Stets betont Startup-freundlich: FDP-Chef Christian Lindner

Lieber Herr Lindner,

es freut uns sehr, dass Sie es mit der Erneuerung – will heißen: Verjüngung – Ihrer Partei offenbar ernst meinen. Dass Sie überall in Berlin knallbunte Plakate haben verteilen lassen. Auch bei uns im Gründerszene-Büro übrigens, wir mussten schon etwas überlegen, bevor wir verstanden haben, dass es von Ihnen kommt. Dass Parteitage im Jahr 2016 ganz offenbar nicht angestaubt wirken müssen, sondern in, entschuldigen Sie die Formulierung, hippen Locations stattfinden können. „Sneakers statt Lederschuhe“ ist ein Motto, mit dem wir uns gut anfreunden können.

Und wir haben mit Freude wahrgenommen, dass das offenbar selbst bei den Altvorderen Ihrer Partei positiv ankommt, zumindest bei vielen. Eine Partei wie ein Startup zu führen, das betont die Kampfeslust. Den Willen, etwas Großes aufzubauen. Oder zumindest wieder zu Etwas zu machen. Ihre Partei, die FDP, macht einen Pivot, der seinesgleichen sucht – sollte er denn am Ende funktionieren.

Dass sie parallel zum eigenen Neuverständnis die Themen Digitalisierung und Startups ganz oben auf Ihrer Agenda zu haben scheinen, ist ein wundervolles Signal. Die Wirtschaft, allen voran der deutsche Mittelstand, wird es Ihnen irgendwann danken, ganz sicher. Frau Merkel hat sich ja selbst schon auf diesen Kurs begeben, auch wenn sie akut gerade mit anderen Problemen beschäftigt ist. Apropos, die Flüchtlingsthematik hätte am Wochenende gerne etwas konkreter besprochen werden können.

Herr Lindner, machen Sie die Gesellschaft als Ganzes unbedingt weiterhin darauf aufmerksam, wie fatal es wäre, die Digitalisierung zu verschlafen. Und was die überhaupt für Auswirkungen auf Schule, Beruf, Gesundheit und Staat haben wird. Wir sind froh, dass Sie sich so für Startups und alles Digitale einsetzen. Und es passt zu Ihrer Partei, denn hier tun sich um Google, Facebook oder dem digitalen Ich Fragestellungen auf, die eng mit dem liberalen Freiheitsbegriff verbunden sind. Dass es vielen Delegierten wieder Spaß macht in Ihrer Partei, ist zu großen Teilen der Verdienst Ihrer Kampagne.

Nur übertreiben müssen Sie es bitte nicht. Klar, Gründer sprechen gerne vom Gründersein und Sie hatten – ganz verdient! – großen Erfolg mit ihrer Wutrede Anfang vergangenen Jahres: Unternehmertum ist wichtig für Deutschland, und auf gescheiterte Gründer sollte nicht mit dem Finger gezeigt werden.

Aber vielleicht ginge es ja auch mit einer Startup-Analogie weniger, ab und an wenigstens. „Beta Republik Deutschland“ als Parteitagsmotto, weil Ihnen das offene Klima im Betahaus gefällt – okay, auch wenn man es dem einen oder anderen Alpha-Tier in Ihrer Partei wohl erst einmal erklären musste. „Beta ist eine Lebenseinstellung“, haben Sie gesagt, und da ist sicherlich etwas dran. „Testphase“ hier, „Agilität“ da. „Trial and Error. Trial and Error. Trial and Erfolg.“ Sie haben gesagt, dass sie von „Bullshit-Bingo“ genug haben. Da möchten wir Ihnen nur vorsichtig raten, sich nicht womöglich selbst in eines zu verrennen.

Jedenfalls freuen wir uns schon darauf, wenn von der FDP Startup-freundliche Taten folgen. Versprochen hat die Politik ja schon einiges. Allerdings wurde bislang nicht allzu viel geliefert. Das wäre eine echte Chance, spätestens wenn Ihr Turnaround geschafft ist.

Beste Grüße,
Ihre Gründerszene

Bild: Thomas Niedermueller / Getty Images