fachkräftemangel it frauenmangel Grace Murray Hopper
fachkräftemangel it frauenmangel Grace Murray Hopper Grace Murray Hopper, die bekannteste US-amerikanische Computer-Pionierin

Ein Beitrag von Frank Geßner, IT-Experte und Gründer von 4Scotty.

Der Anteil weiblicher IT-Fachkräfte in Unternehmen ist niedrig – doch warum ist das immer noch so? Der Frauenanteil bei Erstsemestern im Fach Informatik lag 2014 bei rund 23 Prozent – gleichzeitig machen Frauen in der Informationstechnologie und Telekommunikation nur etwa 14 Prozent der Beschäftigten aus. Fakt ist: Wegen des Fachkräftemangels sind die Job-Perspektiven in der IT so gut wie nie. Der Branchenverband beziffert aktuell rund 39.000 offene Stellen – die aber wegen der speziellen Anforderungen schwer zu besetzen sind.

Seit 1970 verzeichnen westliche Länder einen Rückgang von Frauen in der Informatik von über 50 Prozent. Im Vergleich sieht es besonders im deutschsprachigen Raum düster aus: 17 Prozent Frauenanteil im Informatikstudium in Deutschland, 6,4 Prozent in der Schweiz und 15 Prozent in Österreich standen im Jahr 2012 39 Prozent in Bulgarien, 37 Prozent in Malta oder 29,4 Prozent in der Türkei gegenüber. IT-Spezialistinnen werden dringend gebraucht – woran hakt es also?

Klischees schaden

Der wohlgenährte Nerd-Kult des Außenseiters, der lieber still im Kämmerlein arbeitet, wenig kommunikativ ist und außer Computern wenig Interessen hat, schadet IT-Spezialisten – egal, ob es sich um Männer oder Frauen handelt.

In der IT gibt es mittlerweile viele unterschiedliche Rollen, von der Software-Entwicklung über Projektmanagement bis zur Qualitätssicherung. Neben Fachwissen braucht es immer mehr kommunikationsstarke Rollen, die als Bindeglied zwischen einzelnen Abteilungen und Dienstleistern strategisch vermitteln. Diese Jobs sind gut bezahlt (60.000 bis 90.000 Euro Jahresgehalt) und erfordern Kreativität, Strategie, Planung, Führung sowie Fingerspitzengefühl und Diplomatie. Doch von diesen Soft Skills liest man bislang wenig in Ausschreibungen und Berichten zu IT-Jobs.

Fragt man Daniela Berger, Webentwicklerin und seit zehn Jahren in verschiedenen Konzernen tätig, was Arbeitgeber verbessern müssen, um Frauen in ihre IT-Abteilungen zu holen, sagt sie: „Es wäre hilfreich, wenn Unternehmen sich zum Beispiel schon bei der Ausschreibung klar machen, dass auch Frauen die Stellenbeschreibung lesen.“ Bei der Ausschreibung selbst sollten sie also darauf achten, dass sie bei der Ansprache weiblicher Bewerber nicht in die Klischee-Falle tappen. Unterstreichen, dass genug Zeit für ausgiebige Friseurbesuche bleibe, begeistere Bewerberinnen sicher nicht.

Gleich und gleich gesellt sich gern?

Ein weiterer Grund für den Frauenmangel in der IT: Im männlich dominierten Berufsfeld haben die Kollegen das bessere Netzwerk – und grenzen ihre Kolleginnen unbewusst aus. Studien zeigen, dass wir dazu neigen, eher Menschen einzustellen, die uns ähnlich sind. In der Informationstechnologie bedeutet das: männlich, um die 30, weiß. Eine Bewerberin passt somit auf den ersten Blick nicht in das Bild von den Wunschkandidaten für eine offene Stelle. Unternehmen vergeben dabei ein riesiges Potential von Talenten. Dieses mangelnde Problembewusstsein verschwindet nur langsam.

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Doch die Frauen kommen – Dank des Girls’ Day und anderen Veranstaltungen für Frauen wie die der Rails Girls oder der Berlin Geekettes. Coder-Workshops, Hackathons und Community-Events, die sich speziell an Frauen in der Technologiebranche richten, sorgen dafür, dass sie sich untereinander vernetzen und Erfahrungen austauschen.

Im männlich dominierten Arbeitsumfeld hätten es Frauen schwer, sich gleichberechtigt durchzusetzen, berichtet Berger. Sie höre immer wieder von Kolleginnen, dass ihre Argumente in Diskussionen wegdiskutiert würden, „nur damit wenige Minuten später ein männlicher Kollege genau dasselbe vorbringt und Ernst genommen wird. So etwas frustriert ungemein“, so Berger. „Wenn man sich als Frau dann beschwert, heißt es: ‚Dann musst du dich halt durchsetzen‘. Doch das verkennt, dass Frauen, die sich durchsetzen, oft als ‚zickig‘ kaltgestellt werden.“

Begeisterung für IT fördern – und an Nutzerinnen denken

Die Erfahrungen auf dem IT-Job-Markt zeigen, dass Technikbegeisterung bei Frauen sehr wohl vorhanden ist. In vielen Ländern wie den USA und Indien und auch in Nordeuropa ist der Frauenanteil wesentlich höher. Gemischte IT-Teams mit unterschiedlichen Perspektiven erarbeiten oft bessere Lösungen, sind effizienter und kreativer. „Ich liebe das Gefühl, wenn man lange an etwas herumgefrickelt hat und es plötzlich funktioniert. Ich schaue gerne auf eine fertige Website und denke mir: ‚Ja, das habe ich gemacht’“, so Berger.

Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass wir Mädchen im Grundschulalter an die Materie heranführen und sie für das weite Feld der IT begeistern: Pinke Computer oder der Hinweis, dass Online-Shoppen Frauensache ist, sind da kontraproduktiv. Workshops und Programmierkurse für Mädchen (und Jungs) in der Schule wären ein erster Schritt, um Hemmungen vor der Technik zu überwinden. Steigt die Zahl der IT-Spezialistinnen, wächst die Zahl der Vorbilder für Mädchen und junge Frauen. Bislang sind Softwarentwicklerinnen zu selten sichtbar.

Doch es gibt sie: Die Mathematikerin Ada Lovelace (1815 – 1852) schrieb für einen nie fertiggestellten mechanischen Computer, die Analytical Engine, das erste Programm und gilt als die Begründerin der Informatik. Grace Murray Hopper (1906 – 1992), die bekannteste US-amerikanische Computer-Pionierin, war die Erfinderin des Compilers und geistige Mutter der Programmiersprache COBOL. Auch abseits des Geschichtsbuchs haben es einige Frauen an die Unternehmensspitzen geschafft, wie Martina Koederitz, deutsche IBM-Chefin, Doris Albiez, Vice President und General Manager von Dell Deutschland und Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs.

Egal, ob mit Informatik-Ausbildung zur Software-Entwicklerin oder als Quereinsteigerin in Rollen wie Projekt- oder Qualitätsmanagement – der IT-Jobmarkt kann sich für Frauen lohnen. Und für die Unternehmen: Nicht nur wegen des Fachkräftemangels, auch weil die IT durch einen ausgewogenen Frauen- und Männeranteil besser wird.

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