Facebook
Unglaublich, was man sich auf Facebook gefallen lassen muss.

Zu viel ist zu viel. Immer wieder diese Facebook-Diskussionen, die aus dem Ruder laufen. Man erlebt, wie intelligente Freunde es schaffen, innerhalb von Minuten die Fassung zu verlieren und wildfremde Menschen zu beleidigen. Zuletzt wurde ich von einem FB-Freund entfreundet, weil er gemerkt hatte, dass ich die AfD-Seite geliked habe. Unter seinem Abschiedspost entspann sich eine Diskussion, die mir zeigt, dass hier etwas nicht stimmt. „Der Diskurs ist im Arsch“, schreibt ein anderer Freund und trifft es auf den Punkt.

Die einfachsten Nachrichten werden missverstanden. Die Form und ganz normale Höflichkeit werden wegen Nichts in den Wind geschrieben. Kaum jemand hat eine Vorstellung davon, wie Facebook überhaupt funktioniert. Dass man sehen kann, welche Seiten Freunde geliked haben, wird als „Stasi-Methode“ bezeichnet. Aufrechte Kämpfer gegen Filterblasen verlieren die Fassung, weil ich aus Jux und Dollerei die Flat-Earth-Society abonniert habe. Die Erde ist keine Scheibe. Ich weiß.

Was ist denn los da draußen? Wir sind es doch, die ganz normalen Menschen, die sich jetzt ein bisschen im Netzwerk herumtreiben und unterhalten wollen. Hier sind fünf Regeln, die ich an so lange an jeden Laternenmast kleben werde, bis dieser Unsinn aufhört. Der Diskurs muss heil gemacht werden.

1. Sei freundlich

Freundlichkeit ist die schwierigste Disziplin des Menschen. Nicht allzu viele Leute sind gut darin. Denn Freundlichkeit ist nicht die Gabe, einfach über jeden Quatsch und Unsinn hinweg zu lächeln. Freundlichkeit ist auch nicht das „Schunahmdno“ (Schönen Abend noch) des Dönerverkäufers. Freundlichkeit ist etwas für Fortgeschrittene.

In unseren Breiten wird Freundlichkeit noch immer mit Oberflächlichkeit und Indifferenz verwechselt. Dabei ist sie etwas ganz anderes. Der freundliche Mensch will auf intelligente Art und Weise einen angenehmeren Ort aus dieser Welt oder eben auch aus Facebook machen. Kontert jede Beleidigung mit ein paar freundlichen Worten. Seht mal, das klingt doch sofort anders. Freundlichkeit ist die gelebte Vermutung, dass der Andere Recht haben könnte. Das ist schwierig, ich weiß. Aber es lohnt sich, ihr bekommt das hin.

2. Sei humorvoll

Jetzt wird es noch etwas schwieriger. Humor ist nicht, wenn man einen Witz erzählt. Humor ist Leichtigkeit, Gewandtheit, die Fähigkeit, hinter den harten Gesichtern, Kommentaren und sonstigen zweifelhaften Einlassungen, echte Menschen mit all ihren Ängsten, Freuden und Menschlichkeiten zu vermuten. Gehört Humor in die Musik?, fragte einst Frank Zappa seine Zuhörer. Und er gab mit seinen hochironischen Texten und humorvollen Liveshows selber die Antwort. Humor gehört einfach überall hin. Ja, sogar zum Sex. Denn Humor ist eine Macht, die uns das Leben hier und auch in der digitalen Welt so viel angenehmer machen kann. Werft mal eine trockene Humorbombe in die Steppe einer überhitzten Facebook-Debatte. Ein Wunder wird geschehen.

3. Sei hilfreich

Bevor sich Leute in den Untiefen einer Diskussion verlieren, sind Fakten immer hilfreich. Gottseidank sind sie ja heute auf Knopfdruck erhältlich. Einfach mal nachschlagen. Ein paar Artikel lesen. Das schützt vor haltlosen Behauptungen und Verallgemeinerungen, die man selber im Netz verbreiten könnte. Ich könnte auch sagen: Es hilft generell immer, vor dem Kommentieren ein bisschen nachzudenken. Ich weiß, das klingt etwas harsch. Aber so wären eigene Beiträge oft hilfreich und bereicherten jede Diskussion. Wenn man nicht versteht, warum eine kleine Software ziemlich schnell Freundeslisten auf Facebook auswerten kann, könnte man doch kurz nachschlagen, bevor man einen schiefen Vergleich mit der Stasi anstellt. Hilft auch dem eigenen Karma ungemein.

4. Sei vorsichtig

Menschen auf Facebook sind ungewöhnlich sensibel. Schriftliche Auseinandersetzungen sind schwierig. Kommunikation hat auch einer körperliche Seite. Die entfällt im Netz oder auch in Emails. Manchmal ist es ein Blick, der einen Kommentar erst verständlich macht. Oder eine Handbewegung. Auch die Körperhaltung verrät viel. Das alles bekommen wir in diesen Kommentargirlanden unter umstrittenen Postings nicht mit. Missverständnisse sind die Folge. Da heißt es vorsichtig nachhaken, wie Argumente gemeint sind. Ob vielleicht Ironie eine Rolle gespielt hat. Das lässt sich per Direktnachricht schnell erledigen. Das kostet zwar etwas Zeit, aber die Chance, dass eine Facebook-Diskussion in ein Blutbad ausartet, ist deutlich geringer.

5. Sei offen

Eine gute Diskussion läuft so: Verschiedene Ansichten treffen aufeinander. Alle Seiten versuchen, mit Argumenten die eigene Position zu untermauern. Selten hat man erlebt, dass sich nach einem solchen Austausch die Positionen der Diskutanten verändert hätten. Macht aber nichts. Denn das gegenseitige Verständnis hat sich vielleicht verbessert. Allerdings nur, wenn man es für möglich hält, dass es berechtigte andere Meinungen als die eigene zu einem bestimmten Thema gibt. Wenn man anfängt, diese Meinungen zu diskreditieren, wird es schwierig.

Neulich wurde mir vorgeworfen, man würde mich bezahlen, damit ich bestimmte Haltungen einnehme. Mein Hinweis, dass das eine ziemlich grobe Beleidigung sei, wurde überhaupt nicht verstanden. Das passiert, wenn man die eigene Position für die einzig gültige oder moralisch weit überlegene hält. Alles andere muss sich dann ja aus dunklen Quellen speisen. Nein! Alles andere hat mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine Berechtigung. Und man sollte sich noch mehr mit abweichenden Meinungen beschäftigen. Zum Beispiel Medien lesen, die nicht die eigene Meinung vertreten, ohne gleich eine Verschwörung dahinter zu vermuten. Ich weiß, das ist nicht einfach. Aber durchaus machbar.

So. Und das üben wir jetzt alle zusammen, bis der Diskurs wieder heil ist. Ich selber auch. Versprochen. Ab heute. Denn so wie es jetzt läuft, kann es ja nicht bleiben. 

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