Der E-Commerce boomt, das belegen die jüngsten Zahlen des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels. Grund sind nicht zuletzt die vielen ambitionierten Neueinsteiger, die den Wettbewerb kräftig aufmischen. Auch einige der trägen Alt-Größen scheinen mit dem neuen Medium immer besser zurecht zu kommen – auch wenn Douglas und Thalia gerade verkauft werden und Neckermann die Fahnen streichen musste.

e-commerce wachstum

E-Commerce: Bekleidung und Bücher dominieren

Es sind überaus interessante Zahlen, die der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (www.bvh.info) unlängst vorgelegt hat: Nach einem umsatzstarken ersten Halbjahr für den „interaktiven Handel“ übertrafen die Umsätze des dritten Quartals 2012 demnach noch einmal die Zahlen der beiden vorherigen Quartale: Im Zeitraum von Juli bis September 2012 belief sich das gesamte E-Commerce-Volumen auf 6,75 Milliarden Euro, was einen Anteil von drei Vierteln am Gesamtvolumen der Online- und Versandhändler von 9,2 Milliarden Euro ausmacht.

Berücksichtigt man für das abgelaufene Quartal 2012 zudem alle digitalen Dienstleistungen wie Klingeltöne, Musikfiles, Apps und Software, elektronische Tickets und Reisen, kommen laut BVH noch einmal 2,65 Milliarden Euro hinzu. Die fünf umsatzstärksten Warengruppen waren dabei

  • Bekleidung / Textilien / Schuhe mit 3,23 Milliarden Euro
  • Bücher, Bild- und Tonträger mit 930 Millionen Euro
  • Unterhaltungselektronik / Elektronikartikel mit 930 Millionen Euro
  • Computer und Zubehör mit 630 Millionen Euro
  • Hobby, Sammel- und Freizeitartikel mit 550 Millionen Euro

26,5 Prozent Wachstum im Gesamtjahr

Betrachtet man die ersten drei Quartale ergibt sich insgesamt ein Umsatz im Onlinehandel von 19,7 Milliarden Euro, was 72 Prozent des Gesamtvolumens im Versandhandel entspricht. Für das letzte Quartal hofft Ausgehend von den Umsatzzahlen des Interaktiven Handels der vergangenen neun Monate und der Erfahrung, dass sich im vierten Quartal der durchschnittliche Umsatz durch das Weihnachtsgeschäft mindestens um 20 Prozent steigert, rechnet der bvh für das Gesamtjahr nun mit einem Gesamtumsatz von rund 38 Milliarden Euro und damit einem Plus von 11,8 Prozent zum Jahr 2011.

Ursprünglich war der Verband für das Jahr 2012 von einem E-Commerce-Umsatz von 25,3 Milliarden Euro und damit einem Plus von 16,5 Prozent zum Vorjahr ausgegangen. Nach aktuellen Hochrechnungen werde das Volumen im Online-Handel mit 27,5 Milliarden Euro deutlich darüber liegen, was sich insbesondere auf die Wachstumsrate des elektronischen Geschäfts auswirkt: Letztere beläuft sich auf Basis der angepassten Werte auf stolze 26,5 Prozent, der Anteil am gesamten Versandhandel liegt nun bei 72 Prozent. Damit darf sich die Branche über eine gute Entwicklung freuen.

Douglas und Thalia vor Verkauf

Das Wachstum des E-Commerce sorgt gleichermaßen bei den Dickschiffen des traditionellen Einzelhandelsgeschäfts für weitere Umbrüche. Auch nach mehreren Versuchen einer Sanierung ist es etwa dem Douglas-Konzern nicht gelungen, die angeschlagenen Thalia-Buchhandlungen auf einen besseren Kurs zu bringen, von einer nachhaltigen, gruppenweiten E-Commerce-Strategie ist ebenfalls nicht viel zu sehen. Nun will der US-amerikanische Finanzinvestor Advent die Hagener Douglas-Gruppe übernehmen. Zu dieser gehören neben den gleichnamigen Parfümerien und der schwer angeschlagene Buchhandelskette insbesondere der Juwelier Christ, der Damenmodenhändler AppelrathCüpper sowie die Hussel-Confiserien.

Neben der Douglas-Gründerfamilie Kreke mit 13 Prozent gehört der Bielefelder Oetker-Konzern mit einem Paket von 26 Prozent zu den größten Anteilseignern der Gruppe. Dem Vernehmen nach hat Letzerer sich zum Verkauf der Anteile entschieden, da man die Beteiligung wohl aufgrund des ausbleibenden Erfolgs zuletzt nicht mehr als strategisches, sondern nur als Finanzinvestment gesehen habe.

Advent verspricht sich Die Advent-Beteiligungsgesellschaft firmiert dabei unter der Bezeichnung Beauty Holding Three AG. Demnach dürfte der Investor allenfalls noch am Schmuckgeschäft interessiert sein, kaum am angeschlagenen Buchhändler Thalia. Hier scheint man der Marktmacht von Amazon und dem immer bedeutender werdenden E-Book-Markt wohl nichts mehr entgegensetzen zu wollen – und können.

Harter Wettbewerb im E-Commerce-Geschäft

Anders Rakuten: Umfassend hat der japanische Online-Shop bereits dargestellt, wie man zusammen mit den bisherigen Tradoria-Händlershops ein Ökosystem aufbauen will, das gleichwohl um einen zentralen Online-Shop existieren soll. In den vergangenen Monaten hatte das japanischen Unternehmen durch die Übernahme von Buy.com in den USA, Priceminister in Frankreich, Ikeda in Brasilien, Tradoria (www.tradoria.de) in Deutschland und dem europaweit aktiven Play.com auf der Kanalinsel Jersey auf sich aufmerksam gemacht. Eine ordentliche Basis hat Rakuten also bereits aufgebaut.

„Während [Amazon oder Ebay] vor allem Produkt-getrieben sind, setzen wir darauf, dass unsere Kunden richtige Marken-Beziehungen zu unseren Händlern aufbauen“, lässt der E-Commerce-Konzern verlauten – und engt Letztere gleichzeitig ein. Indem die Händler ihre Kunden im Rakuten-Netzwerk „teilen“, soll sich schließlich auch die Besucherfrequenz für den einzelnen Händler merklich erhöhen. Damit wäre zumindest die Strategie klar. Ob das aber reicht, Amazon & Co. Marktanteile abzunehmen? Neckermann hat sich mit dem Marktplatz-Konzept bekanntlich sehr schlagzeilenträchtig nicht mehr retten können.

Wie sich Herausforderer wie Etsy, Zalando & Co schlagen steht auf der nächsten Seite.

Holt Media-Saturn mit Redcoon wieder auf?

Vermeintlich gute Nachrichten gibt es auch von der Metro-Gruppe: Nach der Übernahme von Redcoon wird für die Sparte Media-Saturn in den ersten drei Quartalen 2012 ein deutlicher Anstieg des Online-Umsatzes von 169 Millionen auf 480 Millionen ausgewiesen. Damit ist der Zuwachs über alle Kanäle von zwei Prozent auf 14,3 Milliarden Euro allein auf das Online-Geschäft zurück zu führen.

Immerhin: Zumindest scheint die neue Online-Strategie der Gruppe erste Früchte zu tragen – auch wenn der Anteil am gesamten Umsatz weiterhin verschwindend klein ist. Der Absturz des Vorsteuergewinns konnte dabei auch nicht aufgefangen werden, so standen per Ende September dieses Jahres rote sechs Millionen zu Buche.

Herausforderer schlagen sich wacker

Und die jüngeren Anbieter? Auch wenn nicht jedes E-Commerce-Startup dem generellen Hype gerecht werden kann, so haben sich in den vergangenen Monaten doch eine ganze Reihe durchaus erfolgreicher Unternehmen am Markt etablieren können. Gerne zitiertes Beispiel ist dabei Etsy (www.etsy.com): Das US-amerikanische Social-Commerce-Startup will im laufenden Jahr ein Handelsvolumen von rund 850 Millionen US-Dollar erreichen und damit den Vorjahreswert von knapp 540 Millionen US-Dollar bei weitem übertreffen. Das entspricht einem Wachstum von deutlich mehr als 50 Prozent, in der Monatsbetrachtung wurden zuletzt sogar stolze 75 Prozent vermeldet.

Gerade erst hat der Design-Shop Fab.com (fab.com) prominent verkündet, allein im laufenden Geschäftsjahr von 1,5 auf neun Millionen Nutzer gewachsen zu sein. Recht schnell hatte es Westwing (www.westwing.de) als Shopping-Club für Wohnaccessoires bereits kurz nach dem Marktstart in die Top-100-Liste der größten deutschen E-Commerce-Anbieter geschafft. Sollte das Wachstum in annähernd gleichem Tempo weiter gegangen sein, dürfte sich das Startup aus dem Hause Rocket Internet (www.rocket-internet.de) längst auf einem deutlich höheren Platz wiederfinden. Gleiches gilt für das Rocket-Vorzeigeprojekt Zalando (www.zalando.de), das für dieses Jahr die Umsatzmilliarde anpeilt, oder etwa den Computer- und Elektronikversand Cyberport (www.cyberport.de). Weitere Beispiele gibt es zu Genüge.

Dabei gilt es wie immer zu beachten, dass gute Umsatzzahlen schnell über die nicht immer positive Geschäftsentwicklung hinweg täuschen können: Schnelles Wachstum fordert zumeist hohe Investitionen. Dass zudem einige Jungunternehmen wie gerade erst DaWanda oder der ChicChickClub (chicchickclub.demitunter kurze „Pausen“ einlegen müssen, ist die Konsequenz. Und selbst der E-Commerce-Gigant Amazon hat sich mit seiner Investition in die Deals-Plattform LivingSocial kräftig verzockt und ist tief in die roten Zahlen gerutscht.

Aus Investorensicht interessant

Auch aus Investorensicht ist der Bereich E-Commerce interessant. Bei eher geringem Risiko und einem vergleichsweise berechenbaren Geschäftsumfeld bieten sich weiterhin interessante Nischenmärkte – allerdings ist die zu erwartende Rendite auch geringer, als in anderen Branchen. Dem Vernehmen nach darf die Branche in den kommenden Wochen und Monaten noch auf einige interessante neue Mitspieler gespannt sein.

Der Prozess der Strategiefindung wird sicherlich auch hier nicht immer erfolgreich verlaufen. Interessant wird dabei aber bleiben, welche Nischen sich die Anbieter noch auf- und ausbauen können – und wie das gesamte Ecosystem inklusive Dienstleistern wie zum Beispiel Payment-Anbieter entwickeln wird. Ob im kommenden Jahr wieder ein noch höheres Wachstum des E-Commerce-Volumens zu Buche stehen wird?

Bildmaterial: Helene Souza / pixelio.de