Mit seinem Traum von Open-Source-Software entwickelte Michael „Monty“ Widenius die Firma hinter der weltumspannenden Datenbanksprache MySQL – und verkaufte diese für eine Milliarde US-Dollar an Sun Microsystems. Seit diesem fulminanten Exit bastelt er an neuer, offener Software und verbreitet seine Idee von Unternehmensführung im digitalen Zeitalter. Mit seinem „Hacking-Business-Model“ möchte der sympathische Finne Nachwuchsgründern eine Blaupause an die Hand geben, um nachhaltige, demokratische und flexible Firmen aufzubauen.

Hacking Business Model Monty Widenius

Mega-Exit „Made in Finland“

Uni abgebrochen, Web-Firma gegründet und vor einigen Jahren einen soliden Eine-Milliarde-US-Dollar-Exit hingelegt. Was nach einem Instagram-Lebenslauf aus dem Silicon Valley klingt, ist in diesem Fall „Made in Finland“. Michael „Monty“ Widenius begann schon 1995 mit der Entwicklung der Open-Source-Datenbanksprache MySQL – die Firma hinter dem Projekt, MySQL AB, wurde im Januar 2008 für eine Milliarde US-Dollar von Sun Microsystems übernommen. Dank finnischer Einkommenstransparenz wurde offiziell, dass „Monty“ Widenius an diesem Deal 16,8 Millionen Euro verdiente.

Ein Jahr nach der Übernahme verließ „Monty“ Sun, um mit seiner neuen Firma Monty Program AB an einer verbesserten Version von MySQL zu arbeiten – MariaDB. Diese erweiterte Sprache setzt da an, wo MySQL aufhört, und versuchte von Beginn an eine lebendige Community von Entwicklern um das Produkt zu scharen. Die freie Software wird unter der GNU-GPL-Lizenz vertrieben – Nutzer können das Produkt kostenlos benutzen und auf den Quellcode zugreifen, müssen aber eigene Modifikationen an diesem Code auch unter die GNU-GPL-Lizenz stellen.

Beide Datenbanksprachen hat Widenius nach seinen Töchtern My und Maria benannt. Sympathischer als das ist nur noch „Montys“ Idee eines sozialistisch anmutenden Unternehmertums der Zukunft. Sind Open-Source-Gründer die neuen Sozialunternehmer?

The Hacking Business Model – Gründen wie Karl Marx

Der Mann, der in Dinosaurier-T-Shirt und ausgebeulten Hosen die Bühne betritt und mit starkem finnischen Akzent leise zu sprechen beginnt, entspricht nicht dem testosterongeladenen Gründer-Stereotypen, wie man ihn aus Berlin oder London kennt. „Monty“ wird das relativ egal sein. Sein Ziel ist nicht der schnelle Exit, sondern guter Code, fair produziert von glücklichen Mitarbeitern.

So die Idee des „Hacker Business Model“, mit der der Vollblut Coder seit seinem Exit umhertingelt, um seine Vision von Unternehmensführung im 21. Jahrhundert zu verbreiten. No strings attached – kein Buch zu verkaufen.

Seine Anleitung trägt den Titel „The Hacking Business Model“ und basiert auf fünf Grundwerten: Gleichheit, Nachhaltigkeit, Transparenz, Spaß und Flexibilität. Das Ergebnis rückt den Mitarbeiter in den Mittelpunkt des Tech-Unternehmens, indem es größtmögliche Gleichberechtigung in Entscheidungsfindung und finanzieller Beteiligung gewährleistet. Ist das noch sozial oder schon sozialistisch?

Im Gespräch mit dem Forbes Magazin erklärt „Monty“ Widenius, woher die Idee des „Hacking Business Model“ stammt: Im Rahmen der MySQL-Übernahme durch Sun Microsystems empfand er es als ungerecht, mit welchen utopischen Summen das Management und die Investoren bedacht wurden. Mitarbeiter, die von Beginn an Teil der Firma waren und von allen Enden der Welt im virtuellen Team mitarbeiteten, gingen leer aus. Zum Teil machte er sich selbst für diese ungleiche Verteilung verantwortlich und beschloss, in seiner nächsten Firma einiges anders zu machen.

Übergeordentes Ziel der Firma soll das individuelle Glück eines jeden Angestellten sein – das Konstrukt „Firma“ dient nur als Erfüllungsvehikel dieser Maxime. Klingt nach Marx und Engels, wie soll das jemals funktionieren? Hier ein paar Punkte aus „Montys“-Fair-Startup-Rezept:

Sieben Regeln für das Startup der Zukunft

Auf der Suche nach dem perfekten Geschäftsmodell hat „Monty“ Widenius seine Erfahrungen aus knapp 20 Jahren Tech-Entrepreneurship gesammelt und in einer umfangreiche Thesenliste veröffentlicht. Seine Vorschläge reichen von sehr allgemeinen Thesen („The Company should make it as fun as possible to work for the company“) bis hin zu Detailbeschreibungen („2.000 Euro hardware allowance at start of position“). Gründerszene stellt die sieben interessantesten Punkte vor. Welche von „Montys“ Punkten sind in deutschen Startups bereits Alltag, welche könnten das deutsche Startup-Ökosystem verbessern?

  • Der Mitarbeiter erhält ein Mit-Urheberrecht an Programmen und Dokumentationen, an denen er beteiligt war – vertraulicher Code ist von dieser Regelung ausgenommen.
  • Die 80/20-Regel: 80 Prozent verwendet der Mitarbeiter auf reguläre Aufgaben. 20 Prozent seiner Zeit kann er an eigenen Idee arbeiten, sofern diese Umsatz generieren, die Effizienz der Mitarbeiter oder die Bekanntheit der Firma langfristig steigern.
  • Jeder Mitarbeiter erhält eine VIP-Nummer von eins bis zehn (mit zehn als die höchste), welche die Wichtigkeit des Mitarbeiters für die Firma kennzeichnet. Am Ende des Jahres ist diese Nummer ein Faktor bei der Berechnung der Boni und bei der Ausgabe der Mitarbeiterbeteiligungen.
  • Am Jahresende wird der Gewinn wie folgt verteilt:
  1. 45 Prozent werden für weiteres Wachstum gespart
  2. 5 Prozent werden an Open-Source-Projekte gespendet. Die Projekte werden von den Mitarbeitern gewählt
  3. 5 Prozent werden an gemeinnützige Einrichtungen gespendet. Auch diese Projekte werden von den Mitarbeitern gewählt
  4. 20 Prozent werden genutzt, um Kredite zu begleichen
  5. 20 bis 45 Prozent (kreditabhängig) werden in Form von Boni oder Unternehmensanteilen an Mitarbeiter und Investoren ausgegeben – abhängig von deren VIP-Nummer und den geleisteten Arbeitsstunden
  • Mitarbeiter sollen kosteneffizient arbeiten: Dies beinhaltet Telefonate per Skype (www.skype.com) oder VoIP, Economy-Class-Tickets, günstige Hotels und Übernachtungen bei Teammitgliedern im Zielland.
  • Alle (nicht explizit vom Kunden geschützten) Informationen sind innerhalb der Firma frei verfügbar. Diese Informationen beinhalten unter anderem Gehälter, Boni und Unternehmensanteile.
  • Unstimmigkeiten werden mit der „Drei-Stimmen-Regel“ gelöst: „Ja, Nein und Niemals“. Entscheidungen mit mindestens einer „Niemals“-Stimme dürfen in der Regel nicht gefällt werden.

Der detailierte Plan zum „Hacking Business Model“ findet sich hier. Er steht unter der „Creative Commons Attribution Share Alike 3.0“-Lizenz, es darf also nach Herzenslust geteilt und modifiziert werden. „The Hacking Business Model“ – ein Open-Manifesto.

Bildmaterial: Wikimedia Commons