Google-Chairman Eric Schmidt

Wie viel Einfluss hat der Internetkonzern Google auf die US-Politik? Diese Frage stellt das Wall Street Journal und listet auf, dass Google-Vertreter 230 Mal das Weiße Haus besucht haben, seitdem Barack Obama als US-Präsident angetreten ist.

Auch andere Tech-Konzerne gewannen in der Ägide des techaffinen Obama-Teams an Einfluss. So besuchten Microsoft-Angestellte im selben Zeitraum etwa 270 Mal das Weiße Haus. Doch im Falle Google gibt es laut Wall Street Journal eine auffällige Häufung der Besuche Ende 2012.

Das ist bemerkenswert, da genau zu diesem Zeitpunkt Experten der US-Wettbewerbsbehörde FTC an einem Bericht über Googles Geschäftspraktiken arbeiteten. Der nicht öffentliche Bericht diente den fünf gewählten Kommissionsmitgliedern, die als Gremium über formelle Verfahren der FTC urteilen, als Grundlage für die Entscheidung, die Untersuchung gegen Google gegen Auflagen Anfang 2013 einzustellen.

Vor einer Woche jedoch, gut zwei Jahre später, hat die FTC versehentlich Teile des ursprünglich 160 Seiten starken Berichts der FTC-Experten dem Wall Street Journal geschickt. Aus dem Material geht hervor, wie deutlich die Kritik der Experten ausfiel: Google habe seine überlegene Marktposition im Bereich der Internetsuche dazu genutzt, konkurrierende Internetfirmen in anderen Bereichen unter Druck zu setzen.

Das habe dem Wettbewerb und damit dem Verbraucher geschadet. Warum, fragte die Zeitung, hatte die Kommission die Ergebnisse des Berichts nicht dafür genutzt, ein Verfahren zu eröffnen? Mangelte es an Beweisen, oder entschied sich die Kommission trotz der Beweise gegen ein formelles Verfahren?

FTC und Google weisen Verdacht zurück

Sowohl Google als auch die FTC wehrten sich gegen den Verdacht, dass das Verfahren entgegen den üblichen Praktiken der Behörde eingestellt worden sei oder dass Google durch geschicktes Lobbying Einfluss auf die Entscheidung genommen habe.

„Nach einer ausführlichen, 19-monatigen Untersuchung, in deren Verlauf neun Millionen Seiten an Dokumenten und viele Stunden an Expertenaussagen ausgewertet wurden, kam die FTC zum Schluss, nicht gegen die Sortierung und Anzeige unserer Suchergebnisse vorzugehen“, kommentierte Google den Vorgang.

Und auch Mitglieder der FTC rechtfertigten in einem eigenen Blogeintrag die Entscheidung als angemessen: Google habe sich in den vergangenen zwei Jahren an die Auflagen der FTC zur Einstellung des Verfahrens gehalten, die Treffen Googles mit Mitarbeitern der Obama-Administration seien völlig ohne Zusammenhang mit der FTC-Entscheidung.

Google hat auch technisch geholfen

Welchen Einfluss Google tatsächlich auf die Entscheidung der Komissionsmitglieder hatte, ist im Nachhinein nur noch schwer nachvollziehbar. Doch wie groß der Einfluss des Konzerns auf die politische Entscheidungen in Washington mittlerweile ist, erklärte Google selbst in einem Blogpost mit animierten Kinderbildern.

Nachdem das Wall Street Journal die Besucherliste des Weißen Hauses nach Google-Mitarbeitern durchkämmt hatte, rechtfertigte Google die Besuche als völlig normal: Man habe nie über das Thema der FTC-Untersuchung gesprochen. Stattdessen seien fünf der 230 Besuche eine technische Hilfeleistung für die Website von Obamas Gesundheitsversicherung Obamacare gewesen, weitere 33 von Besuchern, die gar nicht bei Google angestellt waren.

Die restlichen Male seien Google-Mitarbeiter anlässlich von anderen aktuellen politischen Themen zu Gesprächsrunden eingeladen gewesen. Google selbst gibt also in dem Blogpost zu, dass der Konzern bei knapp 200 Besuchen im Weißen Haus bei wesentlichen Fragen Einfluss nehmen durfte.

Auch bei Energiepolitik mitgeredet

Unter anderem redete Google in Sachen Patentreform, naturwissenschaftlich-technische Schulbildung, selbstfahrende Autos und psychische Gesundheit mit, nahm Einfluss auf Entscheidungen zu Werbung, Zensur im Internet, Innovation und ziviler Forschung, Cloud-Computing, Handel und Investitionen, lobbyierte zum Thema Cyber-Security und Energiepolitik.

„De facto haben wir anscheinend über alles außer der FTC geredet“, gibt der Konzern in erfrischender Offenheit zu. Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die den wachsenden Einfluss des Konzerns in Washington kritisieren. Google gab allein im vergangenen Jahr knapp 17 Millionen für Lobbying-Initiativen in Washington aus, mehr als Amazon und Apple zusammen und nur unwesentlich weniger als diverse Pharmakonzerne und Energieriesen.

Googles Einfluss in Washington zeigt sich nicht zuletzt in diversen Personalentscheidungen, die zugunsten von Ex-Google-Angestellten fielen: Die Ex-Google-Topmanagerin Megan Smith wurde von Barack Obama als Chief Information Officer ins Weiße Haus gerufen und kümmert sich um alle IT-Themen der US-Regierung.

Ex-Manager arbeiten im Weißen Haus

Diverse weitere Ex-Manager arbeiteten im Weißen Haus als IT-Berater und Projektleiter, darunter Andrew McLaughlin, einst Googles oberster Lobbyist, und die frühere Google-Juristin und Patentexpertin Michelle Lee, die seit Ende 2014 das Patentbüro der USA leitet.

So viel Engagement zahlt sich aus: Diverse Entscheidungen der US-Regierung und ihrer Behörden – etwa zum Thema Netzneutralität – fielen in den vergangenen Monaten deutlich im Sinne von Google aus. Das muss – siehe Netzneutralität – nicht grundsätzlich schlecht sein, aber es rechtfertigt auch in Zukunft einen gründlichen Blick auf das Engagement Googles in der Politik.

Auch in Europa hat der Konzern seine Lobbying-Aktivitäten ausgebaut und reagiert damit in Brüssel auf die kommende Neuauflage des gegen ihn gerichteten Wettbewerbsverfahrens, bei dem neben Konkurrenten wie Microsoft auch der Verlag Axel Springer (Welt, Bild) zu den Beschwerdeführern gehört.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Welt

Bild: Alex Hofmann/Gründerszene