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Wer macht das Rennen, Emmy oder Coup?

Mit insgesamt 1.350 elektrischen Leihrollern wird Berlin in Kürze zum europäischen Experimentierfeld für ein neues urbanes Mobilitätskonzept. Der Großteil der E-Scooter wird gerade auf den Straßen verteilt und ist ab April komplett verfügbar. Vergangenes Jahr waren es gerade mal 350 Fahrzeuge. Die geräuschlosen Roller sollen zum bevorzugten Fortbewegungsmittel für Kurzstrecken avancieren – so erhofft es sich zumindest die Branche, die von Emmy und der Bosch-Tochter Coup angeführt wird.

Allerdings gibt es Bedenken, ob das Geschäftsmodell überhaupt rentabel ist. Denn es handelt sich um ein saisonales Geschäft. Erst jetzt nimmt die Roller-Saison an Fahrt auf. Über die Wintermonate hinweg stehen die Fahrzeuge still, bei Minustemperaturen machen die Akkus Probleme. Genaue Zahlen über die Auslastung und Betriebskosten der Flotten gibt es bislang nicht. Dafür ist das Geschäftsfeld noch zu jung. Und die Verantwortlichen wollen sich ungern in die Karten schauen lassen.

Scoo.me-Gründer Magnus Schmidt hat bereits Erfahrungen mit E-Leihrollern gemacht: „Wir waren weltweit der erste Anbieter, der einen Flottenmix aus Verbrenner- und E-Rollern im Einsatz hatte.“ Die Kundenresonanz sei sehr gering gewesen, die Kosten zu hoch und der ökologische Vorteil nicht wirklich gegeben, so Schmidt gegenüber NGIN Mobility. „Generell sind die wichtigsten KPIs für jedes Sharing die Anschaffungskosten der Flotte, eine solide und bezahlbare Soft- und Hardware, die Qualität der Fahrzeuge und damit die Betriebsdauer“, erklärt Schmidt. Für den Betrieb der E-Flotte seien die Servicezeiten sowie die Personalkosten zu hoch. Statt nur aufzutanken, müssen die Akkus aus den E-Rollern herausgeholt, in einer separaten Ladestation geladen und wieder eingesetzt werden. Derzeit sind Akkus noch wartungsanfälliger als ein Verbrennungsmotor.

Das Startup Scoo.me, das auch bei Der Höhle der Löwen auftrat, ist mit insgesamt 250 Rollern in München und Köln vertreten. Derzeit ausschließlich mit Benzinern. Auf E-Roller werde Schmidt solange verzichten, bis die Technologie ausgereifter sei. Mit über 10.000 Kunden soll 2017 der Break-Even anstehen – ganz ohne E-Roller, so der Gründer.

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Die Gründer Valerian Seither, Alexander Meiritz und Hauke Feldvoss (von links)

Auch in Hamburg ist die Branche in Bewegung

Das Hamburger Leihroller-Startup Jaano hat ebenfalls seine Erfahrungen mit der Branche gemacht. Im vergangenen Jahr sagte das Startup gegenüber Gründerszene, dass der Wechsel auf Elektro unabdingbar sei. Doch dazu sollte es nie kommen. Der im März 2015 gestartete Service musste kürzlich sein Geschäft einstellen und bietet seine Flotte nun zum Verkauf. Die erhoffte Folgefinanzierung sei ausgeblieben, teilten die Gründer über Facebook mit. „Wir hatten geplant, die Flotte um E-Roller zu erweitern“, verrät Marian Jantzen, ehemals CMO bei Jaano.  „Es gab zwar viele Interessenten und mögliche Investoren, aber letztlich kam es nicht zu einem Abschluss.“ Inwieweit Bedenken auf Seiten der Investoren an dem E-Roller-Konzept bestanden, möchte er nicht kommentieren. Die Gründer standen für Nachfragen nicht zur Verfügung.

Zweifel an der Technologie oder an der Wirtschaftlichkeit teilen die großen Player Coup und Emmy in Berlin nicht. Im Gegenteil. Emmy wird mithilfe seiner jüngsten Finanzierung weiter expandieren und zuerst Hamburg ansteuern. Im Laufe der ersten Jahreshälfte sollen 200 E-Roller in der Hansestadt verfügbar sein, wie Emmy-Gründer Valerian Seither gegenüber NGIN Mobility mitteilte. In Stuttgart wird die Flotte außerdem auf 75 Roller aufgestockt. Auch Coup wird noch in diesem Jahr in weitere Städte gehen. Der Wettlauf hat begonnen.

Wer frisst hier wen?

Bei der Masse an E-Rollern in Berlin bleibt die Frage nicht aus, ob der Markt derart viele Fahrzeuge braucht? Dass hier eine betriebswirtschaftlich bedachte Skalierung stattfindet, ist zweifelhaft. Denn genügend Zeit, um die Auslastung der Roller und den Kundenzuwachs über eine ganze Saison hinweg zu prüfen, hatte Coup jedenfalls nicht. Der Service startete erst im August 2016, also zum Ende der vergangenen Saison. Von 200 E-Rollern gleich auf 1.000 zu erhöhen, wirkt eher wie ein Frontalangriff gegen den Wettbewerber Emmy, der gerade mal von 150 auf 350 Stück erhöht hat.

Trotz der kürzlich bekannt gegebenen Millionen-Finanzierung des Berliner Startups stehen Bosch natürlich andere Mittel zur Verfügung. Zwar kommuniziert Coup keinerlei Budget. Doch nicht nur die massive Fahrzeug-Aufstockung, auch die groß angelegte Werbe-Aktion zum Start sind Zeugen der finanziellen Möglichkeiten eines Corporates.  

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Mat Schubert ist Geschäftsführer der Coup Mobility GmbH.

Bisher geben sich die beiden Szene-Größen Coup und Emmy jedoch in der Öffentlichkeit einvernehmlich: „Für uns ist das ganze Thema additiv zu sehen“, sagte Coup-Chef Mat Schubert kürzlich. „Ich glaube, der Markt ist ausreichend groß – da können beide durchaus zusammen wachsen.“ Zu einer möglichen Übernahme oder Fusion wollte er sich nicht äußern. Emmy-Gründer Valerian Seither bestätigt, dass es bisher keine Gespräche mit dem Wettbewerber gegeben habe. „Wir wollen unsere Pläne umsetzen. Wir verschließen uns aber nicht grundsätzlich vor Bosch“, so Seither.

An das Prinzip „The Winner takes it all“ glaubt Seither nicht. Auch er sieht genügend Spielraum auf dem Markt. „Man braucht erst eine relevante Größe, sonst hat man ein Wahrnehmunsgproblem bei den Kunden“, so Seither. Ein erfolgreiches Beispiel sieht der Emmy-Gründer bei Car2go und DriveNow. Darin stimmt auch der Scoo.me -Gründer überein: „Wettbewerb stärkt das Geschäftsmodell, das sieht man bei DriveNow und Car2go.“

Letztlich wird durch eine hohe Präsenz das Bewusstsein für den Sharing-Markt gestärkt. Daraus ein profitables Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen, wäre dann der nächste Schritt. DriveNow hat es zumindest in Deutschland geschafft – allerdings stecken mit BMW und Sixt auch zwei große Corporates hinter dem Sharing-Dienst. Emmy wird einen langen Atem benötigen. Den in Berlin erprobten Service in weitere Städte zu bringen, wird dem Startup wohl nur einen kleinen Vorsprung gegenüber Coup verschaffen. Die Bosch-Tochter plant, europaweit zu expandieren. Die Bedingung: Das Modell müsse vom Kunden gut angenommen werden, so Coup-Chef Schubert.

Was will eigentlich der Kunde?

Dem Kunden kommt es vor allem auf die Dichte der zur Verfügung stehenden Fahrzeuge an. Ob Coup oder Emmy ist da zunächst zweitrangig. Sucht er in der App nach einem Roller, sollte dieser möglichst in der Nähe stehen. Mehr Roller in der Stadt zu haben, ist aus Sicht des Nutzers, der schnell von A nach B kommen möchte, also sinnvoll. Meta-Sharing-Anbieter wie Free2move haben beide Sharing-Dienste in ihrer App und damit auch auf einer Karte vereint. Das erleichtert zumindest die Suche und vermeidet, dass man in zwei Apps nach einem Roller suchen muss.

Neben der Erreichbarkeit des Rollers spielen zwei weitere Faktoren für die Wahl des einen oder anderen Anbieters eine Rolle: Emmy stellt zwei Helme zur Verfügung, so dass immer jemand mitfahren kann. Coup ist bislang auf eine Person zugeschnitten.

Emmy rechnet nach gefahrenen Minuten oder Kilometern ab – je nachdem, was günstiger für den Nutzer ist. Coup bietet einen Tarif, der mindestens eine halbe Stunde umfasst, dann aber etwas günstiger ist als die Minutenabrechnung mit 19 Cent von Emmy.

Der Service muss im Vordergrund stehen

Solange der Service-Gedanke und nicht das Ellbogen-Prinzip im Mittelpunkt der Sharing-Anbieter steht, können beide Unternehmen gewinnen. Denn damit überzeugen sie den Kunden von der neuen Fortbewegungslösung. Ob der Service mit E-Rollern auf lange Sicht rentabel sein wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Ein möglicher Interessent in diesem Segment könnte die Deutsche Bahn werden. Vor allem abgelegenere Stationen ließen sich mit einem Roller-Service gut abdecken. Den ersten Versuch einer Anbindungslösung hat Emmy bereits in Stuttgart mit mit den Stadtwerken unter der Marke Stella-Sharing gestartet.

Bild: Emmy / Coup