Die geltende Datenschutz-Grundverordnung stammt aus dem Jahr 1995. Da ist es natürlich höchste Zeit, sie den Bedingungen der neuen Zeit anzupassen. Vier Jahre haben die Verhandlungen gedauert. Eine halbe Ewigkeit in digitalen Zeiten. Jetzt wurde endlich eine Reform beschlossen, die Anfang 2018 in Kraft treten soll. Ein übergeordnetes Ziel dieser Reform ist es, den Internetnutzern in Europa mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben. Sie soll es in Zukunft laut EU-Kommission unter anderem leichter machen, Informationen im Netz zu löschen, was oft als „Recht auf Vergessen“ bezeichnet wird, und Daten von einem Anbieter zum nächsten mitzunehmen. Internetkonzerne müssen die Zustimmung der Nutzer ausdrücklich einholen, wenn sie deren Daten nutzen wollen.

Vor allem ein besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen stand bei der EU-Kommission auf der Agenda. Sie sollen in einigen europäischen Ländern in Zukunft Dienste wie Facebook oder Whatsapp nur noch mit Zustimmung ihrer Eltern nutzen können, wenn sie jünger als 16 Jahre alt sind. In anderen Ländern müssen sie mindestens 13 Jahre alt sein. Das hängt von der nationalen Gesetzgebung der Länder ab.

Unklar bleibt, wie dieser sicherlich gut gemeinte Beschluss in der Praxis umgesetzt werden soll. Müssen Betreiber von Chat-Apps oder sozialen Netzwerken in Zukunft schriftliche Erlaubnis von Eltern einholen? Oder wird es eine Passkontrolle geben? Professor Niko Härting schreibt auf der Website Legal Tribune Online: „Die notwendige Einholung von Einwilligungserklärungen der Erziehungsberechtigten stellt die Betreiber von Online-Diensten vor erhebliche Herausforderungen, da es schwierig sein wird, die Identität der Erziehungsberechtigten festzustellen und die Authentizität ihrer Einwilligungserklärungen zu gewährleisten.“

Realistischer ist ein anderes Szenario: Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren werden in Zukunft illegal in ihren Lieblingsnetzwerken unterwegs sein, indem sie bei der Anmeldung ein falsches Geburtsjahr angeben. Kinder sind neugierig. Das müssen sie sein. Aussperren per Gesetz lässt sich niemand. Sie werden also durch die EU-Reform leider nur kriminalisiert. Dabei ist es doch gerade für Kinder wichtig, dass sie früh lernen, sich im Netz zurecht zu finden. Durch spielerischen Umgang mit den Kommunikationsmöglichkeiten. Es ist wichtig, dass sie ganz offen mit ihren Eltern über ihre Aktivitäten im Netz sprechen können. Vor allem, wenn mal etwas schief läuft. Mit einem Verbot erreicht die EU das Gegenteil. Verbotenes ist für Jugendliche noch interessanter. Und gerade das ist gefährlich.

Die beschlossenen Regelungen erreichen also zum Teil das Gegenteil von dem, was sie ursprünglich hätten bewirken sollten. Statt für mehr Freiheit und Sicherheit zu sorgen, surfen wir in Zukunft so frei und selbstständig, wie es die EU uns erlaubt. Professor Härtling drückt es so aus: „Folgt man dem Text der Reform, ist es für den Bürger in vielen Konstellationen an der Grenze der Unmöglichkeit, seine Daten selbstbestimmt preiszugeben. Ob und wann er wirklich will, was er zu wollen erklärt hat, das weiß er nicht selbst, sondern der Staat im freundlichen Gewand der Datenschutzaufsicht.“

Gut ist, dass es nun einheitliche und einigermaßen klare Regeln für die Datenverarbeitung in ganz Europa gibt. Doch setzt man eher auf staatliche Kontrolle statt auf Selbstbestimmung. Keine guten Voraussetzungen, um den technologischen Vorsprung der USA aufzuholen. Gegen die Altersregelung gibt es bereits eine Petition von einer englischen Organisation, die sich gegen Cyber-Mobbing unter Kindern und Jugendlichen einsetzt, in der es unter anderem heißt: „Die Stimme der Kinder muss gehört werden. Diese Reform widerspricht der gut erforschten Entwicklung von Kindern.“

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