reagieren.

Derzeit weist uns die App von Ally Ankunfts- und Abfahrtszeiten in Echtzeit, sämtliche Haltestellen und Live-Updates für eine optimale Fahrt durch die Stadt. Doch am Ende wollen die Ally-Gründer das Betriebssystem für den digitalisierten Nahverkehr mit selbstfahrenden Kleinbussen entwickeln. Die Politik müsse natürlich im Auge behalten, wo die Grenzen der Datensammelei sind, schränkt Dobrindt etwas später ein. Den Wähler darf man eben nicht ganz aus den Augen verlieren.

Dobrindts Wirkungsgebiete liegen auf den ersten Blick weit auseinander. Verkehr und digitale Infrastruktur. Aber er hat verstanden, dass wir beides zusammen denken müssen. Nur wer Daten und digitale Instrumente einsetzt, hat die Chance, die Verkehrsströme in den Städten der Zukunft in den Griff zu bekommen. Und deshalb ist er hier bei Ally an der richtigen Stelle. Die Gründer Maxim Nohroudi und Tom Kirschbaum präsentieren dem Minister ihr Geschäftsmodell und ihre Ideen. Nohroudi malt in einer Minute das Businessmodell auf den Flipchart. Er hat das einige Male gemacht. Das sieht man.

„Auf Augenhöhe mit Google“

Der Minister ist beeindruckt und spricht über das mangelnde digitale Selbstbewusstsein hierzulande. Deutschland sei weiter als wir dächten, sagt er und geht noch weiter: „Technologisch sind wir schon auf Augenhöhe, was Google betrifft.“ Nun ja. Doch er hat auch ein Argument mitgebracht: In den Roboterwagen des Internet-Konzerns werde ein „erheblicher Teil deutscher Technik“ verbaut. Außerdem gebe es einfach zu viel Negativrhetorik. Dem Minister macht eigentlich nur Sorgen, dass so viele junge Leute unser Land Richtung Silicon Valley verlassen. Diese Idee hatten vor ein paar Monaten auch die Macher von Ally. Aber am Ende sind sie in Berlin geblieben.

Dann darf der Minister noch vor der versammelten Ally-Belegschaft auftreten und Fragen beantworten. Dabei präsentiert er sich als Visionär und sagt: „Wir werden hochautomatisierte Fahrzeuge in fünf Jahren in Serienreife haben und autonome Fahrzeuge in zehn Jahren in den Verkaufsräumen sehen.“ Das kommt hier gut an, im Zentrum der Berliner Digitaldenker. Niemand lacht über den Politiker. Denn wahrscheinlich liegt der deutsche Bundesminister mit seiner Prognose einfach mal richtig.

Foto: Frank Schmiechen