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Monatelang hatten die Bundestagsparteien 2012 darüber diskutiert, ob man in Deutschland erstmals private Fernbuslinien an den Start gehen lassen soll. Am Ende wurde übereinstimmend entschieden: Der Buslinienfernverkehr wird freigegeben. „Zukünftig sind überall in Deutschland Fernbuslinien möglich, die untereinander und auch mit dem Eisenbahnfernverkehr konkurrieren dürfen“, hieß es in einem fraktionsübergreifenden Beschluss.

Das war eine Revolution. 75 Jahre lang beherrschte die Deutsche Bahn (DB) mit ihren Zügen und ein paar Bussen den öffentlichen Personenfernverkehr – das Monopol sollte gebrochen werden.

Die Logik dabei: Mehrere Anbieter bedeuten mehr Wettbewerb, bedeutet, dass die Preise sinken. „Der Verbraucher wird ab 2013 die Möglichkeit haben, auch über längere Strecken kostengünstig mit dem Bus zu reisen“, versprach der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Das eine Versprechen wurde gehalten, das andere Ziel klar verfehlt.

Richtig ist: Reisen mit dem Fernbus ist billig, sogar spottbillig. Allerdings wurde das einstige Monopol der Deutschen Bahn jetzt faktisch durch ein anderes ersetzt: Mit der Übernahme des Fernbusgeschäfts der Deutschen Post hat Flixbus nun einen Marktanteil von rund 87 Prozent. Der letzte verbleibende große Wettbewerber ist nun die Deutsche Bahn mit ihren Marken BerlinLinienBus und IC-Bus.

Oder besser: Die Bahn wäre der letzte Rivale. Denn nach Informationen der Welt will sich auch die DB stückweise aus dem Fernbusgeschäft zurückziehen beziehungsweise das Angebot deutlich zusammenstreichen. „Auch wir fahren leider mit Dumpingpreisen nur Minuserträge ein. Wir werden uns mit Sicherheit im zweiten Halbjahr intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie wir das Fernbusgeschäft anders gestalten können“, hatte Bahnchef Rüdiger Grube vor wenigen Tagen angekündigt.

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„Denn wir können nicht zuschauen, dass wir auf der einen Seite das Geschäft insgesamt im Konzern restrukturieren, um positive Zahlen zu schreiben, und auf der anderen Seite leisten wir uns Geschäfte und machen den Blödsinn mit – entschuldigen Sie, dass ich das so sage –, dass wir hier zu Dumpingpreisen fahren.“ Damit ist Flixbus auf dem Weg zum Monopolisten.

Wer einen Markt weitgehend allein beherrscht, kann in aller Regel die Preise diktieren. Fernbusreisen in Deutschland müssten also nach dem Coup von Flixbus mit der Post teurer werden. Und weil Übernahmen und Zukäufe ja nur Sinn ergeben, wenn man Synergien hebt und Angebote streicht, müsste eigentlich auch das Liniennetz dünner beziehungsweise die Zahl der Fahrten pro Tag reduziert werden.

„Wir werden die Preise nicht anheben“

Doch es kann auch anders kommen. Das Fernbusmonopol muss für den Kunden kein Schaden sein, meint der Kartell- und Wettbewerbsrechtler Martin Gramsch von der Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf. „Preise diktieren kann nur, wer sich völlig vom Marktgeschehen abkoppeln kann“, sagt er. Und das sei bei Flixbus nicht der Fall.

Flixbus-Chef André Schwämmlein verspricht denn auch gegenüber der Welt: „Wir werden die Preise nicht anheben.“ Aber wie realistisch ist das? Keiner der Fernbusanbieter hat in diesem Geschäft bislang Geld verdient. Im Moment fahren die Fernbusse für 3,7 Cent pro Bus- und Personenkilometer. Sie müssten aber mindestens sechs Cent pro Personen- und Buskilometer einnehmen, um schwarze Zahlen zu schreiben.

Der ADAC ist deshalb bereits 2015 aus dem Fernbusgeschäft mit Postbus ausgestiegen. Flixbus fusionierte mit Meinfernbus, um über Größe rentabler zu werden und schluckte dann den superaggressiven Angreifer Megabus. Der zur Stagecoach-Gruppe gehörende Fernbusanbieter hatte sich mit Gratisfahrkarten und Ein-Euro-Tickets 6,8 Prozent Marktanteil erkauft. Doch auch nach diesem Großreinemachen blieben die Preise im Fernbusgeschäft im Keller.

„Die prognostizierte Verteuerung der Fernbustickets ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Stellenweise ist der Fernbus sogar noch günstiger geworden, da sich die Anbieter gegenseitig in Sachen gut und günstig zu überbieten versuchen“, stellt ein Branchendienst fest. „Inwieweit das langfristig gut geht, bleibt abzuwarten, jedenfalls manifestiert sich weiterhin der Eindruck, dass die Gewinnmargen sehr eng sind und dass sich daran, wenn der Markt so bleibt, auch erst mal nichts ändern wird.“ Teurere Fahrkarten könnten weiteres Wachstum ganz abwürgen.

Wie lange kann sich Flixbus das noch leisten?

Der neue Branchenriese Flixbus ist also unter Druck. Und so groß er auch ist: Geld verdient hat selbst er bislang nicht. Dennoch bleibt Schwämmlein bei seinem Preisversprechen. „Wir sind da nicht so frei in unserer Entscheidung, wie man denken könnte. Der Kunde entscheidet über die Tarife. Und der Kunde hat viele Alternativen“, so Schwämmlein.

Mitfahrzentralen zum Beispiel, neue Carsharing-Portale im Internet für längere Reisen, die Billigairlines zum Teil, vor allem aber das Auto. „Das Auto ist unser größter Konkurrent, nicht irgend ein anderer Busanbieter. Und so lange die Spritpreise auf einem derart niedrigen Niveau sind wie zurzeit, müssen wir uns ganz schön was einfallen lassen, um die Menschen in unsere Busse zu locken“, so Schwämmlein. Für Preisanhebungen sei da kein Spielraum.

Wettbewerbsexperte Gramsch geht ebenfalls davon aus, dass die günstigen Kraftstoffpreise Flixbus von höheren Tarifen abhalten werden – vorerst. „Wenn die Spritpreise allerdings wieder anziehen, haben gerade Unternehmen wie Flixbus natürlich höhere Kosten, und die werden sie an die Kunden weitergeben“, sagt er.

Gramsch glaubt außerdem, dass Flixbus dann die Chance nutzen und mit Preiserhöhungen die Marge nach oben schrauben werde. Wer kaum Konkurrenz hat, kann sich das leisten. Zudem stellt sich schon jetzt die Frage, wie lange sich Flixbus die Billigtour noch leisten kann.

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„Wir müssen die Busse nur voll bekommen“

Immer nur wachsen ist auf Dauer keine Strategie, wenn man am Ende kein Geld verdient. Zumal sich Flixbus auf immer schärfere Konkurrenz anderer Verkehrsanbieter einstellen muss.

Die Bahn überschwemmt derzeit den Markt mit Sparpreisen, die Billigairlines entdecken zunehmend innerdeutsche Flüge als Geschäft. Wer Fernbus fährt, ist ganz besonders preissensibel oder hat schlicht nicht das Geld, teurer zu reisen – die Fahrkarten teurer machen, würde sofort Kunden kosten.

Für die Bahn hat Grube zum Beispiel die Formel 1:2,3 aufgestellt: „Ein Prozent Fahrpreiserhöhung kostet uns im Durchschnitt das 2,3-Fache an Kunden“, hat der Bahnchef ausgerechnet. Bei Flixbus wäre der Faktor sicher deutlich größer als 2,3.

Der Flixbus-Chef ist zudem sicher, dass sein Busriese auch ohne Preiserhöhungen auskommen kann. „Man kann in diesem Geschäft trotz günstiger Angebote profitabel sein. Dafür muss man die Busse zu mindestens zwei Drittel voll bekommen. Uns gelingt das als einzigem Anbieter, und ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr erstmals profitabel sind“, sagt Schwämmlein. Das wäre ein Novum in der Branche.

Die Wettbewerbshüter muss Flixbus übrigens trotz seines Übernahmehungers nicht fürchten. Das Bundeskartellamt war zwar über die Übernahme von Postbus informiert, sieht aber keinen Handlungsbedarf. Die Umsätze der Beteiligten sind einfach zu gering. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. „Es war allerdings keines dieser Ein-Euro-Geschäfte“, sagt Schwämmlein.

Wie viel von dem Busnetz der Post nun bleibt, ist fraglich. Die ersten Postbus-Linien sollen ab November in das Flixbus-Netz integriert werden. Bis dahin ändert sich für die Postbus-Kunden nichts.

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Alle Linien seien bis zum 31. Oktober buchbar und die Postbusse würden weiter in gewohnter Zuverlässigkeit fahren, heißt es. Erst danach werden die gelben Busse aus dem Straßenbild verschwinden. „Wir werden prüfen, welche Linien wir in unser Netz integrieren können“, kündigt Schwämmlein an. Und man werde sich anschauen, mit welchen der mittelständischen Busunternehmer, die bislang für die Post gefahren sind, man weiterhin zusammenarbeiten werde. Derzeit ist nicht klar, ob man überhaupt noch alle Postbusse brauche, heißt es bei Flixbus.

Für die Kunden verspricht Schwämmlein auf jeden Fall Verbesserungen. „Wir schauen uns an, wie wir die Verbindungen der Post und von uns optimieren können“, sagt er. Bislang seien Busse der Post und von Flixbus mitunter kurz hintereinander zur selben Tour aufgebrochen. „Das können wir entzerren und bessere Abfahrtzeiten anbieten. Die daraus entstehenden Synergien wollen wir dafür nutzen, neue Städte an unser Netz anzuschließen“, so Schwämmlein.

Flixbus bietet nach eigenen Angaben täglich 900 Verbindungen in 20 Ländern an. 20 Millionen Menschen haben nach Unternehmensangaben 2015 in Europa den Flixbus genutzt. Für 2016 rechnet das Unternehmen mit einem Zuwachs von 50 Prozent auf 30 Millionen Kunden.

Der Deal mit der Post soll jedenfalls nicht unbedingt der letzte Zukauf gewesen sein. „Wir können in Deutschland, Frankreich oder Italien aus eigener Kraft wachsen. Aber wir schauen uns die Unternehmen dort an. Und wenn sich eine weitere attraktive Gelegenheit bietet, sind wir offen für Übernahmen“, sagt Schwämmlein.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Die Welt.

Fotos: Flixbus, Grafiken: Die Welt