Bike-compressorWenn zwei sich streiten, freut sich der Radfahrer. In Berlin stehen sich ab März zwei Leihrad-Allianzen gegenüber: auf der einen Seite die Deutsche Bahn (DB) und Lidl, auf der anderen der Berliner Senat und das Leipziger Startup Nextbike. Der Konkurrenzkampf um die Fahrrad-Hoheit in der Hauptstadt dürfte hart werden.

Der Senat hatte der Bahn zum Jahresende den Vertrag für Call a Bike gekündigt und einen neuen mit Nextbike geschlossen. Aber der DB-Konzern wollte sich nicht geschlagen geben. Und startet gemeinsam mit dem Sponsor Lidl ab 5. März ein eigenes Bike-Sharing-Angebot – ohne Fördermittel vom Land Berlin.

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Lidl-Bike heißen die neuen Leihräder, betrieben werden sie wie Call a Bike von der Bahn. Lidl steuert nicht mehr bei als den Namen und finanzielle Unterstützung. Ganz offensichtlich rechnet sich Bike-Sharing ohne Sponsor oder Subventionen nicht – bei der Bahn wie bei Nextbike.

Mit 3500 silber-quietschgrünen Rädern geht Lidl-Bike an den Start, das sind mehr als doppelt so viele, wie Call a Bike im vergangenen Jahr in der Stadt hatte. Die Räder können überall innerhalb des S-Bahn-Rings ausgeliehen und dort an jeder Straßenecke zurückgegeben werden. Im Basis-Tarif kostet Lidl-Bike einen Euro je 30 Minuten, wenn der Kunde bei der Rückgabe eine der 353 Rückgabezonen nutzt. Muss er aber nicht, aber dann wird die Leihgebühr teurer. Im Komfort-Tarif ist die erste halbe Stunde kostenlos.

Nextbike wird mit 7,5 Millionen Euro gefördert

Lidl-Bike reagiert damit auf die Kritik des Berliner Senats, der sich an der Umstellung von Call a Bike auf feste und damit für die Kunden unkomfortablere Leih- und Abgabestationen in der Stadt gestört hatte. Darüber hinaus zeigte der Senat ungewohnt ästhetisches Gespür und nannte die Beton-Quader, in denen die Bahn-Bikes abgestellt werden, schlicht eine Zumutung fürs Stadtbild.

Doch die 150 festen Stationen sind sowieso bereits verschwunden und werden nicht wieder aufgestellt. Die Bahn musste sie zugunsten von Nextbike im November 2016 abbauen. Die Kunden von Call a Bike können nun auf Lidl-Bike ohne gesonderte Anmeldung zugreifen. Umgekehrt steht den Kunden von Lidl-Bike das gesamte Call-a-Bike-Angebot deutschlandweit ohne eine weitere Registrierung zur Verfügung. Eine App hilft bei der Suche nach dem nächsten Rad.

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Und wer bei Lidl-Bike keins findet, steigt einfach auf ein Nextbike. Davon soll es ab Frühjahr 2000 Stück an mehr als 200 Ausleihstationen geben. Bis 2019 soll ein Mietsystem mit 700 Stationen und 5000 Rädern aufgebaut werden. Der Senat fördert den Bahn-Konkurrenten mit insgesamt 7,5 Millionen Euro. Erste Fahrversuche hat Nextbike bereits im Rahmen eines begrenzten Angebots im Bezirk Lichtenberg unternommen.

Nextbike ist mit Partnern deutschlandweit an 45 Standorten vertreten. Eines der silbernen Räder mit blauem Logo kostet einen Euro pro halbe Stunde – also wie bei Lidl-Bike. Wer ein Jahresabo für 48 Euro abschließt, bekommt die ersten 30 Minuten kostenlos. Ab 4,5 Stunden Leihdauer werden neun Euro fällig. Dafür kann man das Rad dann insgesamt 24 Stunden nutzen.

Senat führt „keinen Kleinkrieg gegen die Bahn“

Der Berliner Senat reagiert wenig erfreut über den Neustart der Bahn im Leihradgeschäft. Man fürchtet um die Wirtschaftlichkeit von Nextbike und damit um die eigenen Fördermittel. Die Nachfrage werde für zwei Bike-Sharing-Anbieter in Berlin nicht ausreichen, glaubt man in der Senatskanzlei. Man führe keinen Kleinkrieg gegen die Bahn, sondern habe festgestellt, dass bei Call a Bike rechnerisch jedes Rad nur ein Mal am Tag genutzt worden sei, das sei zu wenig gewesen, heißt es. Mit zwei Anbietern steige der Druck auf beide Seiten erheblich.

Die Bahn kontert, in der 3,5-Millionen-Stadt sei Platz genug für mehrere Bike-Sharer. Nach eigenen Angaben hat Call a Bike in Berlin 77.600 angemeldete Nutzer, die Leihfahrräder für 195.000 Fahrten pro Jahr ausleihen würden, das war der Stand im Jahr 2014. Auf dieser Basis wollen DB und Lidl nun weitermachen.

Und was treibt Lidl zum Einstieg ins Leihrad-Geschäft? Der Discounter will damit sein Image aufpolieren. Mit Leihrädern kann man die Botschaft senden, umweltbewusst zu sein. Wer sich im Zweirad-Verleih und noch dazu in der angesagten Shared Economy tummelt, wirkt sympathisch und modern.

Lidl setzt seit geraumer Zeit auch schon auf Kunden mit E-Autos. „Unser Ziel ist es, nachhaltigster Discounter in Deutschland zu werden. Lidl-Bikes ermöglicht den Berlinern als zusätzlicher Baustein den Einstieg in die emissionsfreie Mobilität – wie schon mit den ersten Lidl-Ladesäulen für Elektroautos und E-Bikes, die auch in der Hauptstadt installiert werden“, sagte Wolf Tiedemann von der Geschäftsleitung Lidl Deutschland.

Und für die Bahn geht es darum, das Rad-Geschäft in der Hauptstadt nicht zu verlieren – und vielleicht auch ein wenig darum, dem Berliner Senat eins auszuwischen. Land und Konzern beharken sich seit Jahren. Hauptstreitpunkt ist die S-Bahn, deren Betrieb eine Ansammlung von Betriebsstörungen ist. Der Senat hat viel versucht, der Deutschen Bahn wenigstens Teile des S-Bahn-Netzes bei Ausschreibungen wegzunehmen, aber wenig erreicht. Und auch um das Leihrad-Geschäft ringt die Bahn verbissen. Schließlich wolle man den Kunden komplette „Reiseketten“ anbieten – Mobilität von Tür zu Tür. Und die beginnt bekanntlich weder am Bahnhof oder an der U-Bahn.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: Deutsche Bahn