Hoccer sieht sich als Hidden Champion

50 Millionen Euro werden nicht alle Tage investiert. Erst recht nicht, wenn kaum einer die Firma kennt, an die das Geld geht. Für die stolze Summe sichert sich Medienunternehmer Dirk Ströer 51 Prozent der Anteile an Hoccer (www.hoccer.com). Das Berliner Unternehmen bietet einen sicheren Messenger an. Ist das alles? Jérôme Glozbach de Cabarrus, Geschäftsführer von Hoccer, spricht im Interview über die Funktionen der App, die 100-Millionen-Bewertung – und er erklärt, warum Hoccer bisher fast unentdeckt blieb.

Dirk Ströer hat 50 Millionen Euro in Hoccer investiert. Wie viel der investierten Summe wurde tatsächlich mit Geld bezahlt und wie viel mit Medienleistungen?

Wir wollen uns hierzu nicht äußern. Ich kann nur soviel sagen, dass ein nahezu zweistelliger Millionenbetrag bar bezahlt wurde, um unter anderem die Softwareentwicklung voranzutreiben. Für uns sind die Medienleistungen aber ein genauso wichtiger Faktor dieser Kooperation.

Was genau sind das für Medienleistungen? Ströer vermittelt eigentlich Plakatflächen.

In erster Linie sind es Plakatflächen, auf denen wir Werbung machen werden. Die Flächen von Ströer beziehungsweise von Ströer Media sind in einer Toplage. Darüber hinaus nutzen wir jetzt natürlich das Medien-Netzwerk von Dirk Ströer, um unsere Plattform zu platzieren.

Die Investition wurde bei einer Bewertung von 100 Millionen gemacht. Ist diese Bewertung nicht sehr hoch – auch wenn sichere WhatsApp-Alternativen derzeit beliebt sind?

Aus meiner Sicht ist das absolut nicht zu hoch bewertet. Wir sehen uns auch nicht als WhatsApp-Konkurrenten – es wäre vermessen, so etwas zu sagen. Wir wollen mit unserer App neben dem B2C-Markt einen völlig neuen Markt aufbohren – den B2B-Bereich, also da, wo WhatsApp nicht drin ist. Das Interessante an unserer neuen App ist natürlich die Sicherheit, denn alle angeblich sicheren Alternativen zu WhatsApp sind nicht wirklich sicher. Dazu muss man sich nur mal die Verschlüsselungstechnologie genauer anschauen oder zum Beispiel wo die Server stehen. Da gibt es viele Lücken. Unsere App kann ohne Registrierungsprozess oder sensible Userdaten anonym genutzt werden. Wir greifen nicht auf das Telefonbuch der User zu und unsere Server stehen in Deutschland.

Aber es gibt mit Threema und Co. schon sehr viele Messenger.

Unsere neue kombinierte App hat mit ihren ganzen Möglichkeiten sehr viele Alleinstellungsmerkmale. Wenn man sich dann anguckt, wie viele Erlösmodelle wir mit Hoccer bauen können, ist das schon faszinierend. Wenn Hoccer durch die Werbung so wächst, wie wir es uns erhoffen, dann behaupte ich, dass die 100 Millionen noch tief gegriffen sind.

Hoccer besteht bisher aus zwei verschiedenen Apps – Hoccer Classic und dem Messenger Hoccer XO. Was ist Hoccer Classic?

Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal unserer App ist die anonymisierte Übertragung der Daten. Mit unserer App Hoccer Classic können beispielsweise Dateien übertragen werden, ohne dass man die Kontaktdaten der anderen Person hat. Wer bei WhatsApp Bilder übertragen will, braucht einen Kontakt und muss auf die Telefonnummer oder die Email-Adresse zugreifen. Um mit Hoccer Classic Daten zu übertragen, braucht nur eine Person die App und kann damit einer anderen Person die Dateien mit einer Wurfbewegung zuschmeißen. Wie das in Live aussehen wird, haben wir bereits für das dritte Quartal geplant. Stellen Sie sich vor, dass ein Superstar auf einem Konzert ein Bild von sich macht und dieses unmittelbar tausenden von Zuschauern im Publikum zuwirft. Ganz ohne jegliche Kontaktdaten. Faszinierend, oder?!

Und nun sollen die beiden Apps zu einer App verbunden werden?

Genau. Diese Kombination der beiden Apps war auch einer der Gründe für Dirk Ströer zu investieren, weil unser Messenger durch die Kombination mit Hoccer Classic ein USP hat.

Wie ist Hoccer eigentlich entstanden?

Die Grundidee für Hoccer Classic kommt von der Art+Com AG, einer Gesellschaft in Berlin. Andreas Wiek, der Vorstandsvorsitzende, hatte damals die Idee für die Präsentation eines Telekommunikationsunternehmens. Die App wurde dann mehr oder weniger spontan in den App-Store reingestellt. Einige Monate später wurde die App bereits 500.000 Mal runtergeladen. Daraufhin wurde die App weiterentwickelt und 2013 der Messenger Hoccer XO ins Leben gerufen.

Und wieso kannte euch dennoch kaum jemand vor diesem Deal?

Ja, wir haben uns eher als Hidden Champion gesehen (lacht). Die Hauptnutzer waren Leute, die die App spannend fanden, aufgrund der verwendeten Technologie. Insgesamt ist es aber nicht tief in den B2C-Bereich reingegangen. Genau da wollen wir aber mit dem Deal mit Media Ventures, neben dem B2B-Konzept, hin.

Wie genau soll das B2B-Modell funktionieren?

Wir wollen großen Firmen – auch Dax-Konzernen – eine White-Label von Hoccer anbieten. Damit die Mitarbeiter eines Unternehmens untereinander auf sicherem Level kommunizieren und unbegrenzt Daten austauschen können. Denkbar sind auch firmeninternerne Netzwerke, in denen sich Firmen untereinander verbinden. Mit diesen B2B-Modellen wollen wir ausschließlich Geld verdienen.

Wie hat sich Hoccer bisher finanziert?

Ich und fünf weitere Investoren, darunter auch der Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme, sind an Hoccer beteiligt und haben Hoccer bisher finanziell und mit ihrem herausragenden Netzwerk unterstützt. Sie waren sozusagen die Visionäre der ersten Stunde.

Bild: Hoccer