Das war’s dann wohl mit der Anonymität im Netz: Die neue App FindFace erkennt Personen in einem gerade geschossenen Foto. Besonders gut funktioniert das schon in Russland: Dazu durchsucht die App Bilder des russischen Facebook-Äquivalents VK auf Ähnlichkeiten zu einem selbst hochgeladenen Foto. Auf diese Weise kann zum Beispiel eine unbekannte Person auf der Straße fotografiert und ihr Profil im Netz gefunden werden – vorausgesetzt, sie hat eines.

Obwohl die Macher der App, Alexander Kabakov und Artem Kukharenko, die Idee als Innovation im Dating verstehen, gehen die möglichen Anwendungen einer solchen Technologie weit darüber hinaus.

So könnten etwa Kameras an Verkaufsregalen die Gesichter derjenigen analysieren, die sich bestimmte Produkte genauer ansehen, verrät Kabakov im Interview mit dem Guardian. Diese Personen könnten daraufhin gezielt mit Werbung per Mail oder Anruf bombardiert werden. Das klingt ziemlich gruselig und erinnert an Science-Fiction-Filme wie Minority Report. Darin läuft Tom Cruise als John Anderton durch ein Shopping-Center und wird von Werbetafeln persönlich angesprochen. Das ist mit Technologien wie Bluetooth oder WLAN zwar bereits seit längerem möglich, jedoch wird ein Kunde dabei keinem Profil in einem sozialen Netzwerk zugeordnet.

Die App hat bereits jetzt eine neue Form des Mobbings geschaffen. FindFace-Nutzer sollen Fotos von Pornodarstellerinnen mit Bildern privater Profile des russischen Netzwerks verglichen haben. Kam es zu einem Treffer, wiesen sie die Freunde der jungen Frauen auf diese Filme hin. Weitaus schlimmer: In den Händen autoritärer Regime könnte die Technologie zu noch mehr Unterdrückung führen. Ein einziges Foto würde genügen, um Teilnehmer einer Demonstration zu identifizieren und zu verhaften. Und das ist nicht weit hergeholt: Im Interview mit dem Guardian sagten die App-Macher: „Sollte der russische Geheimdienst mit uns Kontakt aufnehmen, so würden wir uns dessen Angebot natürlich anhören.“

Aufatmen können Nutzer von Facebook, dort funktioniert FindFace noch nicht. Da die Bilder anders gespeichert würden als bei VK, seien sie nicht so leicht zu durchsuchen, so Kabakov. Doch die Leistung der Gesichtserkennung von FindFace ist erschreckend gut. In einem Test der Universität Washington erreichte FindFace eine Trefferquote von rund 70 Prozent. Die App soll damit mindestens so gut sein wie eine ähnliche Technologie von Google.

Wer sich vor der Gesichtserkennungs-Tyrannei schützen will, sollte sich die Tipps der Sicherheitsfirma Kaspersky anschauen. Ein Experte von Kaspersky rät, alte Fotos zu löschen und Selfies aus ungewöhnlichen Perspektiven hochzuladen. Das soll es der App deutlich erschweren, die Fotos zu erkennen. Aber anonym ist man dadurch im sozialen Netz nicht. Denn es reicht schon, wenn Freunde Bilder hochladen, auf denen man zu sehen ist.

Bild: Gettyimages / Westend61