Hockeyschläger aus der Flechtmaschine: Revolution der Flechttechnik - KfWHerzstück Mit prüfendem Blick steht Olaf Rüger, Gründer von Munich Composites, an der Flechtmaschine. 96 Spulen speisen Carbonfasern ein, aus denen das Geflecht für die Werkstücke entsteht. Bild: KfW Bankengruppe / Jens Steingässer

 

Munich Composites stellt hohle Bauteile aus carbonfaserverstärktem Kunststoff her. Mithilfe privater Investoren und der KfW baute das Unternehmen eine Produktionsstraße für die Serienfertigung.

Das Herzstück: Eine patentierte Flechtmaschine

Ein Hockeyschläger, die Antriebswelle für den Heckrotor eines Hubschraubers oder Greifarme zum Anheben von Whirlpool-Abdeckungen – so verschieden diese Gegenstände auch sind, eines haben sie gemeinsam: Ihre Form erhalten sie durch ein Geflecht aus schwarzgrauen Kohlenstofffasern. Nahtlos liegen die Fasern an- und übereinander, zu ebenmäßigen Zopfmustern geflochten. Vollbracht hat diese Präzisionsarbeit die Flechtmaschine in der Werkshalle von Munich Composites. Das Unternehmen aus Ottobrunn nahe der bayerischen Landeshauptstadt hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Produkten aus carbonfaserverstärktem Kunststoff spezialisiert. Mit einer patentierten Methode entstehen bei Munich Composites hohle Bauteile und Endprodukte, die ansonsten meist in Billiglohnländern gefertigt werden. „Unser Verfahren stellt durch Automatisierung gleichbleibend hohe Qualität sicher, außerdem ist die Fertigung bei uns bis zu einem Drittel günstiger als von Hand“, sagt Felix Fröhlich, der das Unternehmen 2011 mit Olaf Rüger gegründet hat.

Die beiden Luft- und Raumfahrttechniker bauen auf ihrer Produktionsstraße beispielsweise Mountainbike-Lenker, die beidseitig 200 Kilogramm Belastung aushalten – dabei aber mit nur 199 Gramm um 30 Prozent leichter sind als ein Pendant aus Aluminium. Auch Fahrwerksstabilisatoren für Autos stellen sie aus carbonfaserverstärktem Kunststoff her. Diese sind nur halb so schwer wie die Alternative aus Stahl.

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Produkt-Check: Commercial Director Martin Stoppel (li.) begutachtet mit den Gründern Felix Fröhlich (mi.) und Olaf Rüger (re.) ein Bauteil. Bild: KfW Bankengruppe / Jens Steingässer

Gewinner des Innovationspreises – aus gutem Grund

In der Flechtmaschine, einem blauen Metallring von gut eineinhalb Metern Durchmesser, wird ein wiederverwendbarer Kern in der Form des späteren Produkts mit einem Carbongeflecht umspannt. 96 rundherum befestigte Spulen speisen die Fasern in die Maschine ein. Drei orangerote Roboterarme ziehen den Kern durch die Mitte des Rings und drehen und winden ihn dabei so, dass die Fasern eng und nahtlos um ihn herumgeflochten werden.

Hockeyschläger aus der Flechtmaschine-kfwDas Unternehmen stellt Produkte wie diese industriellen Hebearme her. Bild: KfW Bankengruppe / Jens Steingässer

Anschließend werden der Kern entfernt und das Fasergeflecht mit einem Epoxidharz gefestigt – ebenfalls automatisiert. Das Produktionsverfahren mit dem Namen BRAIDform haben Rüger und Fröhlich selbst entwickelt und patentieren lassen. Mehrfach wurde Munich Composites dafür von dem internationalen Branchenverband JEC ausgezeichnet, außerdem erhielt es den Innovationspreis Bayern 2014.

Hockeyschläger aus der Flechtmaschine-kfwAuch ein Verfahren bei Munich Composites – das Wickeln. Bild: KfW Bankengruppe / Jens Steingässer

Erfolg kam mit Venture Capital

Zu den Kunden zählen heute neben namhaften deutschen Autoherstellern unter anderem Firmen wie der australische Hockeyausrüster Ritual. Möglich wurde der internationale Erfolg durch den Innovationsgeist der beiden Gründer und Geschäftsführer – und durch die Finanzierung, die von der KfW mitgetragen wurde. Ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums erleichterte Rüger und Fröhlich den Start, den sie 2011 mit ihrem Mentor, dem Werkstoffwissenschaftler Professor Klaus Drechsler von der TU München, wagten. 2013 dann investierte eine Reihe von Venture-Capital-Gebern und Business Angels in das junge Unternehmen. Munich Composites beantragte bei der KfW außerdem Beteiligungskapital aus dem ERP-Startfonds, der jetzt vom neuen VC-Fonds Coparion abgelöst wurde.

Vom Startup zum Mittelständler

„Erst mit dem Geld aus der Finanzierungsrunde konnten wir unsere heutige Produktionsstraße aufbauen und in die Serienfertigung gehen“, sagt Olaf Rüger. Bis zu diesem Zeitpunkt leistete Munich Composites meist nur Entwicklungsarbeit. „Wir haben zu Beginn unserer Tätigkeit beispielsweise für die Sonderedition eines Sportwagens einen Stabilisator entwickelt – weil wir ihn damals noch nicht in Serie fertigen konnten, gab der Autohersteller die Produktion im Ausland in Auftrag“, sagt Felix Fröhlich.

Heute kann Munich Composites in seiner Produktionsstraße rund 5.000 ausgehärtete Bauteile pro Jahr herstellen. Das Führungsduo Rüger und Fröhlich denkt darüber nach, auf einen Mehrschichtbetrieb umzustellen und die bestehende Anlage so besser auszulasten. Auch ein Ausbau der Produktion um weitere Flechtanlagen ist in der Diskussion. Seit der Finanzierungsrunde 2013 ist das Team von damals sieben auf nun 20 Mitarbeiter inklusive Praktikanten und Werkstudenten gewachsen. „Wir bezeichnen uns mittlerweile nicht mehr gern als Start-up“, sagt Olaf Rüger. „Nach fünf Jahren am Markt sind wir ein etablierter kleiner Mittelständler.“

Wie geht’s weiter?

Als Nächstes streben die Gründer von Munich Composites die Großserienproduktion von Bauteilen für die Automobilbranche an. Und sie wollen neue Kunden gewinnen, auch in Branchen wie dem Flugzeugbau, zu denen noch keine Geschäftsbeziehungen existieren. „Vorstellbar wäre, dass wir mit unserem Verfahren zum Beispiel die Rahmenstruktur von Flugzeugsitzen herstellen“, sagt Felix Fröhlich. Das Ziel der Unternehmer ist klar: weiteres Wachstum.

Text: Nicolas A. Zeitler
Alle Bilder: KfW Bankengruppe / Jens Steingässer