So sieht bei Google das Eingeständnis eines Flops aus: Per Blogpost unter der Überschrift „Alles an seinem richtigen Platz“ verkündete Manager Bradley Horowitz, für das soziale Netzwerk Google Plus zuständig, dass die diversen Angebote des Internet-Konzerns künftig auch ohne Plus-Login funktionieren. Unter anderem sollen die Nutzer der Video-Tochter YouTube künftig wieder Kommentare schreiben, ohne dass die bei Plus erscheinen. Google hatte den Plus-Zwang für YouTube erst 2013 eingeführt, in Petitionen verlangten Hunderttausende Nutzer die Abschaffung. Nun reagiert der Konzern und entflechtet Plus vom Rest seiner Dienste. Damit zieht der Konzern die Konsequenzen aus anhaltendem Misserfolg.

Plus reiht sich damit offiziell ein in eine Reihe von teils milliardenteuren Flops der amerikanischen IT-Konzerne. Google muss dieses Jahr auch das Aus der Datenbrille Glass verkraften – sie wurde nie zum erhofften Publikumserfolg. 2011 gab Google bekannt, seine digitale Krankenakte namens „Google Health“ wieder einzustampfen. Augenscheinlich scheuten die Nutzer davor zurück, dem werbefinanzierten Datensammler Arztbriefe und Röntgenbilder anzuvertrauen. Wie viel Google die Fehlschläge kosteten, verriet der Konzern nie. Analysten gehen von Hunderten Millionen Dollar aus.

Microsoft schrieb Nokia komplett ab

Das ist wenig im Vergleich mit Microsofts Versagen: Im Juli musste der Konzern 7,6 Milliarden Dollar auf sein Mobilfunkgeschäft abschreiben, da die bei Nokia erst 2013 teuer eingekauften Lumia-Smartphones nie über einen Marktanteil von fünf Prozent hinauskamen.

Auch Facebook  scheiterte in der Smartphone-Welt – der 2013 vorgestellte App-Starter Home führt ein Schattendasein in den App-Stores, die Snapchat-Konkurrenz Poke wurde leise zurückgezogen. Selbst die Marketing-Perfektionisten von Apple mussten lernen, dass sie ihren Kunden ein soziales Netzwerk nicht aufzwingen können: 2012 stellte der Konzern sein Musik-Netzwerk Ping ein. Amazon-Chef Jeff Bezos schließlich verkündete 2014 auf einer Tech-Konferenz fröhlich, dass sein Smartphone-Vorstoß Fire Phone zu den diversen gescheiterten Projekten gehöre, die ihn bereits Milliarden gekostet haben.

Doch Bezos erklärte auch, warum das Scheitern zur Kultur der IT-Riesen aus den USA gehört: „Wenn du gewagte Wetten auf die Zukunft machst, sind sie immer Experimente. Du weißt nicht, ob sie funktionieren. Doch einige wenige große Erfolge kompensieren Dutzende von Fehlschlägen.“ Bezos pflegt deswegen bei Amazon die Fehlerkultur, die essentiell für die Marktdominanz der Giganten ist. Ähnliche Vorgaben macht auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg: Motivationsplakate mit Sprüchen wie „Scheitere härter!“ sollen seine Manager ermutigen, einfach mal Dinge auszuprobieren. Wenn ein Projekt schiefgeht, wird nicht lange gezögert, sondern einfach eingestellt und abgeschrieben.

„Nur die Dummen warten“

Dahinter steckt die große Angst der IT-Riesen, den nächsten Trend zu verpassen. „Nur die Dummen warten“ ist der vielleicht prägnanteste Facebook-Spruch. Er verdeutlicht: Wer zögert und die Risiko-Investition scheut, wird überholt werden von den Startups, die überall um die Konzerne herum gegründet werden.

Wer nicht schnell genug reagiert, zahlt langfristig drauf: 19 Milliarden Dollar musste Facebook für den Kauf von WhatsApp bezahlen. Google und Co ist das Schicksal von einstigen Tech-Riesen wie Hewlett Packard, Yahoo oder Nokia stets bewusst – und sie können es sich leisten, Milliarden bei dem Versuch zu verlieren, jeden möglichen Trend und jede potenzielle Marktlücke abzudecken. Wer zu spät kommt, den bestrafen die Nutzer.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

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