Hacker with laptop sitting in an underground car park

Manchmal sehen komplizierte Hackerangriffe einfach aus: Thorsten Schröder drückt auf seiner Laptop-Tastatur F5, im Fenster des Internetbrowsers wird eine Seite mit bunten Werbebannern geladen – und plötzlich öffnet sich auf demWindows -Desktop ein Taschenrechner-Programm. Der Taschenrechner ist harmlos – doch an seiner Statt hätten die Hacker auch eine Schadsoftware starten können, um einen fremden Rechner zu übernehmen.

Dass der Taschenrechner wie von Zauberhand startet, obwohl doch eigentlich nur der Firefox-Browser geöffnet war, zeigt: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Schuld daran ist das Werbebanner auf der Internetseite, die Schröder aufgerufen hat.

Schröder und sein Freund Frank Rieger sind bekannte Hacker und Sicherheitsberater, die beiden zeigten auf der Internetkonferenz Re:publica, wie sich Internetwerbung dazu ausnutzen lässt, Hackerangriffe auf wildfremde Rechner zu starten. Diese Angriffe heißen Malvertising – sie sind extrem gefährlich, da die Hacker nicht auf einen Fehler der Nutzer setzen müssen.

Weder muss der Besitzer eines PCs auf einen verdächtigen Download-Link klicken noch eine infizierte E-Mail öffnen. Stattdessen nutzen die Hacker Internet-Werbenetzwerke zur automatischen Verbreitung ihrer Schadsoftware.

US-Football-Liga betroffen

Diese Netzwerke nehmen Werbeaufträge von Marketingagenturen an und mieten den Platz dafür auf Tausenden Webseiten gleichzeitig an. Wird eine Webseite mit Werbung darauf geladen, lädt der Internetbrowser die Werbebanner vom Server des Werbenetzwerks. Zu den weltweit größten Netzwerk-Anbietern gehören die US-Internetgiganten Facebook und Google.

Bei einem solchen Netzwerk haben auch Schröder und Rieger – rein aus Demonstrationszwecken – ihre Anzeige geschaltet. Die manipulierten Werbebanner können überall dort im Netz auftauchen, wo Internetwerbung zur Finanzierung von Onlineangeboten genutzt wird. Sobald die Nutzer eine Seite ansurfen, die die Hackerwerbung anzeigt, verlieren sie die Kontrolle über ihren Rechner.

In der Vergangenheit zeigten vor allem Internetseiten aus den schäbigeren Ecken des Internets Malvertising – Opfer der Angriffe waren oft Nutzer von Pornoseiten oder Downloadportalen. Doch inzwischen haben die Täter besser gelernt, ihren Schadcode in der Werbung zu verbergen – und schaffen es deswegen, dass auch renommierte Werbenetzwerke ihre manipulierten Banner annehmen und auf den Webseiten ihrer Kunden ausliefern.

Mitte März bemerkten Sicherheitsforscher des US-Antivirus-Anbieters Malwarebytes, dass die internationale Webseite des britischen Fernsehsenders BBC ihren Lesern Werbebanner mit Schadcode anzeigte – die Seite kommt auf knapp 300 Millionen Besucher pro Monat. Die BBC-Seite war nicht als einzige betroffen: Auch die Internetauftritte von AOL, der New York Times sowie der US-Football-Liga NFL zeigten gefährliche Werbebanner.

1000 Angestellte für ein Problem

Über diese infizierten unbekannte Täter die Rechner der Nutzer mit Erpressungs-Trojanern. Ausgeliefert wurden die manipulierten Anzeigen laut der Malwarebytes-Analyse unter anderem über die Plattform Googlesyndication.com, über die das Google-Werbenetzwerk seine Anzeigen ausliefert.

Google erklärte auf Anfrage, dass der Konzern das Problem Malvertising sehr ernst nimmt: Über 1000 Angestellte arbeiten demnach daran, unerwünschte Werbung rechtzeitig zu erkennen. Die von ihnen programmierten Filtersysteme blockierten 2015 über 17 Millionen betrügerische Anzeigen. Ähnliche Filter bietet der Antivirus-Anbieter Symantec unter dem Namen Advantage auch kleineren Werbeunternehmen an.

Dennoch schaffen es versierte Hacker wie Schröder und Rieger, ihre manipulierten Anzeigen an den Filtern vorbeizuschleusen. „Für die Werbenetzwerke ist es teils extrem schwierig, die Schadsoftware zu erkennen“, erklärt Sicherheitsforscher Candid Wüest von Symantec.

„Internetwerbung ist heute nicht mehr nur ein statisches Banner. Stattdessen können Inhalte auch dynamisch von Drittservern nachgeladen werden. Dann tauschen die Hacker den Inhalt des Banners aus, nachdem es den Filter passiert hat. Alternativ können die Täter ihren Schadcode auch so programmieren, dass er erst verzögert aktiv wird.“

Risiko von Schadenersatzklagen

In der Vergangenheit infizierten Hacker die Rechner der Nutzer vor allem mit Spam-Software oder spionierten Mail-Passwörter aus. Doch mittlerweile ist das Hacking-Geschäft lukrativer geworden – mittels sogenannter Crypto-Trojaner verschlüsseln die Hacker die Dateien der Nutzer und erpressen diese dann direkt. Entsprechend höher ist der Aufwand, den die Täter treiben, erklärt Wüest.

„Sie investieren für ihre Attacken Tausende Dollar, damit ihre Werbung möglichst häufig auf beliebten Internetseiten angezeigt wird, und nutzen dabei Schwachstellen aus, die teils bereits länger bekannt sind. Die Attacken funktionieren trotzdem, da viele Nutzer ihre Browser nicht regelmäßig updaten.“ Aktuell, so schätzt Wüest, wird täglich eine neue Schwachstelle pro Browser bekannt – und die Angreifer aktualisieren ihre Schadsoftware meist schneller als die Nutzer ihre Browser.

Ausgerechnet die Mechanismen der Internetwerbung helfen den Tätern dabei, ihre Opfer zu finden. Die Werbenetzwerke bieten ihren Kunden an, die Bannerwerbung gezielt an bestimmte Zielgruppen auszuliefern. Dieses Angebot nutzen auch die Hacker – und schließen etwa die Server der Antivirus-Anbieter als Ziel aus, damit ihre Attacke möglichst lange unentdeckt bleibt. „Die Täter spezifizieren teils auch bestimmte Länder als Ziel und programmieren den Erpressungstext ihrer Crypto-Trojaner in der passenden Sprache“, weiß Wüest.

Die beiden Sicherheitsforscher Schröder und Rieger warnten in ihrem Vortrag nicht nur die Nutzer, sondern auch die Webseiten-Betreiber: Wird ein Nutzer beim Besuch eines Angebots mit Schadsoftware infiziert, wird er anschließend so schnell nicht wiederkommen. Dass die Anzeige mit dem Schadcode darin nicht von dem Server des Webseitenbetreibers selbst kam, sondern über ein Werbenetzwerk eingespielt wurde, dürfte den Nutzern dabei egal sein – das Potenzial für Reputationsverluste oder sogar Schadensersatzklagen ist enorm hoch.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

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