Entmaterialisierung des Geldes

Ein Beitrag von Ibrahim Evsan, Unternehmer, Blogger und Social-Media-Experte. Er ist unter anderem Gründer der Multimedia-Plattform Sevenload und des Social-Media-Dienstleisters SocialTrademarks.de.

Die Entmaterialisierung der Dinge des täglichen Lebens

Konnte man vor ein paar Jahren noch von einem digitalen und einem realen Leben sprechen, so müssen wir heute feststellen, dass die beiden Welten immer weiter miteinander verschmelzen, und zwar auf der digitalen Seite des Lebens. Das hat aber auch zur Folge, dass sich die Dinge des täglichen Lebens entmaterialisieren. Sehr eindrucksvoll wird das am Beispiel der Dinge, die man früher in den 80er Jahren noch auf einem Schreibtisch hatte. Hier in einem Zeitraffer-Film dargestellt.

Die Nachwehen dieser Entmaterialisierung ziehen sich noch kürzlich durch die (Online-)Presse: Der Springer-Verlag gibt Google jetzt eine Gratislizenz für die Anzeige von Vorschaubildern und Textanfängen.

Auch das Geld in Form von Bargeld verabschiedet sich aus der materiellen Welt, zuerst nur über die Giro- und Kreditkarten, jetzt aber droht Geld zum bloßen Schein zu verkommen, wenn es vollständig in Form von Bargeld oder Karten aus dem Bezahlmechanismus verschwindet. Die Geschichte der Digitalisierung und damit der Entmaterialiserung des Geldes beginnt im Jahr 2002.

Eine digitale Großmacht Ebay hatte schon vor langer Zeit erkannt, wie wichtig funktionierende und bequeme Bezahlsysteme im Internet sind. Ebay kaufte im Jahr 2002 den Bezahldienstleister Paypal, der im Jahr 2000 aus den beiden Unternehmen Confinity und X.com hervorgegangen war. Schon 1999 hatte das Vorläufer-Unternehmen es möglich gemacht, Geld zwischen zwei PDA (Personal Digital Assistants) zu verschicken, wenig später konnte man Geld per E-Mail verschicken, der Name dieses Dienstes war „Paypal“ und wurde wegen seiner schnellen und hohen Akzeptanz bei den Usern zum Firmennamen erklärt. Noch vor der Erfindung der Smartphones war es 2006 möglich, via Paypal Geld per SMS zu verschicken.

Was für eine Marktmacht Paypal, nicht zuletzt wegen der Anbindung an das Online-Auktionshaus Ebay, erreichte, wird deutlich, wenn man sieht, dass alle Konkurrenzunternehmen großer (Finanz-) Unternehmen ihre eigenen Bezahldienste in der Folge geschlossen haben. Die Citibank schloss 2003 den „c2it“-Service, Yahoo seinen „Paydirect“ und sogar Western Unions „BidPay“ wurde verkauft. Die Konkurrenzunternehmen „Braintree“ und „Venmo“ wurden schließlich 2013 von Paypal/Ebay aufgekauft.

Auch die Ausweitung des digitalen Bezahldienstes in die analoge Welt wird seit 2012 vor allem in den USA vorangetrieben. Dort ist es in zahlreichen Ladengeschäften möglich, mit Paypal zu zahlen. Seit 2014 gibt es den Dienst „OneTouch“, bei dem man mit nur einem Tastendruck bezahlt. Paypal hatte Mitte 2014 mehr als 230 Millionen Mitgliedskonten in 193 Ländern und mit 25 Währungen.

Der neueste Service ist „Pay After Delivery“, der zur Zeit erst in Amerika bei einzelnen Händlern eingeführt wird. Bei diesem Service geht Paypal sogar einen Schritt in Richtung Kreditkarten-Unternehmen, da es dem Käufer das zu überweisende Geld erst vierzehn Tage nach Erhalt der Ware vom Konto abbucht. Interessant ist noch, dass Ebay gerade bekanntgab, dass Paypal ab 2015 ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen sein wird.

Warum ist Paypal an dieser Stelle so interessant? An diesem Unternehmen kann man erkennen, wie die Idee der Digitalisierung von Geld sehr erfolgreich Schritt für Schritt überaus erfolgreich weiterentwickelt wurde. Ebay war der Inkubator, der sehr viele Nutzer direkt in das Bezahlimperium Paypal hineintrieb.

Jetzt aber greift eine andere digitale Supermacht nach den digitalen Sterntalern: Apple.

Apple will sein eigenes mobiles Bezahlsystem Apple Pay etablieren. Das auf der Nahfunktechnik NFC basierende Bezahlsystem wird über den Homebutton des iPhones (ab iPhone 5S) aktiviert, wenn man ein NFC-fähiges Kassensystem zum Bezahlen vor sich hat. Wie bei allen Apple-Produkten besticht Apple Pay durch seine Schlichtheit: Man muss nicht erst eine App aufrufen, den Bildschirm freigeben oder eine Pin eingeben, denn die Daten der zuvor eingescannten Kreditkarte werden direkt übermittelt und der Betrag gebucht. So, wie es sein muss.

Apple hat bereits 2007 mit der Erfindung des Smartphones den Handymarkt vollständig auf den Kopf gestellt, die Erfindung des App-Stores und die Erfindung des iPads haben den Computermarkt im Softwarebereich und bei Notebooks regelrecht erschüttert und komplexe neue Geschäftsmodelle erschaffen. Apple kommt also aus einer ganzen „Ecke“ der digitalen Welt und ist trotzdem dabei, jetzt den Bezahlsystem-Markt mit den Platzhirschen wie Paypal und anderen zu erobern.

Mit dem neuen Bezahlsystem zwängt Apple sich auch zwischen die Beziehung des Kunden zu seiner (Kreditkarten-)Bank. Bisher waren Kreditkarten und ihre Nutzungsdaten für die Wirtschaft hervorragende Datenquellen für das Kaufverhalten der Kunden. Apple drängt sich dazwischen und greift die Einkaufs- und Geodaten ab, bevor sie an die Bank übermittelt werden können. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir nicht mehr weit weg sind vom iShop.

Wie kann es sein, dass Apple diese Macht aufbauen konnte? Strategie, eine sehr lange geplante Strategie, die absolut nichts dem Zufall überließ, ist der Schlüssel. Apple kann es deshalb wagen, jetzt auch Bezahlsysteme anzugreifen, weil es die „Infrastruktur“ dazu vorgelegt hat. Sie haben lange genug investiert und nun wollen sie die vollkommene Ernte. Die lange Vorbereitung kann man an der einzigartigen Abfolge an Produkten erkennen, die Apple auf den Markt brachte.

Das 2007 eingeführte iPhone hat den Mobilfunkmarkt revolutioniert und den Smartphone-Markt überhaupt erst begründet. Und obwohl das iPad bereits drei Jahre zuvor schon marktreif war, wurde mit der Einführung bis 2010 gewartet. Ein strategischer Schachzug, der seinen Erfolg in der Einführung des App Stores hatte. Man hat also bei Apple so lange gewartet, bis der App Store sich sehr erfolgreich mit all seinen Apps auf die iPhones ausgebreitet hatte. Mit der Zeit gab es viele Anwendungen, die einen größeren Bildschirm verlangten, und so kam das Verlangen nach einem größeren Gerät auf. Der Erfolg des iPads war damit programmiert und garantiert. Wunderbar klar.

Heute, mit mehr als 500.000.000 verkauften iPhones, hat Apple einfach die Macht, auch auf dem Markt der Bezahlsysteme anzugreifen. Apples Vorteil ist, dass das Geld vollständig digitalisiert auf dem iPhone unter der entsprechenden Kreditkartennummer vorliegt und der Bezahlvorgang gar keine Eingaben (Paypal) oder Unterschriften (Kreditkarte) mehr nötig macht. Paypals fataler Fehler könnte darin liegen, dass man seit 2012 den Weg in die reale Welt gesucht hat und die Fortführung des digitalen Bezahlgedankens nicht zu Ende gedacht hat.

Das könnte ein großer Vorteil für das Apple-Bezahlsystem sein, auch wenn sich in der Einführungsphase einige Unternehmen zieren, das System anzubieten. Apple hat über seine Kunden die Macht, es durchzusetzen – so wie einst Ebay mit Paypal, lang ist es her… Heute zählen die digitalen Geräte, besonders die von Apple, die Ihre Services monopolistisch anbieten, zum täglichen Leben dazu, und man selbst erliegt am Ende Ihrer Schönheit und Klugheit. Die Nutzer werden im Informationsnebel der digitalen Angebote rund um das Bezahlen genötigt, der Marke zu vertrauen, der sie ja eh schon vertrauen. Apple, Google, Facebook, Amazon und Co.

Paypal und Apple sind nur zwei Beispiele für Unternehmen, die sich der Digitalisierung verschrieben haben. Jetzt stoßen ihre Interessen auf einem Markt zusammen, obwohl ihre Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Wurzeln stammen. Man darf gespannt sein, welche Kämpfe die digitalen Supermächte sich noch liefern werden. Denn erhaschen wir einen Blick auf Google, sehen wir auch einige zukünftige Entwicklungen schon heute.

Ganz abgesehen von Amazon. Und tausend anderen Apps, Tools und Services. Wir werden in fünf Jahren ein komplett anderes Verständnis zu Banken haben. Jetzt müssen unsere Sparkassen, Deutsche Bank, Volksbank aufwachen. Das Zeitalter des digitalen Imperialismus hat schon längst begonnen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Ibrahim Evsans Blog.
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