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Jens Ohr und Peter Schille von Finanzen.net

Finanzen.net – 15 Jahre Finanzgeschichte

Jens Ohr und Peter Schille treffen sich vor 15 Jahren zufällig in einem Kiosk. Was dann 1999 als Hobby-Finanz-Blog startet, ist heute mit Finanzen.net laut AGOF und IVW (2,37 Millionen Unique User, 17,67 Millionen Visits) das größte Finanzportal Deutschlands. Die zuvor zu Smarthouse Media gehörende Seite ist seit 2010 eine eigenständige Gesellschaft, ist Axel-Springer-Tochter und betreibt Ableger in der Schweiz, Österreich und Russland. Im Interview resümieren die beiden Gründer die Unternehmensgeschichte.

Ihr seid 1999 gestartet. Habt ihr damals damit gerechnet, dass ihr in 15 Jahren immer noch das gleiche machen werdet?

Jens: Wir haben ja nichtmal damit gerechnet, dass wir ein Unternehmen haben werden. Das war nicht der Plan. Wir hatten damals Zivildienst gemacht und haben uns kennen gelernt, als wir uns gleichzeitig im Kiosk das Anlegermagazin Börse Online gekauft haben. Wir sind ins Gespräch gekommen, haben herausgefunden, dass wir zufällig das gleiche studieren werden. Irgendwann in einer Rechnungswesen-Vorlesung haben wir uns gedacht: Was können wir noch machen, außer langweilige Vorlesungen zu besuchen?

Peter fing damals damit an, Internetseiten zu programmieren. Ich fand das sehr spannend und meinte dann zu ihm: ,Lass uns doch etwas in diese Richtung machen.‘ Und da wir uns beide für die Börse interessierten, wollten wir irgendetwas zu diesem Thema machen. Die Seite ging dann live und wir hatten einen Counter eingebaut. Am Folgetag war dieser um fünf erhöht. Und wir fanden es faszinierend, dass sich jemand angeguckt hatte, dass sich jemand dafür interessierte, was wir ins Netz gestellt hatten. Am Anfang war es nur ein Hobby und auch nicht die Idee, damit Geld zu verdienen.

Wann habt ihr das Angebot professionalisiert?

Jens: Das kam dann erst, als eine Bank aus München anrief und fragte, ob sie Werbung auf unserer Seite schalten dürfen. Erst da kam uns die Idee: ‘Wow, damit kann man ja Geld verdienen.’

Peter: Das waren damals 400 Mark Umsatz im Monat. Und die Ausgaben waren 14,90 Mark im Monat für eine Strato-Domain.

Jens: Und zwei Aldi-Rechner, die wir noch irgendwo hatten. (lacht)

Wie hoch war euer Counter, als die angesproche Bank bei euch werben wollte?

Peter: Wir hatten nach relativ kurzer Zeit 30.000 PIs am Tag. Was wir damals gar nicht glauben konnten. Der Counter wurde immer nur kurz nach Mitternacht aktualisiert. Und wir haben uns damals immer 00:05 Uhr SMS geschrieben und über die neuesten Zahlen gefreut.

Das ist eine enorme Anzahl an Page Impressions für 1999.

Jens: Ja, obwohl wir auch eine Menge Glück hatten, weil das Thema damals so präsent war. Es war kurz vor der Hochphase des Neuen Marktes. Damals hat sich ganz Deutschland für Aktien interessiert.

Und wahrscheinlich gab es auch nicht allzu viel Konkurrenz?

Jens: Genau. Und vor allem waren die damals alle noch auf unserem Niveau. Alles war selbstgestrickt. Der Professionalisierungsgrad war nicht sehr hoch. Es ist nicht vergleichbar mit den Angeboten, die es heute gibt. Heute wäre es mit den damaligen Mitteln überhaupt nicht möglich, eine Finanzseite aufbzubauen. Heute benötigt man Kursdaten, am besten noch in Real-Time. Wir haben damals einfach ohne Geld angefangen – und irgendwie hat es funktioniert.

War es wirklich nur Glück?

Jens: Es war eine ganze Menge Glück, aber es war auch nicht unaufwändig. Wir haben pro Tag bis zu 14 Stunden an der Webseite gearbeitet und nebenbei studiert und das Studium dann irgendwann auch ganz aufgegeben.

Eurer nächster Unternehmensmeilenstein dürfte der Einstieg von Axel Springer gewesen sein. Wie kam es dazu?

Jens: Das war eine ganz witzige Geschichte. Wir hatten damals zufällig die Domain aktienresearch.de reserviert. Springer war damals dabei, ein Magazin mit dem gleichen Namen auf den Markt zu bringen. Wir haben dann gesagt, dass wir die Domain verkaufen, wenn wir die Seite bauen dürfen. Wir kamen also ins Gespräch – und irgendwann kam die Beteiligung.

Peter: Ich glaube, wir sind damit die älteteste noch lebende Internet-Beteiligung von Springer. (lacht)

Musstet ihr wenig später beim Platzen der Blase genauso herbe Rückschläge einstecken, wie viele andere Dotcom-Startups damals?

Jens: Wir hatten nie Unsummen von Geld. Oder anders formuliert: Gar keins. Wir mussten immer von unserem Cash Flow leben, bis Springer kam, und auch da gab es keine Unsummen an Geld. Wir haben einen Media-for-Equity-Deal gemacht. Das heißt, wir mussten unsere Kosten immer im Griff behalten. Wir hatten damals also Glück, kein Geld zu haben.

Peter: Wir hatten kein Venture Capital und damit keinen Druck, Geld auszugeben. Hätten wir fünf Millionen eingesammelt, dann hätte der Investor gesagt: ‘Mach was damit!’ Das hatten wir aber nicht. Damit konnten wir immer Schritt für Schritt gucken, was funktioniert und was nicht. Dadurch konnten wir die Krise ziemlich gut überleben.

Was hat sich durch das Platzen der Blase trotzdem für euch als Finanz-Themen-Startup geändert?

Jens: Das Interesse an dem Thema Aktien ging zurück, weil sich alle Leute daran die Finger verbrannt hatten. Ganz am Anfang hatten wir mit unserer Webseite angefangen und die war zur Hochzeit des neuen Marktes auch unser Fokus-Thema. Dann kam das Platzen der Blase und das Aktien-Interesse auf Endkundenseite ließ nach. Es gab aber trotzdem noch die Broker und Co und damit hatte sich unser Geschäft auf B2B verlagert.

Wir haben Content an Online-Broker verkauft und wir fingen an, Webseiten und Tools für diese Zielgruppe zu bauen. Wir hatten dadurch aber keine Einbußen. In dem Moment, wo die Webseite unwichtiger wurde, wurde der B2B-Bereich gleichzeitig wichtiger. Wir haben alleine für die Deutsche Bank weltweit 60 Webseiten programmiert, gehostet und betreut. Mit dem späteren gesteigerten Interesse an der Börse, rückte dann auch unsere Webseite wieder in den Fokus. Das gipfelte darin, dass wir 2010 die Ausgründung gemacht haben.

Wie kam es dazu?

Peter: Wir hatten zu diesem Zeitpunkt seit elf Jahren am Unternehmen gearbeitet und waren immer eher die Menschen, die mitgemacht haben. Und bei einer Firma mit 120 Mitarbeitern und 50 Kunden kann man nicht mehr primär am Produkt arbeiten, sondern muss HR- und Struktur-Themen bearbeiten. Wir haben also den Teil genommen, der uns am meisten Spaß gemacht hat und mit dem wir angefangen haben und gründeten zusammen mit den Mitarbeitern, die den Bereich betreuten, eine eigene Firma, die Finanzen.net GmbH. Das war der Motivator, mit diesem Modell weiter zu machen.

War das für euch eine Art Neustart oder eine Weiterführung des Bestehenden – oder beides?

Jens: Am ehesten wohl beides. Es war ein Neustart, weil man mit einem kleinen Team auf der grünen Wiese neu angefangen hat und eine Fortführung, weil wir immer noch im gleichen Markt unterwegs waren, mit den selben Kunden, mit Springer an Bord. Wir waren bei der Ausgründung zwölf Leute und sind mittlerweile 30.

Noch vor der Ausgründung 2010 habt ihr an einer Minimum-PI-Strategie festgehalten. Was ist darunter zu verstehen?

Jens: Es gab gegen 2005/2006 relativ große Finanzportale, die deutlich größer als Finanzen.net waren. Wir haben uns also überlegt, was wir anders, was wir besser machen können. Damals war die Hauptwährung noch Page Impressions. Und darauf haben damals Webseitenbetreiber auch optimiert. Eigentlich wollen die Leute aber möglichst schnell zum Ziel kommen. Wir haben deshalb überlegt, die Nutzerperspektive umzusetzen, mit so wenigen PIs wie möglich. Gleichzeitig haben wir Real-Time-Push-Kurse eingefügt, bei denen die Seite nicht aktualisiert werden musste.

Peter: 2007 ging dann diese Version online. Und wir haben mit SEO angefangen.

Erst 2007?

Jens: Die Finanzbranche war bei SEO relativ spät dran, weil die Strukturen im Hintergrund extrem komplex sind. Man konnte zum Rendern kein Standard-CMS benutzen, sondern musste es selbst bauen oder teuer einkaufen. Und die damaligen Lösungen waren denkbar unbrauchbar für Suchmaschinen.

Wir seid ihr durch die neue Strategie weitergewachsen?

Jens: Die Strategie hat Früchte getragen, aber es gab auch immer wieder Krisen. Erst gab es die Finanzkrise, dann kam Lehman. Und jede Krise ist eine kleine Werbekampagne für die Finanzbranche. Und auch schlechte Presse produziert für uns Traffic.

Ihr wart mit euer App 2008 relativ früh dran, teilweise gibt es in diesem Bereich heute noch keine mobilen Anwendungen.

Peter: Wir waren beide totale iPhone-Freaks und standen 2007 für die ersten Versionen vor den Läden an. Einer unser Studenten hat damals dann 5.000 Euro bekommen und die App in drei Wochen durchprogrammiert.

Wie viel Prozent eures Traffics macht heute Mobile aus?

Jens: Ein knappes Viertel etwa.

Peter: Vor einem Jahr waren es zehn Prozent. Und vor zwei Jahren waren es drei bis fünf Prozent.

Jens: Mobile funktioniert bei uns relativ gut. Man will auch unterwegs wissen, was gerade mit dem Investment passiert.

Peter: Zudem ist der Mobile-Traffic größtenteils additiv. Die Nutzer wechseln nicht von Web auf Mobile.

Konntet ihr zusätzlich auch durch Internationalisierungen wachsen?

Jens: Richtig. Wir sind in Deutschland gestartet. Der erste Expansionsschritt war die Schweiz 2012, Österreich 2013 und Russland kam Ende 2013.

Ihr seid in Ländern aktiv, in denen aktiv gehandelt wird. Sind aufstrebende Märkte trotzdem ein Thema für euch?

Jens: Es spielen viele Faktoren eine Rolle, wenn wir darüber nachdenken, ein Land auszurollen. Und einer dieser Gründe ist unter anderem der angesprochene Punkt, was die Einwohner dieses Landes vom Thema Börse halten, wie aktiv sie im Trading sind. Hinzu kommt natürlich die Konkurrenzsituation. Und ein für uns sehr wichtiger Punkt, ob wir dort Partner haben.

Kurz zur Technik: Eine Seite wie Finanzen.net dürfte auf Grund des Angebots eine besondere Herausforderung darstellen?

Jens: Was Finanzportale von anderen Webseiten unterscheidet: Wir haben viele Produkte, aber unter anderem im Vergleich zu Amazon haben diese keinen Fixpreis. Unsere Produkte ändern sich preislich jede Sekunde. Wir haben extrem große Datenmengen, die man in Real-Time verarbeiten muss.

Peter: Unsere Server haben eine extrem hohe Last. Man kann die Daten nicht zwei Minuten cachen, weil dann der Kurs veraltet ist. Wir cachen Fragmente unterschiedlich. Eine Newsseite cachen wir etwa eine Minute und Kursfragmente etwa fünf bis zehn Sekunden. Wir haben mittlerweile nicht mehr nur ein eigenes Rechenzentrum, wie vor der Ausgründung, sondern hosten hochlastige Dinge auch in der Cloud. Nutzersensible Daten liegen in Frankfurt im Rechenzentrum auf eigenen Servern.

Wollt ihr euch noch breiter aufstellen, oder bleibt ihr dem jetzigen Produkt treu?

Jens: Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir dem Produkt treu bleiben.

Peter: Dem Thema Finanzen bleiben wir treu. Aber dort gibt es ja auch viele andere Bereiche. Etwa der Bereich, um Konten zu überwachen. Es gibt insgesamt sehr viele außerbörsliche Themen. In diesen Bereichen könnten wir schon weiter wachsen.

Jens und Peter, danke für das Gespräch.

Bild: Finanzen.net