Bedrohlich sieht er aus, der Titel. Aber irgendwie auch wie das Cover eines mittelguten Krimis aus den 50er-Jahren. Da hockt ein Typ mit Kapuzenpullover über seinen Laptop gebeugt und führt bestimmt nichts Gutes im Schilde. Wir dürfen ihm bei seinen dunklen Machenschaften durch ein Schlüsselloch beobachten. Gibt es noch Schlüssellöcher? Mit der Titelgeschichte „Die dunkle Seite des Silicon Valley“ versammelt das Handelsblatt zum Wochenende alle Argumente, die sich gegen die Entwicklungen der digitalen Wirtschaft auftreiben ließen und lässt uns fröstelnd in den Abgrund des Internets schauen, in dem wir alle verschwinden werden. Zumindest wenn es nach dem Handelsblatt geht.

Wir haben hier der Einfachheit halber alle Argumente der zehnseitigen Berichterstattung des Wirtschaftsblattes zusammengestellt. Mundgerecht portioniert. Denn die Leser des Internetzeitalters können ja, wie wir alle wissen, keine längeren Texte lesen, weil sie dauernd von der Informationsflut und blinkenden Smartphones überwältigt werden. Los geht es mit einem Essay des International Correspondent des Blattes, Torsten Ricke. Er war lange Zeit Büroleiter in New York, hat den Untergang der New Economy hautnah miterlebt und ist deshalb natürlich prädestiniert dafür, einen prickelnden Hauch von digitaler Untergangsstimmung zu verbreiten. Seine Thesen:

  • Die technische Verheißung hat eine dunkle, gefährliche Schattenseite.
  • Maschinen verdrängen die Menschen aus den Fabriken.
  • Technologie wird zu einer elektronischen Fußfessel.
  • Privatsphäre ist ein Relikt der Vergangenheit.
  • Technologiegiganten wie Apple, Facebook, Google unterwerfen die Welt.
  • Staatliche Grenzen und Steuerverpflichtung kennen sie nicht.
  • Sie wollen nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern die Welt verändern und das Monopol auf Zukunft.

Für die Gegenrede lässt Ricke ziemlich kurz Erik Brynjolfsson, den bekannten MIT-Ökonomen, zu Wort kommen: „Unter dem Strich bringt uns die digitale Revolution mehr Gutes als Schlechtes.“ Immerhin. Aber dann geht es weiter im Takt.

  • Roboter nehmen uns die Arbeit weg.
  • Intelligente Maschinen bedrohen auch sogenannte Kopfarbeiter.
  • Die neuen Angestellten genießen keine Freiheit, keine Altersvorsorge und keine Krankenversicherung mehr.
  • In der digitalen Wirtschaft sind Monopole unausweichlich.
  • Technologieaktien lassen die Anleger durchdrehen.
  • Wettbewerb gibt es nicht, weil Newcomer auf dem Markt aufgekauft oder mit allen Mitteln bekämpft werden.
  • Maschinen werden die Herrschaft über die Menschen antreten.

Wir blättern weiter. Jetzt werden die einzelnen Aspekte des Essays noch einmal in aller Ausführlichkeit aufgeblättert. Zunächst geht es um Daten. Hier die Thesen:

  • Algorithmen übernehmen die Macht über Entscheidungen. Zum Beispiel bei Kreditvergaben.
  • Dadurch werden Entscheidungen nur noch rational gefällt. Emotionen spielen keine Rolle mehr.

Auch die Vorteile der Datenanalyse kommen ganz kurz zur Sprache. Sie erleichtert den Kampf gegen Kreditkartenbetrug, man kann Verkehrsströme lenken und Maschinen vorausschauend steuern. Mediziner haben ein mächtiges Instrument im Kampf gegen den Krebs. Doch dann folgen wieder Horrorszenarien.

  • Der Mensch wird durchleuchtet und zum Objekt degradiert.
  • Unternehmen verdienen dadurch mehr Geld. „Es geht ihnen in erster Linie darum, uns das Geld aus den Taschen zu ziehen.“
  • Im nächsten Schritt werden die Kunden manipuliert. Die Kunden sollen sich gut oder schlecht fühlen.

Auf der nächsten Seite werden die wirtschaftlichen Gefahren dargestellt.

  • Google und Co. geben sehr viel Geld für Lobbyarbeit aus.
  • Geld regiert die Welt.
  • Auch wenn die Börse in den Keller rauscht, bleiben die Digitalgiganten sehr reich.
  • Software und Apps schaffen Märkte, die sich nicht an die Gesetze der bereits existierenden Märkte halten.
  • Es wird immer schwieriger, die Giganten in die Schranken zu weisen.
  • Sie zwingen uns ihre Erzeugnisse auf.
  • EU-Kommissar Oettinger will den Internetgiganten die ethischen Vorschriften der Europäer aufzwingen.
  • Apple und Google sollen für die Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich gemacht werden.

Dann folgt eine Seite, die mit „Das Ende des Privatlebens“ überschrieben ist.

  • Im normalen Leben mit Robotern umzugehen, ist sehr unheimlich.
  • Der Mensch macht sich überflüssig.
  • Der Mitarbeiter verliert seine Freiheit, weil er überall ansprech- und einsetzbar ist.
  • Drohnen werden die Menschen ersetzen.
  • 47 Prozent aller Jobs fallen durch Digitalisierung weg.
  • In Deutschland werden in den kommenden Jahren 18 Millionen Menschen durch Maschinen ersetzt.
  • Firmen, die sich darum kümmern, dass sich die Angestellten wohl fühlen, haben lediglich ihren eigenen Vorteil im Sinn.
  • Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwindet.

Jetzt noch ein paar Thesen zur Börse und dann haben wir es geschafft:

  • Alle Hoffnungen beruhen auf Wachstum.
  • An der Wall Street herrscht Internetirrsinn.
  • Ein kleiner Kreis von US-Investoren spült sich gegenseitig das Geld in die Kassen.
  • Beim Startup-Rausch sind die Risiken so gigantisch wie die Chancen.
  • Die Bewertungen der Kapitalgeber gründen lediglich auf Hoffnung.
  • Es könnte zu einer heftigen Marktkorrektur kommen.
  • Der Totalabsturz ist programmiert.

Irgendetwas vergessen? Wahrscheinlich nicht. Danke, liebes Handelsblatt. Nichts könnte besser illustrieren, warum sich Deutschland so schwer mit der Digitalisierung tut. Sogar antikapitalistische Töne sind in der ansonsten schnurgerade marktwirtschaftlich ausgerichteten Zeitung zu vernehmen. Das schafft nur das Internet. Wir hoffen auf die kommende Wochenend-Ausgabe unter dem Titel: „Warum uns die Digitalisierung vor der Hölle bewahren wird“. Aber bitte ohne Schlüsselloch-Optik.

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