Facelift Benjamin Schröter Teja Töpfer
Facelift Benjamin Schröter Teja Töpfer Die Facelift-Gründer Benjamin Schröter (CEO, links) und Teja Töpfer (COO)

Facelift: „Am Anfang kein Geld zu haben ist gut!“

Drei Jahre lang hatten die Gründer ihr Unternehmen gebootstrapped, dann erhielt das Social-Media-Unternehmen Facelift eine der größten Erstfinanzierungen für ein Hamburger Startup: Vor genau einem Jahr machten die Hamburger mit einer Finanzierungsrunde über 15 Millionen US-Dollar Schlagzeilen. Was macht eine solche Summe mit einem jungen Unternehmen? Wir baten die beiden Gründer Benjamin Schroeter (CEO) und Teja Töpfer (COO) um eine persönliche Bewertung des letzten Jahres und wollten wissen, wie sich ihr Geschäftsleben seitdem verändert hat. Hier ist ihr Erfahrungsbericht …

… über die ersten Monate nach dem Start

Benjamin Schroeter: Da Teja und ich bei Null anfingen, mussten wir uns von Anfang an darauf konzentrieren, nur Dinge zu machen, die echte Kundenbedürfnisse bedienen und damit auch sofort zu Aufträgen führen. Allein aus eigener Kraft konnten wir so schon im ersten Jahr rund eine Million Euro an Bookings einholen und haben uns seitdem jedes Jahr mehr als verdoppelt. Das hat uns, unsere Firma und unsere Kultur enorm geprägt.

So betrachtet sind wir heute froh, dass wir kein Seedinvestment hatten. Es war ein Risiko, aber gleichzeitig ein riesiger Werttreiber. Wir waren gezwungen, von Anfang an profitabel zu arbeiten. Wir mussten in der Lage sein, sehr schnell zu erkennen, was funktioniert – und was nicht.

… über das Bootstrapping

Benjamin Schroeter: Wir haben in den ersten drei Jahren nach und nach rund 50 feste Mitarbeiter eingestellt und am Ende jedes Quartals war immer noch Geld übrig. Nach 36 Monaten waren wir uns dann sicher: Wir wissen, wie es geht, jetzt können wir noch viel stärker aufs Gas treten. Also haben wir uns einen Investor an Bord geholt.

… über den Finanzierungsprozess

Teja Töpfer: Eine externe Unternehmensfinanzierung ist ein längerer Prozess, in dem viele Leute involviert sind, die relativ wenig mit dem operativen Geschäft als solches zu tun haben. Die Beurteilung des Unternehmens – gerade bei größeren Finanzierungsrunden – findet überwiegend auf Basis nackter Zahlen statt. Uns war sehr bewusst, dass ein solcher Prozess viel Zeit und Kraft kostet. Übrigens auch im Nachgang, zum Beispiel durch neue Anforderungen im Reporting. Das lenkt alles vom eigentlichen Geschäft ab – und das kannst Du als Gründer in einer solchen Phase gar nicht brauchen.

Letztendlich konnten wir den gesamten Finanzierungsprozess in nur drei Monaten abwickeln. Der Tag der finalen Unterschrift war dann eher nüchtern: Es war vor (fast) genau einem Jahr, am 10. Februar 2014. Benjamin und ich waren mit unserem Londoner Investor und insgesamt fünf Anwälten in Hamburg beim Notar, um den Deal perfekt zu machen. Nach sechs Stunden war es dann soweit: Wir hatten mit 15 Millionen US-Dollar das bisher größte Wachstums-Investment in unserer Industrie in ganz Europa erhalten – und einen neuen Partner in unserer Firma.

… über die Wachstumsstrategie

Benjamin Schroeter: Wir wollten nicht, dass das recht große Investment einer Zäsur gleichkommt: Jetzt hat man plötzlich viel Geld, jetzt kann man vieles anders machen. Dinge tun, die man sich vorher nicht leisten konnte. Stattdessen haben wir beschlossen: Mehr vom Gleichen! Wenn etwas funktioniert, dann machen wir das auch konsequent weiter so.

Skalierung ist wichtig in unserer Branche. Denn Unternehmensgröße und Entwicklungsgeschwindigkeit werden immer mehr zum entscheidenden Faktor für Vertrauen von Kunden. Daher kommt ja auch die Erfolgsformel „Zwei Prozent Idee, 98 Prozent Umsetzung“. Durch das Investment konnten wir die kritische Größe von weit über 100 Personen schneller erreichen, als dies organisch möglich gewesen wäre.

… über das Produkt

Teja Töpfer: Wir haben viel darüber gesprochen, wie das Investment unsere Firma verändert hat. Es hat Facelift größer, stabiler und sicherer gemacht und geholfen, unserem Produkt Facelift Cloud einen echten Quantensprung in der Entwicklung zu geben. Technologisch sind wir nun in der Lage, neue Komponenten in kürzerer Zeit zu entwickeln. Ganz konkret hat uns das Investment ermöglicht, rund 20 weitere Entwickler einzustellen.

… über das Personalwachstum

Teja Töpfer: Für 2014 hatten wir uns eine ganze Reihe an Zielen gesetzt: Wir wollten von 50 auf rund 150 Mitarbeiter wachsen, die Facelift Cloud weiterentwickeln und letztendlich die Marke von 1.000 Kunden knacken! Das haben wir geschafft. Die Logik dahinter ist einfach: Ein größeres Entwicklerteam kann schneller ein besseres Produkt bauen. Eine größere Sales- und Supportmannschaft kann schneller mehr Kunden gewinnen und diese dann auch besser betreuen.

Die richtigen neuen Kolleginnen und Kollegen für Facelift zu finden und diese schnell produktiv zu bekommen war eigentlich die größte Herausforderung für uns im letzten Jahr. Um hier nichts dem Zufall zu überlassen, haben wir für das Recruiting eine spezielle Stabstelle eingerichtet. Um unsere bestehende Unternehmenskultur nicht zu verwässern, haben wir als Gründer bei allen Bewerbern selbst die finale Entscheidung getroffen.

Ein strukturiertes Onboarding-Programm, Mitarbeiter-Patenschaften sowie unser Einteilung in spezialisierte „Units“ sorgten und sorgen dafür, dass wir dieses rasante Mitarbeiterwachstum erfolgreich managen und rund 100 neue Mitarbeiter gut in unsere Organisation integrieren konnten.

… über die Investoren

Benjamin Schroeter: Es war uns von Gründung an wichtig, immer den Überblick über die Fakten unserer Firma zu haben. Deshalb haben wir uns sehr früh dazu entschlossen, eine bekannte CRM-Software als zentrales Tool bei Facelift einzusetzen. Das hat dann auch sehr bei den Investoren-Gesprächen geholfen.

Da mit Investment und Wachstum unsere Finanzen an Komplexität gewonnen haben, haben wir Ende letzten Jahres den ehemaligen Venture-Capital-Investor und Wirtschaftsprüfer Dirk Weipert als CFO eingestellt. Je größer ein Unternehmen wird, umso wichtiger ist es, jederzeit ein plausibles und nachvollziehbares Zahlenwerk vorlegen zu können und so für alle Eventualitäten der Unternehmensentwicklung gewappnet zu sein. Das ist nicht nur wichtig für den Investor, sondern auch für uns selbst, denn eine perfekte Finanzplanung ist ein wesentliches Element für eine gesunde Organisation – und lässt uns persönlich sehr ruhig schlafen.

… über ihre eigenen Erfahrungen

Teja Töpfer: Hat uns das Investment verändert? Das müssen eigentlich andere beurteilen, aber ich hoffe, wir sind uns treu geblieben. Wir arbeiten mit dem gleichen Herzblut, dem gleichen Ehrgeiz und dem gleichen Arbeitsansatz weiter. Ich habe das Gefühl, dass die 15 Millionen Dollar vor allem eine Bestätigung für uns waren, Dinge richtig gemacht zu haben. Und hier liegt auch die Gefahr. Nur weil vier Jahre lang alles super war, dürfen wir jetzt nicht nachlassen.

… über die nächsten Schritte

Benjamin Schroeter: Die gesamte Industrie von „Social Media Management Tools“ ist noch relativ jung. In Europa existiert sie eigentlich erst wirklich seit zwei Jahren. Davor waren die Budgets für das Thema zu klein und die Verantwortlichkeiten bei Unternehmen nicht klar genug. Im Ergebnis gibt es derzeit keinen „European Champion“ auf Anbieterseite. In 2015 werden wir intensiv unsere Auslandsaktivitäten weiter ausbauen – mit dem Ziel, in einer Vielzahl an Ländern die (lokale) Nummer eins zu werden.

Dieser Prozess läuft bereits und passiert in zwei Stufen. Im ersten Schritt bauen wir mit unserem „Inside Sales Team“ in allen relevanten europäischen Ländern ein Set von 40 bis 50 Pilotkunden. Sobald wir in einem Land diesen Meilenstein erreicht haben, eröffnen wir ein Büro vor Ort zur weiteren Skalierung. Aus heutiger Sicht schätze ich, dass wir in den nächsten 24 Monaten so auf ungefähr 250 feste Mitarbeiter anwachsen werden. Dabei wird der Anteil an Sales-Mitarbeitern auf über 50 Prozent steigen. Auf Seiten des Produkts wird es natürlich weiterhin einen konstanten Strom an neuen Modulen, Funktionen und Features geben.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum wir so ein großes Investment aufgenommen haben. Die Kombination aus einem sehr gesunden operativen Geschäft und externem Investment führt dazu, dass wir kein weiteres Geld für unsere weiteren Wachstumspläne brauchen. Wir sind durchfinanziert und unsere Investorenstrategie „Nur einmal, dann aber richtig“ scheint – bislang – aufgegangen.

Bild: Facelift