Ein Beitrag von Andreas Lober, Partner in der internationalen Anwaltskanzlei Beiten Burkhardt.

In der Wahrnehmung der Berliner ist die Hauptstadt das Mekka der deutschen, wenn nicht der europäischen Startup-Szene. Der Rest der Republik denkt vielleicht noch an Hamburg oder München, mit Sicherheit aber nicht an Frankfurt. Digitale Startups stehen hier bei Politik und Öffentlichkeit traditionell im Schatten der Bankentürme – und lauter als die Erfolgsmeldungen von Gründern sind der Flughafen und die Dauerproteste gegen dessen weiteren Ausbau.

Der Fintech-Boom kann Frankfurts Image nun ändern. Das Versicherungs-Startup Clark zog gerade von Berlin nach Frankfurt und ist damit das erste Finleap-Portfoliounternehmen außerhalb der Hauptstadt. Clark-CEO Christopher Oster sagt dazu: „Die Entscheidung für Frankfurt hatte natürlich auch persönliche Beweggründe, aber wir uns haben intensiv mit dem Standort auseinandergesetzt und viele Gründe gefunden die für einen Umzug gesprochen haben. Zum Beispiel ist es vergleichsweise einfach, sich als Startup in Frankfurt von anderen Arbeitgebern zu differenzieren. Die Möglichkeit, sehr agil in einem kleinen Team zu arbeiten ist für viele, insbesondere sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer, interessant.“

Tatsächlich wirkt die Mitarbeiter-Fluktuation in einigen Berliner Startups mittlerweile sehr hoch – wohl auch wegen vieler Wechselmöglichkeiten in andere, spannende Neugründungen. Diese Gefahr ist in Frankfurt noch geringer – freilich sind Mieten und Gehaltsniveau am Main deutlich höher als an der Spree, wovon sich auch Startups nicht ganz abkoppeln können.

Aber: Gerade bei Fintechs sind für den Erfolg nicht nur findige Techniker und dynamische Marketing-Menschen notwendig, sondern auch Mitarbeiter mit einem tiefen Verständnis für die Mechaniken (und Bräuche) der Banken- und Finanzwelt. Und solche gibt es in Frankfurt häufiger als in Berlin.

Das findet auch Jochen Siegert, Vorstand der Traxpay AG, die von Berlin nach Frankfurt gezogen ist: „Die Mitarbeiter in Frankfurter Fintech-Startups sind in der Regel älter als in Berlin und verfügen über jahrelange Erfahrungen in oder für Banken. Mit diesem Background sind die Startups in Frankfurt tendenziell komplexer oder lösen eher schwierigere Problemstellungen.“ So sei auch der Personalbedarf und die Skill-Sets in den Startups ein anderer als in Berlin. Frankfurt biete da einen Standortvorteil gegenüber anderen deutschen Startup-Ökosystemen.

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir sagte vergangene Woche auf der Euro Finance Tech dazu: „Wir haben hier in der Region alles, was für eine erfolgreiche Ansiedlung von Fintechs notwendig ist“ – und verwies für Wirtschaft und Finanzen auf die Goethe Universität und die Frankfurt School of Finance & Management, für Technik auf die TU Darmstadt.

Wie wichtig ist der Standort überhaupt?

Siegert allerdings relativiert die Bedeutung des Standortes auch: „Interessanterweise sitzen zwei der bekanntesten und am stärksten skalierten Fintech-Startups mit Kreditech in Hamburg und Auxmoney in Düsseldorf weder in Frankfurt noch Berlin. Meines Erachtens ist das Thema Standort daher überbewertet und beweist, dass gute Geschäftsideen unabhängig von einem Ökosystem einer Stadt sind.“

Für Gründer kann eine gute Infrastruktur natürlich trotzdem Vorteile bieten. Die Goethe Universität in Frankfurt hat zum Beispiel Ende Oktober ihren neuen Standort zur Förderung von Startups aus der Finanz- und Versicherungsbranche in der Nähe eingeweiht. Das Accelerator-Programm des „Unibators“ wolle Fintechs, Wissenschaft und Industrie zusammenbringen, so Sebastian Schäfer, Managing Director des Unibators.

Wissen wird auch bei Veranstaltungen weitergegeben. Die Euro Finance Tech wurde zum Beispiel aus der Welt der Großfinanz initiiert – von Nader Maleki, früher Direktor der Deutschen Bank und Gründer des International Bankers Forum und der Euro Finance Week. Er sagt: „Wir wollten ursprünglich eine Bankentechnologiemesse veranstalten. Bei den zahleichen Gesprächen mit den Banken merkten wir dann aber, wie wichtig dort das Thema Fintech inzwischen genommen wird.“

Die Nähe zur Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (kurz: BaFin), der Bundesbank und EZB ist ein weiterer wichtiger Faktor. Tatsächlich bewegen sich viele Fintechs durchaus mit innovativen Produkten im Grenzbereich des Bankenaufsichtsrechts. Eine monatelange Abstimmung mit der BaFin passt nicht zum schnelllebigen Internetgeschäft. Und so behelfen sich derzeit viele Fintechs damit, dass sie mit Vollbanken kooperieren und so von deren Lizenz profitieren. Wer um den Wert des direkten Zugangs zum Kunden weiß, Diskussionen um „user data ownership“ und Datenschutz in diesem Zusammenhang geführt hat, der weiß, dass solche Kooperationen aus Sicht der Fintechs nicht die Ideallösung sein können. So ist es nur natürlich, dass von einigen die Nähe zur BaFin gesucht wird.

Die Frankfurter Börse spielt hingegen in der Standortdiskussion bisher eine untergeordnete Rolle. Vielleicht zu Unrecht, nicht nur mit Blick auf einen IPO. Denn die Deutsche Börse AG hat im Sommer durch die Übernahme von 360T von sich reden gemacht. Nicht ganz so viele Wellen geschlagen hat bisher die Ankündigung, dass das Unternehmen auch mit Swapster eine Handelsplattform für virtuelle Währungen anbieten möchte. Klar ist damit jedenfalls, dass mit der Deutschen Börse AG auch als aktiver Marktteilnehmer zu rechnen ist.

Bild: Getty Images/ WLADIMIR BULGAR