Ein Beitrag von Dr. Simon Werther, Diplom-Psychologe und Geschäftsführer, und Wirtschaftspsychologin Julia Weßeler von HRinstruments.

Die dynamische Entwicklung der Startup-Szene in Deutschland ist längst kein neues Thema mehr und auch in puncto Human Resources steigen die Zahlen an innovativen Unternehmensideen. Wenngleich der Anteil der HR-Unternehmen gemessen an allen Startups noch recht klein ist, konnten in einer Studie von HRinstruments dennoch wichtige Einblicke für das vergangene Jahr aufgezeigt werden. Hierbei wurden deutsche und US-amerikanische Startups sowie ihre Produkte und Angebote aus der HR-Branche verglichen.

Ausgangslage der HR-Startups-Studie

Insgesamt wurden 68 HR-Startups aus Deutschland und 110 HR-Startups aus den USA berücksichtigt und kategorisiert. Die Recherche fand dabei über Branchenportale und -experten statt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass bei der Recherche US-amerikanischer Startups keine Repräsentativität angestrebt wurde.

Die Jungunternehmen wurde dafür in folgende Kategorien eingeteilt: Administration und Personalcontrolling, Personalentwicklung und Weiterbildung, Change-Management, Compensation und Benefits, Headhunting sowie Recruiting. Ein Anhand der Kriterien des Bundesverbands Deutsche Startups wurde ein Startup wie folgt definiert: das Unternehmen ist jünger als 10 Jahre, mit seiner Technologie oder/und dem Geschäftsmodell hoch innovativ und hat ein signifikantes Mitarbeiter- oder Umsatzwachstum oder strebt es zumindest an.

Der HR-Startup-Markt: Noch überschaubar

Die ersten Ergebnisse zeigen, wie hoch der Anteil an HR-Startups in Deutschland ist. Leider existieren keine verlässlichen Zahlen über die tatsächliche Anzahl aller Startups in Deutschland. Der Bundesverband Deutsche Startups geht allerdings davon aus, dass es etwa 6.000 aktive Startups in Deutschland gibt. Dementsprechend beträgt die Anzahl an HR-Unternehmen unter Berücksichtigung dieser Schätzung unter allen deutschen Jungunternehmen nur circa ein bis zwei Prozent, was ein geringer Anteil ist.

Lässt sich ein positiver Trend bei der Gründung von HR Startups in Deutschland verzeichnen? Diese Frage ist unter Vorbehalt zu beantworten, da lediglich am Markt aktive Startups berücksichtigt werden konnten. Es ist naheliegend, dass gerade bei älteren Unternehmen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass diese aus vielfältigen Gründen entweder nicht mehr am Markt aktiv sind oder von anderen Firmen übernommen wurden.

Insgesamt 76 Prozent der deutschen HR-Startups wurden zwischen 2011 und 2015 gegründet. Die voranschreitende Digitalisierung und die grundsätzliche Herausforderung vieler Unternehmen in Bezug auf die Rekrutierung, Qualifizierung und Bindung von jungen und älteren Arbeitnehmern hängen sicherlich eng mit dieser Entwicklung zusammen.

Trends deutscher und amerikanischer HR-Startups

Der Schwerpunkt Recruiting ist in Deutschland letztlich geringer ausgeprägt als in den USA. Im Gegensatz dazu sind Personalentwicklung und Weiterbildung in Deutschland häufiger Tätigkeitsschwerpunkte von HR-Startups als in den USA. Genauso verhält es sich bei Administration und Personalcontrolling. Compensation und Benefits sind dagegen in den USA weiter verbreitet. Und auch beim Thema People Analytics schwächeln deutsche Startups.

Insgesamt lassen sich aber keine grundsätzlichen Trends aus den USA ableiten, die im deutschen Markt nicht ebenso zu finden sind. Deutschland scheint in Bezug auf die inhaltlichen Schwerpunkte der HR-Startups also gut aufgestellt zu sein. Allerdings ist die Möglichkeit innovativer Lösungen in Deutschland teilweise durch starke Mitbestimmungspflichten von Arbeitnehmern und sehr hohe Datenschutzstandards erschwert.

Mehr Offenheit in den USA

Wenngleich die große Rolle, die das Thema Matching im HR-Startup-Umfeld einnimmt, wenig überrascht, ist die geringe Ausprägung des Themas Big Data in Deutschland umso erstaunlicher – trotz aktuell großer Diskussion in der Branche. Sicherlich hängt das auch mit einer konservativeren Einstellung mancher deutscher Unternehmensleitungen im Zusammenhang mit der starken Stellung von Betriebsräten und Datenschutzbeauftragten zusammen.

Nicht nur was das Thema Big Data angeht, sind die amerikanischen Startups im Verhältnis aktiver. Auch transparente Vergleiche und Ranking-Mechanismen in der Personalentwicklung, im Talent-Management und im Change-Management sind in den USA sehr verbreitet. Bei deutschen HR-Startups stehen diese selten ausschließlich im Mittelpunkt eines Geschäftsmodells, was sicherlich ebenfalls mit den genannten einschränkenden Einflussfaktoren zusammenhängt.

Allgemein lässt sich bei amerikanischen Geschäftsmodellen eine größere Vielfalt feststellen. Am Beispiel von Zenefits wird das besonders deutlich. Hier wird die SaaS-Lösung kostenlos angeboten, da über Kooperationsmodelle mit Partnerunternehmen die Finanzierung erfolgt. In Deutschland würden Sicherheits- und Datenschutzbedenken einem Geschäftsmodell dieser Art von vornherein im Weg stehen, da die Unabhängigkeit des Anbieters bei uns von großer Bedeutung ist. Dennoch ist auch hier Bewegung in der deutschen HR-Szene, so dass die Entwicklungen der nächsten Monate abzuwarten bleiben.

Ausblick in die Zukunft – zwischen Freiheit und Regeln?

Deutschland muss aufpassen, dass es aufgrund strenger Regelungen und zahlreicher Limitierungen nicht seine Innovationsrolle verspielt. Langfristig können nur Freiheit und Selbstbestimmung echte Innovation garantieren und gewährleisten.

Übertragen auf die Personalszene geht es dabei konkret um Datenschutz, Mitbestimmung und anderweitige rechtliche Regelungen (zum Beispiel Arbeitszeiten). Das sind zweifellos hohe Güter und wichtige Themen, doch gleichzeitig verändert sich die Arbeitswelt auf der ganzen Welt in rasanter Art und Weise. Wenn sich in den USA, in China und in vielen anderen Ländern dynamisches Personalmanagement und kreative People-Analytics-Systeme etablieren, wird Deutschland – bei unserer aktuellen konservativen politischen und rechtlichen Einstellungen – abgehängt. Das wird sich mittelfristig massiv auf die Innovationskraft des Landes auswirken.

Wir müssen die genannten Themen noch mehr zum Vorteil des deutschen Standorts nutzen und gleichzeitig neue Wege gehen. Bereits jetzt haben SaaS-Anbieter in Deutschland einen sehr guten Ruf aufgrund höchster Datenschutz- und Sicherheitsstandards, woran sich natürlich nichts ändern soll. Gleichzeitig müssen wir an vielen Stellen sicherlich kreative und dennoch rechtlich einwandfreie Lösungen suchen, was nur gemeinsam mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft möglich ist.

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