Das Hanse Ventures Management Team: Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner) (v.l.n.r.)
Das Hanse Ventures Management Team: Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner) (v.l.n.r.) Das Hanse Ventures Management Team (v.l.n.r.): Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner)

„Hanse Ventures war zu Beginn selbst ein Startup“

Der Ort, an dem Ideen zu Unternehmen werden sollen, ist nicht leicht zu finden. Ein anonymes Bürohaus im Glas-und-Stahl-Einerlei der Hafencity. Zwei exakt gleiche Eingangstüren nebeneinander, nur ein unscheinbares Schild aus Messing weist darauf hin, dass man vor der falschen steht: „Hanse Ventures über Nummer 71“ steht dort. Mit dem Aufzug geht in die oberste Etage, Klebeband hält ein Blatt Papier am Putz, darauf mit ein gutes Dutzend Firmennamen. Hier, versteckt über den Dächern, sitzt einer von Hamburgs wichtigsten Inkubatoren.

Viele der Firmennamen auf dem Blatt Papier waren vor nicht allzu langer Zeit noch Ideen in den Köpfen der Gründer. Aus solchen Ideen Unternehmen zu formen, sie wachsen zu lassen und am Markt zu etablieren – mit diesem Plan ist Hanse Ventures vor vier Jahren angetreten. Der Start erfolgte damals mit viel Rückenwind: Mitgründer Sarik Weber war mit dem Verkauf seiner Mobile-Firma Cellity an Nokia kurz zuvor ein veritabler Coup geglückt, sein Partner Jochen Maaß und dessen Unternehmen Artaxo waren zu diesem Zeitpunkt längst in der deutschen Tech-Szene etabliert. Mit Bernd Kundrun, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr, und Rolf Schmidt-Holtz, Ex-Chef von Sony Music Entertainment, hatten Weber und Maaß zudem schlagkräftige Mitgesellschafter mit hervorragenden Netzwerken an Bord.

Es folgen zunächst vor allem große Worte: Weber kündigt in einem Interview gleich zum Beginn ein Zehn-Firmen-Portfolio an, Bernd Kundrun spricht auf der Pressekonferenz zum Firmenstart von Hanse Ventures davon, pro Jahr sechs bis acht Neugründungen hochziehen zu wollen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Auch intern scheint der Druck groß zu sein, zumal es anfangs nicht wirklich gut läuft: Die Gründerteams von jungen Firmen wie Captain Travel oder Carmio springen ab, es dringen Gerüchte über schlechte Stimmung im Unternehmen nach außen. Auch Gigalocal, eine App für lokale Dienstleistungen, scheitert an schlechten Zahlen und wird eingestellt. Entwicklungen, die nicht unbedingt auf den guten Ruf eines Company Builders einzahlen. In den Kommentarspalten der Startup-Blogs und auf den Networking-Abenden wird Hanse Ventures damals von einigen schon begraben.

Im März 2012 zieht sich Co-Gründer Sarik Weber aus dem operativen Geschäft zurück und wechselt zunächst in den Beirat, mittlerweile ist er bis auf eine Mini-Beteiligung bei HochzeitsPlaza aus allen Hanse-Ventures-Aktivitäten ausgeschieden. Auch wenn Weber bei seinem Abgang als Geschäftsführer persönliche Gründe anführte – so ganz wird Hanse Ventures die Gerüchte nicht los, man habe sich im Unguten getrennt.

Das Management des Inkubators sortiert sich daraufhin neu: Bereits 2011 kommt mit Tobias Seikel, ehemaliger Verlagsleiter bei Gruner + Jahr, ein neuer Mann fürs Operative, ein Jahr darauf wird Alexander Eulenburg als Finanzchef eingestellt. Mit der neuen Dreierspitze – Seikel, Eulenburg, Maaß – fokussiert sich Hanse Ventures wieder auf das, womit sie angetreten sind: konzentriert für den Erfolg ihres Portfolios arbeiten und das Seriengründen zum Geschäft machen.

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„Hanse Ventures war zu Beginn selbst ein Startup und hat verschiedene Lernphasen durchlaufen“, sagt Maaß im Rückblick. „Konkret haben wir unser Management- und Kern-Team vergrößert, dadurch unsere Expertise erweitert und Prozesse fortlaufend professionalisiert.“ Mittlerweile, so hört man aus dem Unternehmen, sei die Stimmung bei Hanse Ventures unter den Mitarbeitern wieder sehr gut.

Seikel sieht die Probleme der Anfangszeit vor allem darin begründet, dass beide Seiten, also Gründer und Inkubator, nicht ausreichend über die Rahmenbedingungen und Erwartungen geredet hätten. „Der Austausch über das Set-up ist heute viel intensiver. Wir reden viel bewusster darüber, welche Erwartungshaltung die Gründer mitbringen.”

Die Umstrukturierung der Zuständigkeiten scheint sich auszuzahlen, die Tage der turbulenten Abgänge und Schnellschüsse vorbei zu sein. Firmen wie Pflege.de oder Toptranslation haben sich etabliert und liefern starke Zahlen, heißt es von Hanse Ventures. Jüngere Gründungen wie das Mode-Startup Rebelle oder das Maklerportal Talocasa konnten zuletzt die Investoren überzeugen: Für Rebelle gab es einen mittleren siebenstelligen Betrag, ebenfalls siebenstellig wurde Talocasa mit Geld ausgestattet. „Gerade in der Anfangsphase hat uns Hanse Ventures bei der Entwicklung unseres Kernprodukts, der Finanzierung sowie beim Online-Marketing und der PR stark unterstützt“, sagt Max Schönemann, Mitgründer und Geschäftsführer bei Rebelle. „Dadurch konnten wir uns auf die zielmarktspezifischen Aspekte unseres Geschäftsmodells konzentrieren.“

Bild: Hanse Ventures

Das Hanse Ventures Management Team (v.l.n.r.): Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner)
Das Hanse Ventures Management Team (v.l.n.r.): Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner) Das Hanse Ventures Management Team (v.l.n.r.): Jochen Maaß (Gründer & CEO), Alexander Eulenburg (Partner), Tobias Seikel (Partner)

„Wir treten nicht mit Themen an, die wir wie einen Luftballon aufblasen“

Ein weiterer Faktor für eine gute Zusammenarbeit: Hanse Ventures legt heute sehr viel Wert darauf, die Gründerteams gut kennen zu lernen – und zwar vor der Unterschrift beim Notar. „Uns geht es nicht darum, ob jemand einen ausgefeilten Businessplan für die nächsten zehn Jahre mitbringt. Wir wollen wissen, wie die Person in bestimmten Situationen funktioniert“, sagt Seikel. Unter anderem deshalb gibt es bei Hanse Ventures das „Entrepeneur in Residence“-Programm, eine Art Trainee für Startup-Gründer: Für sechs Monate bietet die Stelle einen Einblick in die Arbeit des Inkubators.

Wer sich beweisen kann, darf bleiben: Rund 60 Prozent der Trainees übernimmt Hanse Venture an unterschiedlichen Positionen in einem ihrer Startups, etwa jeder zehnte wird Gründer oder Geschäftsführer. Dazu allerdings braucht es nach wie vor eine gutes Konzept. „Wir bekommen sehr viele Vorschläge“, sagt Seikel. „Aber sehr viel fliegt eben auch raus.“ Nur rund ein Prozent der Ideen, die beim Inkubator eingehen, werden umgesetzt.

Natürlich arbeitet bei Hanse Ventures weder das Management, noch die Experten – zum Beispiel im Bereich Webentwicklung, Marketing oder SEO – aus Nächstenliebe mit den Gründerteams zusammen. Der Inkubator lässt sich als Co-Gründer in Unternehmensanteilen bezahlen. Und so gut die Stimmung und die Aussichten sein mögen: Was weiterhin fehlt, ist ein Exit. Denn wie jedes Unternehmen, muss sich auch Hanse Ventures irgendwann einmal am finanziellen Erfolg messen lassen.

So turbulent und lautstark die Vergangenheit war, so verschwiegen gibt man sich beim Hamburger Company Builder heute zu Zukunftsfragen. Über konkrete Projekte in der Entstehungsphase spricht man Hanse Ventures ungern. „Hanseatische Zurückhaltung“ nennt Seikel das. Die beinhalte auch, nicht über Konkurrenten zu sprechen: Obwohl oft totgesagt, ist Hanse Ventures nämlich noch da, während andere, groß angekündigte Firmenschmieden dichtmachen mussten oder als Web-Leichen dahin dümpeln.

Auch das haben Maaß und seine Kollegen aus der turbulenten Vergangenheit gelernt. Heute heißt das Credo in der Hafencity: Erst machen, dann verkünden. Oder, wie es Jochen Maaß ausdrückt: „Wir haben in den letzten vier Jahren eine Plattform geschaffen, mit der wir zukünftig mehrere und auch größere Themen angehen und realisieren können und wollen. Damit sind wir auch in Zukunft eine wichtige Anlaufstelle für Gründer in Hamburg und darüber hinaus.“

Bild: Hanse Ventures