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FullSizeRender (4) Eventbrite-Mitgründer Renaud Visage

Vor zehn Jahren gründete Renaud Visage das Ticket-Unternehmen Eventbrite gemeinsam mit Julia und Kevin Hartz. Seitdem ist das Unternehmen stark gewachsen: In 20 Ländern wickelt Eventbrite nach eigenen Angaben insgesamt vier Millionen Ticket-Verkäufe pro Monat ab. Angeschoben wurde das Wachstum unter anderem durch knapp 200 Millionen US-Dollar von Investoren. Bei der letzten Finanzierungsrunde im Jahr 2014 lag die Bewertung von Eventbrite bei über einer Milliarde Dollar.

Seitdem ist es um das Unternehmen aus San Francisco ruhiger geworden, es gab weder neue Runden noch konkrete Exit-Pläne. Wir haben Mitgründer Renaud Visage beim Pirate Summit in Köln getroffen und mit ihm über Profitabilität und seine Erfahrungen der vergangen Jahre gesprochen.

Renaud, im Januar 2015 habt Ihr ein Büro in Berlin eröffnet, weil das Deutschland-Geschäft nicht so anlief, wie Ihr es geplant hattet. Hat das geholfen?

Wir haben viel ausprobiert, das Berliner Büro ist unser erstes in einem nicht-englischsprachigen Land. Aber hier präsent zu sein und dieselbe Sprache wie die Kunden zu sprechen, hat uns sehr geholfen und wir sind in Deutschland stark gewachsen. Zurzeit ist unser Geschäft in Deutschland der wahrscheinlich am schnellsten wachsende Teil unseres Unternehmens.

Welche Erfahrungen habt Ihr mit dem Büro gemacht?

Wir mussten erstmal herausfinden, was funktioniert und was nicht. Es war eine Herausforderung, in einem Land bekannt zu werden, das fast unberührt von unserem Ruf in englischsprachigen Ländern war. Wir haben gelernt, dass Menschen in Deutschland sehr viel Wert darauf legen, auch auf deutsch zu kommunizieren und eben auch lokale Ansprechpartner erwarten, die ihre Sprache sprechen. Gleichzeitig sind Deutsche den Marken gegenüber sehr treu, mit denen sie zufrieden sind. Dann tolerieren sie auch, wenn mal was schief geht und das über einen längeren Zeitraum.

Eventbrite gibt es nun seit zehn Jahren, das ist eine lange Zeit und Ihr Gründer seid noch immer an Bord. Was ist für Dich das wichtigste Learning der vergangenen Jahre?

Die Qualität des Teams ist wichtig. Wenn das Unternehmen noch klein ist, denkt man, das sei nebensächlich. Immerhin bist du als Gründer da und hast alles unter Kontrolle. Aber wenn man wächst, wird die Qualität der Mitarbeiter irgendwann entscheidend. Gute Mitarbeiter sind wichtiger als Finanzierungsrunden. Denn am Ende sind sie es, die dein Unternehmen wirklich nach vorne bringen.

War es für Dich jemals schwierig, ein Unternehmen mit einem Paar wie Julia und Kevin es sind zu führen?

Nein, das war es nie. Das Gute ist, dass wir drei komplett verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften haben. Das haben wir respektiert. Ich war der Tech-Typ, Kevin hat sich um die Produktentwicklung und Personal gekümmert, Julia war für Sales und Marketing zuständig. Das hat gut geklappt, denn wir haben uns ergänzt. Wann immer ich auf ein Startup treffe, bei dem das Gründerteam aus drei Ingenieuren besteht, mache ich mir Sorgen. Sie werden nicht in der Lage sein, alles umzusetzen, was in einem Startup gemacht werden muss. Sie haben höchstwahrscheinlich zu ähnliche Fähigkeiten und Denkweisen.

Also gibt es bei Euch Gründern wenig bis keine Streitigkeiten oder Spannungen?

Wir können immer rational miteinander diskutieren. Es hilft nicht, wenn man sich anschreit. (Lacht)

Viele Gründer opfern ihre gesamte Zeit für ihr Startup. Steht das Unternehmen bei Dir auch immer im Vordergrund Deines Lebens?

Am Anfang will man natürlich so viel Zeit wie möglich mit dem Unternehmen verbringen. Man lernt viel, es ist aufregend und herausfordernd. Aber es ist wichtig, auch mal Abstand von der Firma zu bekommen. Nur so kann man besser einordnen, was im Unternehmen und in der Welt um einen herum passiert. Ich fahre jedes Jahr in Urlaub.

Arbeitest Du, wenn Du im Urlaub bist?

Es gibt Arbeit, die sich wie solche anfühlt – und Arbeit, die sich nicht so anfühlt. Auch wenn ich Urlaub habe, möchte ich gerne wissen, was bei Eventbrite los ist. Aber ich würde keine ganze Urlaubswoche mit Arbeit verbringen. Ich war letztens zwei Wochen in der Mongolei, ohne Internet. Ich weiß ja, dass es auch ohne mich weiterläuft. Dein Ziel als Gründer sollte sein, dass dein Startup auch ohne dich funktioniert. Wenn du im Unternehmen durchgehend gebraucht wirst, bedeutet das, dass du nicht besonders gut darin bist, Aufgaben abzugeben und Mitarbeitern Verantwortung zu übergeben.

Seit Jahren verfolgt Euch das Thema Börsengang. Wann werden wir Eventbrite an der Börse sehen?

(Lacht) Wir reden mit der Presse und auf Konferenzen seit bestimmt fünf Jahren darüber. Für uns war der Börsengang nie ein Ziel. Wir konzentrieren uns darauf, profitabel zu werden.

Wie nah seid Ihr denn an der Profitabilität?

Wir haben es noch nicht ganz geschafft, sind aber nahe dran. Das ist uns wichtig, auch damit wir über unser eigenes Schicksal verfügen können. So lange du VC-Geld nutzt, um zu wachsen, wirst du immer von der nächsten Runde abhängig sein. Wenn du auf dein eigenes Kapital vertrauen kannst, ist das eine viel angenehmere Situation. Und dann kannst du immer noch entscheiden, ob du an die Börse gehen willst.

Ihr habt 200 Millionen Dollar von Investoren eingesammelt – bekommt Ihr von ihnen keinen Druck, einen Exit hinzulegen?

Unsere Unternehmensstrategie ist mit unseren Investoren abgestimmt und der Firmenvorstand ist sich einig, dass es in Zukunft einen Börsengang geben wird – aber wirklich nur, wenn die Konditionen stimmen. Ein möglicher IPO wäre aber nur ein weiterer Meilenstein und nicht das A und O für uns.

Was bringt die Zukunft noch für Eventbrite außer einen möglichen Börsengang?

Unsere Haupteinnahmequelle waren bisher immer die Gebühren, die wir von Veranstaltern genommen haben. Dann haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie wir auch in andere Bereiche der Events vordringen können. Deshalb experimentieren wir mit dem Internet der Dinge, damit können wir auch auf den Veranstaltungen selber präsent sein. Wir entwickeln zum Beispiel Hardware, die den Einlass bei einer Veranstaltung beschleunigen und kontrollieren soll. Ein anderes Beispiel ist bargeldloses Bezahlen, dabei könnten Eventbesucher mit Armbändern und darin enthaltenen Chips an den Ständen auf der Veranstaltung bezahlen.

Danke für das Interview, Renaud.

So sieht das Berliner Büro von Eventbrite aus:

So sieht das Mini-Büro von Eventbrite aus

Bild: Gründerszene/Kim Richters